Gruselkabinett 190: Schauermärchen 1

Bereits in der 188. Ausgabe der langlebigen „Gruselkabinett“-Reihe wurde mit Heinrich Seidels „Der Hexenmeister“ eine Geschichte vorgestellt, die eher an ein Märchen denn eine klassische Gruselmär erinnerte. Nun geht Marc Gruppe, Drehbuchschreiber hinter der Reihe, noch einen Schritt weiter und vertont gruselige Märchen der Gebrüder Grimm.

von André Frenzer

Der Dienst, welche Jacob und Wilhelm Grimm – besser bekannt als „Gebrüder Grimm“ – der Literatur erwiesen haben, ist nahezu unermesslich. Ihre Sammlung deutscher Märchen und Sagen hat zweifellos dabei geholfen, unzählige dieser einst nur mündlich oder im lokalen Volksgut existierender Geschichten in die heutige Zeit zu retten. Und auch wenn viele Märchen mit Kindergeschichten gleichsetzen, so ist das doch keineswegs richtig. Gerade die originalen Versionen, welche zumeist eine moralische Botschaft vermitteln sollten, sparten nicht mit drastischen Darstellungen oder Handlungen.

Vier dieser eher drastischen Märchen hat Marc Gruppe nun ausgewählt, um sie als 190. Ausgabe der „Gruselkabinett“-Reihe zu vertonen. Enthalten sind die Märchen „Blaubart“, „Das Mädchen ohne Hände“, „Der Räuberbräutigam“ und „Der liebste Roland“. Allen Geschichten ist gemein, dass es wenig zimperlich zugeht: Da werden dem Teufel Versprechen gemacht, es wird gemordet, gebrandschatzt und geraubt. Rache und Hass sind gängige Motive, und natürlich darf auch finstere Magie nicht fehlen.

Bezüglich der thematischen Gestaltung dieser Ausgabe bin ich ein wenig hin- und hergerissen. Vielleicht war es längst überfällig, auch einmal klassische Märchen, gerade solche mit einer eher grausigen Handlung, in dieser Reihe zu vertonen. Vielleicht zeigt es aber auch, dass viele der klassischen Gruselgeschichten einfach bereits erzählt sind und der Reihe so langsam aber sicher die Luft ausgeht. Ich bin unsicher.

Technisch gibt es jedenfalls auch an dieser Ausgabe des „Gruselkabinetts“ nichts auszusetzen. Die Sprecher, welche oftmals in unterschiedliche Rollen in den einzelnen Märchen schlüpfen, arbeiten souverän. Die Toneffekte sind von gewohnt hochwertiger Qualität. Bodo Primus gibt einen hervorragenden Erzähler. Ertugrul Edirnes Cover, welches die Schlüsselszene aus „Blaubart“ aufgreift, ist wieder einmal hervorragend gelungen. Die Umsetzung als Hörspiel aller Geschichten erfolgt absolut überzeugend. Und wer Märchen mag, vielleicht sogar sammelt, der wird mit dieser Vertonung sicherlich keinen Fehlkauf tun.

Einzig und allein die thematische Verwässerung finde ich ganz persönlich ein wenig schade. Tatsächlich sind die hier versammelten Märchen nun einmal doch in erster Linie das: Märchen.

Fazit: „Schauermärchen 1“ ist eine qualitativ absolut überzeugende Vertonung einiger Grimm’scher Märchen. Nicht mehr, nicht weniger.

Gruselkabinett 190: Schauermärchen 1
Hörspiel nach Jacob und Wilhelm Grimm
Marc Gruppe
Titania Medien 2024
ISBN: 978-3-7857-8640-6
1 CD, ca. 83 min., deutsch
Preis: 8,29 EUR

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