Ausgewählte Aufsätze zu H. P. Lovecraft

Sunand Tryambak Joshi (geb. 1958) gilt als einer der angesehensten und renommiertesten Lovecraft-Kenner. Bekannt wurde er durch seine Lovecraft-Forschung, Essays zum Thema und vor allem die preisgekrönte zweibändige Biographie („H. P. Lovecraft – Leben und Werk“). In dem vorliegenden Band liegen einige seiner Aufsätze zum berühmten Horror-Autor vor. Sind diese aufschlussreich für den*die Leser*in?

von Markus Kolbeck

Das Taschenbuch ist 2022 beim Verlag Romankiosk mit einem Umfang von 196 Seiten erschienen. Der Originaltitel lautet „Selected Essays On H. P. Lovecraft“, und außer der relativ schlichten, aber angemessenen Umschlaggestaltung bleibt das Werk schmucklos. Es ist in ein Geleitwort, eine Einführung und sechs Kapitel unterteilt. Außerdem gibt es noch biographische Angaben.

Inhalt

Das kurze Geleitwort stammt von Franz Rottensteiner und nach der ebenfalls kurzen Einleitung geht es los mit den eigentlichen Essays, in denen eine Vielzahl an Sachverhalten bezüglich Lovecrafts Werk behandelt werden:

„Lovecrafts außerirdische Zivilisationen – Eine politische Interpretation“: Hier werden verschiedene politische Aspekte beleuchtet, wie sie im Werk des Horror-Autors zutage treten. Die wirtschaftliche Depression, Wahlrecht, die Rasse, Wissenschaft und mehr werden thematisiert.

„Autobiographisches bei Lovecraft“: In diesem Kapitel kann man nachlesen, wie sehr die Geschichten Lovecrafts Bezug zu ihm selbst haben. Beispielsweise kommt sein Verhältnis zu seiner Mutter und seiner Ehefrau zur Sprache, ferner seine Lieblingsfarbe, seine Ernährung, sein Hang zum Antiquarischen und Etliches mehr.

„Die Struktur von Lovecrafts längeren Erzählungen“: Joshi unterscheidet vier Strukturen von Geschichten bei Lovecraft, anhand derer man sie kategorisieren kann: 1. chronologische Geschichten, 2. Geschichten mit Rückblenden, 3. Geschichten mit doppeltem oder mehrfachem Höhepunkt und 4. Geschichten mit Geschichten innerhalb.

„Aktuelle Bezüge bei Lovecraft“: Der Horror-Autor war in seinem Schaffen nicht losgelöst von aktuellen Ereignissen: Er lässt Bemerkungen über (damals) zeitgenössische Literatur, Politik und Gesellschaft einfließen. So werden etwa Arbeitslosigkeit, der Tod von US-Präsident Warren G. Harding, der Erste Weltkrieg und wissenschaftliche Theorien aus Bereichen wie Physik, Philosophie, Psychologie, Medizin, Archäologie, Geologie und vieles mehr thematisiert.

„Ein Blick auf Lovecrafts Briefe“: Lovecraft war ein schier unermüdlicher und enormer Briefschreiber! Von den nach konservativen Schätzungen 80.000 bis an die 90.000 Briefen, die der Horror-Autor geschrieben haben soll, sind rund 10.000 erhalten geblieben. Davon wurden knapp 1.000 veröffentlicht, aber auch nur gekürzt. Die Vorbereitung der Herausgabe dieser Briefe hat vierzig Jahre gedauert!

„H. P. Lovecrafts Rassismus und Erkenntnis“: Etliche von Lovecrafts Kritikern vertreten die Meinung, dass dessen Rassismus nicht im Mittelpunkt seines Werks steht. Etwa 1930 hatte der Horror-Autor eine Wandlung von wirtschaftlichen und politischen Konservativismus zum (nichtmarxistischen) Sozialismus durchgemacht. Das hatte zur Folge – so Joshi –, dass sich sein Rassismus gegen Coloured People minderte. Außerdem gibt es auch Geschichten, in denen Weiße sehr negativ dargestellt werden. Wie Joshi betont, spielt heutzutage die grobe Unterteilung in Schwarz und Weiß eine große Rolle, aber bei der Betrachtung von Lovecraft sind Nuancen bedeutsam.

Am Schluss gibt es noch vier Informationen zu Tätigkeiten beziehungsweise Veröffentlichungen von S. T. Joshi, Dr. Frank Roßnagel, Jörg Martin Munsonius und Franz Rottensteiner.

Kritik

Joshi ist ein profunder Kenner der Materie, was man dem Buch auch anmerkt. Gekonnt und fundiert beleuchtet er vielerlei Aspekte von Lovecrafts Werk. Die politische Interpretation von Lovecrafts außerirdischen Zivilisationen scheint mir noch am interessantesten zu sein. Der letzte Essay (zu Lovecrafts Rassismus) ist aber der wichtigste, denn hier wird der, durch die meisten Kritiker in einem schlechten Licht stehende, Horror-Autor neu beleuchtet.

Man mag sich fragen, welche Leser*innenschaft solch ein Band ansprechen soll. Er wird sich an Lovecraft-Expert*innen und Leser*innen mit ausgeprägten Kenntnissen von und hohem Interesse an Lovecrafts Leben und Werk richten. Der Kreis derjenigen, an die sich Joshi wendet, ist also relativ klein. Man sollte also wirklich berücksichtigen, ob man zu diesem Kreis gehört.

Rechtschreibfehler sind mir keine aufgefallen, aber das Schriftbild ist nicht immer ganz frei von kleinen Farbklecksen, die aber zum Glück selten sind. Der Umfang ist, wenn man die Taschenbuch-Version erwirbt, dem Preis von knapp 11,- Euro angemessen. Es gibt das Buch auch als E-Book für knapp 6,- Euro und als Hardcover für knapp 19,- Euro.

Fazit: Joshis Buch bleibt ein Speziallistenwerk für Lovecraft-Spezialisten und sehr ernsthafte Lovecraft-Fans! Informationsgehalt und Detailliertheit der Betrachtungen gehen in Ordnung. Ich kann das Buch eigentlich nur Zugehörigen zum in der Kritik genannten Personenkreis empfehlen.

Ausgewählte Aufsätze zu H. P. Lovecraft
Sachbuch
S. T. Joshi
Der Romankiosk 2022
978-3-7565-0385-8
196 S., Taschenbuch, deutsch
Preis: 10,99 EUR

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