Heimliche Herrschaft

Auf der Insel Oshra geht es rund. Nach dem Tod des Kaisers ist dummerweise nicht geklärt, wer dessen Nachfolge antreten soll. Also müssen das die Spieler jetzt untereinander regeln. Um den Platz auf dem Thron einnehmen zu können, brauchen sie allerdings Unterstützung. Ring frei zu miesen Machtmauscheleien.

von Oli Clemens

In „Heimliche Herrschaft“ werden reihum Handkarten ausgespielt und dadurch zwei Spielsteine auf einer Machtleiste verschoben. Jeder besitzt eine Rollenkarte, die vor den anderen geheim gehalten wird. Sie ist zweifarbig gestaltet und zeigt an, wie die Spielsteine zum Ende einer Partie stehen auf einer Leiste müssen, damit du gewinnen kannst. Gespielt wird solange, bis eine festgelegte Anzahl offener Karten vor den Spielern ausliegt. Die Anzahl orientiert sich dabei an der Menge der mitspielenden Personen.

Die größte Hürde des Spiels begegnet uns ganz am Anfang, nämlich die Frage, wer wie gewinnen kann. Die Siegbedingungen des Spiels sind so einzigartig, dass selbst Leute, die viel und häufig spielen, lieber einmal mehr nachfragen, bevor es losgeht. Dabei ist diese Regel recht einfach, denn es hängt alles von dem roten und dem grünen Spielstein und ihrer Position zueinander auf dem Spielfeld ab.

Endet das Spiel und der rote Marker steht mindestens zwei Felder vor dem Grünen, können alle gewinnen, deren geheime Rollenkarte eine rote Seite hat. Ist es umgekehrt, gewinnen die Spielenden mit einer grünen Seite. Stehen beide Marker auf dem gleichen Feld oder nur eins voneinander entfernt, gewinnen alle mit einer blauen Seite. Um mit Schwarz gewinnen zu können, müssen beide Marker in das dunkle letzte Drittel der Machtleiste vorgerückt sein. Wie sie genau zueinander stehen, ist dann auch egal.



Thematisch sind allen Farben phantastische Fraktionen zugeordnet. Rot steht für die Kaiserliche Armee, Grün sind die Hügelstämme, Blau repräsentiert das Seevolk und Schwarz ist – wie könnte es anders sein – die Farbe der Untoten. Diese vier Farben sind in jeder denkbaren Kombination auf den sechs Rollenkarten verteilt, von denen man geheim eine vor sich liegen hat. Blau gibt es also einmal zusammen mit Rot, einmal zusammen mit Grün und einmal zusammen mit Schwarz auf je einer Karte. So kann es also sein, dass zum Ende des Spiels mehrere Personen die Chance haben, gewinnen zu können. Bei einem solchen Gleichstand entscheiden dann die Karten, die ich vor mir gesammelt habe.

Das Spiel an sich läuft völlig unkompliziert ab. Bin ich an der Reihe, spiele ich eine Karte aus der Hand aus und lege sie offen vor mir ab. So werden es immer mehr. Dann versetze ich die Marker auf der Machtleiste entsprechend und handele die zusätzliche Funktion meiner Karte ab, sofern sie eine hat. Im Anschluss ziehe ich nach und weiter geht es mit der nächsten Person im Uhrzeigersinn.

Karten kann ich von einem Stapel verdeckter Karten abziehen, der Hafen genannt wird, oder aus einer offenen Auslage, dem Wirtshaus. Außerdem gibt es noch die Wildnis und den Friedhof für abgeworfene Karten. Alles ist rund um die Machtleiste angeordnet. Jeder Bereich ist mit klar verständlichen Symbolen versehen. Die tauchen auch immer wieder in den Effekten der Karten auf. Da ist man schnell durchgestiegen. Durch die zusätzlichen Funktionen kommt eine erhebliche Dynamik ins Spiel, denn manchmal darf ich beispielsweise nach Herzenslust in der Auslage der anderen rumpfuschen. Nichts ist sicher bei dem Kampf um den Kaiserthron.



Ein besonderer Reiz von „Heimliche Herrschaft“ besteht darin, dass ich die ganze Zeit die Handlungen der anderen beobachte. Was legen sie ab? Wie verändern sie die Marker? Kann ich vielleicht schon erahnen, welche Farben auf ihrer geheimen Rollenkarte sind? Und kann ich vielleicht ihre Spielzüge zu meinem Vorteil nutzen? Allianzen und kooperative Momente gibt es zwar keine, aber vielleicht kann ich ja von deren Taktik profitieren.

Je nach Personenzahl spielen wir 20 bis 40 Minuten, wobei klar ist, dass es länger dauern wird, wenn mehr Leute mitspielen. Durch die klare und nachvollziehbare Anleitung ist man schnell durchgestiegen. Und für alle, die sich nicht genau merken können, wer unter welchen Voraussetzungen gewinnt, findet man Spielhilfen zum Nachschauen.

Die Karten sind stabil und halten durchaus was aus. Aber wie immer rate ich hier zu Sleeves, weil die Karten doch sehr häufig durch die Hände wandern. Zumindest die sechs Rollenkarten sollten den Weg in die Schutzhülle finden. Ein Klick, ein kleiner Riss: Wäre schon unglücklich, wenn man am Zustand einer Karte nachvollziehen kann, welche Farben darauf abgebildet sind.



Verliebt habe ich mich in den Comic-Stil, in dem die Figuren auf den Karten gestaltet gezeichnet sind. Da geht ein dickes Kompliment raus an den japanischen Künstler Satoshi Matsuura, der sich da ausgetobt hat und dabei genau bei meinen Geschmack gelandet ist. Und das Sahnehäubchen auf dem Spiel sind für mich die Namen der Karten. Sei es der Kiemen-Knappe, die Biromantische Bardin, der Halbstarke Henker oder der Schlottrige Schütze: Jeder Karte trägt als Titel eine Alliteration oder eine andere Lautspielerei. Da wurde viel Gehirnschmalz investiert, um das Spiel vom Englischen ins Deutsche so wortgewaltig zu übersetzen.

Fazit: „Heimliche Herrschaft“ ist für mich ein Spiele-Tipp für Viel- und Wenigspieler gleichermaßen. Man kommt leicht in das Spiel rein und es spielt sich herrlich unkompliziert. Dabei kommt es immer wieder zur intensiven Interaktion zwischen den Spielern. Das muss aber nicht immer wohlwollend sein, denn man kann den anderen so richtig in die Suppe spucken. Das muss man abkönnen. Die Qualität des Materials stimmt und die optische Aufmachung bekommt von mir einen dicken Daumen hoch!

Heimliche Herrschaft
Kartenspiel für 2 bis 6 Spieler ab 10 Jahren
Andreas Müller, Markus Müller, Raphael Stocker
Boardgame Circus, 2022
EAN: 4270001195593
Sprache: Deutsch
Preis: ca. EUR 25,00

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