H. P. Lovecraft: Leben und Werk 2

Der renommierte Horror-Autor H. P. Lovecraft hat ein literarisches Werk hinterlassen, das in unserer Zeit zu Bekanntheit gelangte und breiten Einfluss auf die Popkultur genommen hat. S. T. Joshi hat dem Schriftsteller eine ebenso denkwürdige, zweibändige Biographie gewidmet, deren zweiter Band hier vorgestellt werden soll.

von Markus Kolbeck

Das Hardcover-Buch „H. P. Lovecraft – Leben und Werk 2“ ist der zweite und abschließende Band der Lovecraft-Biographie von S. T. Joshi und 2020 im „Golkonda“-Verlag erschienen. H. P. Lovecraft (HPL) (1890-1937) war US-amerikanischer Autor unheimlich-phantastischer Geschichten. Die Biographie beruht auf dem englischsprachigen Originalausgabe („I am Providence: The Life and Times of H. P. Lovecraft“), die 2010 überarbeitet und erweitert erschienen ist und 1996 erstmals veröffentlicht wurde. Während der erste Band 734 Seiten mit 15 Kapiteln hatte, fällt der zweite Band etwas dünner aus: er hat 669 Seiten mit 11 Kapiteln. Damit hat die gesamte Biographie einen Umfang von rund 1400 Seiten – beeindruckend! Nach jedem Kapitel gibt es einen Abschnitt mit zahlreichen Anmerkungen, die aber vor allem für den ernsthaften Forscher von Interesse sind. Dem Band wurden – wie auch schon Band 1 – zwei Lesebändchen spendiert.

Inhalt

Die Biographie umfasst die Zeit von den Jahren 1925 bis 1937 und darüber hinaus. Lovecraft trennt sich von seiner Ehefrau, Sonia H. Greene, verlässt New York und zieht nach Providence, Rhode Island, zurück. Aus dieser Zeit stammt sein Ausspruch „I am Providence ...“, der seine tiefe Verbundenheit mit seiner Heimatstadt ausdrückt. Der Autor führt sein Werk fort und fügt weiterhin Querweise auf seine eigenen Schriften ein, aber vor allem auf die anderer „Cthulhu-Mythos“-Autoren in Form von Namen von Gottheiten, Büchern etc. Die Pseudomythologie des „Cthulhu-Mythos“ wurde von ihm schon zu Anfang seiner schriftstellerischen Karriere erfunden, aber er hat diesen Begriff nie selbst benutzt. Vielmehr sprach er zum Teil von seinem „Arkham-Zyklus“ oder auch von „Cthulhuism & Yog-Sothothery“. Lovecraft war Mentor für ein Dutzend Autoren. Nicht nur das, er war auch Lektor, Herausgeber und Ghostwriter. 1927 hatte er fast 20 Erzählungen in dem Pulp-Magazin „Weird Tales“ veröffentlicht.

HPL hat seine Geschichte „Die Farbe aus dem All“, die damals entstand, als „atmosphärische Studie“ bezeichnet. Das ist bezeichnend für den Schriftsteller, bei dem sich das Grauen oft langsam und schleichend einstellt. Aus dieser Zeit stammt auch der Kurzroman „Der Fall Charles Dexter Ward“ (englisch: „The Case of Charles Dexter Ward“). (Zu „Die Farbe aus dem All“ gibt es auch zwei mir bekannte Verfilmungen: „Die Farbe“ von Huan Vu von 2010 und „Die Farbe aus dem All“ von Richard Stanley von 2020. Erstere ist authentischer an der Originalgeschichte dran und anspruchsvoller, zweitere eher ein Horrorschocker.) Damals wird auch wieder Lovecrafts ethischer Indifferentismus deutlich. Zu dieser Zeit neigt der Autor politisch dem gemäßigten Sozialismus zu. 1931 hat er rund 50 bis 75 Briefpartner, von denen er auch Besuch bekommt und die er besucht, was endgültig seinen anfänglichen Ruf als „Einsiedler von Providence“ widerlegt. Joshi zeigt auf, dass Lovecraft sich der kommerziellen Einstellung mancher zeitgenössischer Autoren konsequent verweigert hat. Am 15. März 1937 stirbt H. P. Lovecraft an Krebs.

Das Wirken seiner Schriftstellerei ist damit nicht am Ende. S. T. Joshi führt in seiner Biographie aus, wie es mit der Rezeption des Autors in der Öffentlichkeit und den Publikationen und dem Einfluss seines Werks bis über das Jahr 2000 hinaus weiterging. August Derleth und Donald Wandrei haben den Verlag „Arkham House“ nach Lovecrafts Tod gegründet, der lange Zeit sein Werk veröffentlichte und somit in Erinnerung hielt. Viele Schriftsteller sind ihm nachgefolgt und oftmals bei dem Versuch gescheitert, ihn nachzuahmen. Sein Einfluss auf die Phantastik ist heute unbestritten. H. P. Lovecraft wurde zum „Autor der Weltliteratur“ (S. T. Joshi)!

Anhang

Im Anhang findet sich eine Liste der Abkürzungen, die Quellen der Zitate, ein Literaturverzeichnis sowie ein Register der Personen und Publikationen. Außerdem findet man dort eine Liste der Werke Lovecrafts mit den Seitenangaben für diesen Biographie-Band.

Rechtschreibung

Die kleineren Fehler bei der Rechtschreibung in dieser Biographie sind gegenüber Band 1 besser geworden. So wird die Schreibweise verschiedener Autoren mit dem Anhängsel „sche“, wie etwa „Lovecraft'sche“, praktisch konsequent richtig geschrieben. Ob „augusteisch“ richtig geschrieben ist wie ich es hier wiedergebe, weiß ich nicht. Sonst bleiben noch kleinere Buchstabendreher und -weglassungen, wie zum Beispiel „kling“ statt „klingt“, „ersthaften“ statt „ernsthaften“ und „verflogen“ statt „verfolgen“. Doch darüber kann man gut hinwegsehen. Insgesamt nämlich hat der erfahrene Übersetzer Andreas Fliedner (1966) eine schöne Übersetzung für den Leser beschert, die sich sprachlich auf gehobenem Niveau befindet.

Kritik

Muss man diese extensive Biographie wirklich lesen? Eine Kritik an der Biographie schließt eine Kritik an Lovecraft mit ein. Denn der Autor hatte durchaus negative Persönlichkeitszüge: Er galt als Rassist, Antisemit und hat begrenzt Verständnis für den Faschismus und Hitler geäußert. Das mag zum Teil seiner Zeit geschuldet sein, aber gänzlich kann man den Autor nicht von Schuld freisprechen. Es ist als positiv zu benennen, dass Joshi die negativen Charakterzüge von Lovecraft in seiner Biographie kontrovers diskutiert. HPL hatte aber auch – und das muss man der Fairness halber auch schreiben – positive Wesenszüge. Unter anderem galt er als Gentleman, freundlich, intellektuell und hatte einen Sinn für Ironie und Humor! Alles in Allem muss man bei einem Schriftsteller sein Werk und dessen Auswirkungen in den Mittelpunkt der Betrachtung stellen. Da gilt, dass eher selten Rassismus in seinen Schriften durchschimmert!

Lovecrafts Leben, Werk und seine Zeit sind sicherlich interessant. So dürfte es auch von großem Interesse für Liebhaber seiner Geschichten sein, die wissen wollen, wie sie entstanden sind, wie sie aufgenommen und veröffentlicht wurden. HPL hat nie so richtig die Früchte seines Könnens geerntet, aber heute gilt er zweifellos als wichtiger, vielleicht sogar als wichtigster Vertreter der Phantastik des 20. Jahrhunderts. Joshi geht dem in seiner Biographie mit hohem Detailgrad nach und trotzdem lässt sie sich angenehm und flüssig lesen. Manchmal ist sie etwas trocken in der sprachlichen Präsentation, dafür aber umso sachlicher. Joshi hat bei ihrer Zusammenstellung auf zahlreiche Dokumente in Form von Aufzeichnungen von Zeitzeugen und Tausenden von Briefen aus Lovecrafts Schriftwechsel etc. zurückgegriffen und so einen formidable Arbeit zu Lovecraft abgeliefert.

Fazit: S. T. Joshi ist mit seiner HPL-Biographie ein Meisterstück gelungen! Er zeigt Lovecraft in einem fairen, ausgewogenen Licht und hält ihn somit in Erinnerung. Joshi zeigt auf, was der Autor weitreichend für die Phantastik bedeutet und nimmt dabei kein Blatt vor den Mund. Man mag von Lovecraft halten, was man will, aber sein Werk ist einmalig und bedeutsam! Selten hat man eine Biographie mit solch einer Akribie verfasst gesehen, wie dies Joshi vollbracht hat. Die Detailfülle ist famos und man kann sich nur bedanken bei einem der besten, vielleicht sogar bei dem besten Lovecraft-Forscher unserer Zeit! Man sollte aber bei aller Begeisterung berücksichtigen, dass diese HPL-Biographie nur etwas für ernsthaftere Lovecraft-Liebhaber und -Kenner ist. Und diesen kann ich sie empfehlen!

H. P. Lovecraft: Leben und Werk 2

Biographie
S. T. Joshi
Golkonda Verlag 2020
ISBN: 978-3-944720-52-4
669 S., Hardcover, deutsch
Preis: EUR 39,90

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