Gruselkabinett 16-19: Draculas Gast & Dracula 1-3

Dracula – die Schöpfung des Autoren Bram Stoker, der untote Graf aus Transsylvanien, gehört zweifellos zu den klassischsten Vampirgestalten der Kulturgeschichte und dürfte als Urvater ungezählter Blutsauger gelten, die bis heute Romane, Filme und andere Medien heimgesucht haben. Titania Medien, deren preisgekrönte Gruselkabinett-Reihe schon so manchen namhaften Unhold im Hörspiel wiederbelebt hat, widmete dem Schwergewicht des Schauergenres gleich eine vier CDs, die einzeln oder in der Box zu erwerben sind. Sarg auf für: Dracula!

von Frank Stein

Welcher Genre-Fan kennt sie nicht? Die Geschichte des glücklosen Jonathan Harker, der im Auftrag seines Dienstherrn, einer Anwaltskanzlei, nach Transsylvanien reist, um einem exzentrischen Adligen namens Dracula ein Anwesen in London zu verkaufen. Doch auf Draculas Schloss ereignen sich furchtbare Dinge, erweist sich sein Gastgeber doch als Blut saugende Bestie, ein amoralisches Monstrum, das die Zivilisation nur sucht, um frisches Blut zu bekommen. „Wir sind Eroberer“, eröffnet der Graf seinem Gast in einer frühen der vielen Nächte, die Harker auf seinem düsteren Schloss zu verweilen gezwungen ist.

Während Jonathan Harker halb wahnsinnig vor Angst zurückbleibt, wendet sich die Geschichte Draculas Missetaten in England zu, wo er, kaum dass er mit einem Geisterschiff an der Küste gelandet ist, zunächst die bezaubernde, aber willensschwache Lucy Westenra unter seinen Bann zwingt. Dadurch erregt er die Aufmerksamkeit des von Lucys Arzt John Seward zu Hilfe gerufenen Abraham Van Helsing. Der erkennt schon bald, mit welchem diabolischen Gegner er es zu tun hat. Gemeinsam mit getreuen Verbündeten, unter ihnen auch den wieder vereinten Harkers (Jonathan und seiner Frau Mina), schmiedet Van Helsing einen Plan, wie er dem untoten Grafen ein für alle Mal sein unheiliges Handwerk legen kann.

Titania Medien ist dafür bekannt, seine schaurigen Literaturvorlagen – sei es „Dr. Jekyll und Mr. Hyde“, sei es „Frankenstein“ – sehr werkgetreu und höchst opulent zu vertonen. Das gilt auch im vorliegenden Falle. Die Tonkulisse ist vielschichtig und stimmungsvoll und die musikalische Untermalung – zumindest zum Teil handelt es sich um bekannte Stücke der Klassik, wie etwa Auszüge aus Holsts „Mars“ – trägt hervorragend zur Atmosphäre bei. Gerade dramatische und unheimliche Szenen werden so geschickt noch verstärkt und man fühlt sich als Hörer regelrecht mitgerissen von der Inszenierung.

Natürlich ist dies zu einem großen Teil auch der Sprecherriege geschuldet, die hier zum Teil wirklich Großes vollbringt. Vor allem verstorbene Joachim Höppner überzeugt als sinistrer Graf Dracula, ebenso Simon Jäger als zunächst noch arrogant-unverwüstlicher Engländer Jonathan Harker, der mit zunehmendem Verständnis der Dinge, die um ihn herum geschehen, in Todesangst gerät. Auch Kaspar Eichel beeindruckt als Abraham Van Helsing und nicht zuletzt die beiden „leading ladies“ Tanja Geke und Petra Barthel durchleben für den Hörer als Mina Murray und Lucy Westenra ein wahres Spektrum der Gefühle – von naiv-mädchenhafter Fröhlichkeit, über bange Furcht und tiefe Trauer bis hin zu unheiliger Lüsternheit.

Einzig die drei Mitstreiter Van Helsings – John Seward, Arthur Holmwood und Quincey P. Morris (gesprochen von Lutz Mackensy, Marius Clarén und Tobias Kluckert) – sind mir klanglich etwas zu ähnlich besetzt worden, sodass man, wenn sich die drei Männer unterhalten, manchmal nicht genau zu sagen vermag, wer nun gerade das Wort hat. Gerade dem Amerikaner Quincey Morris hätte man etwas mehr Verwegenheit in die Stimme legen können. Aber schon in Stokers Romanvorlage waren sich die drei höflich und sehr gesittet sprechenden Gentlemen vom Charakter her ein wenig zu ähnlich gewesen – die eindringliche Charakterisierung, die Jonathan Harker erfuhr, fehlte bei ihnen.

Der klassischen Geschichte wird hier auf drei CDs erzählt. Die vierte CD enthält einen Prolog, den Stoker später zu seinem populären Roman verfasste. „Draculas Gast“ erzählt von einem unheimlichen Erlebnis, das Jonathan Harker auf dem Weg nach Transsylvanien in der Walpurgisnacht in einem von allen lebenden Seelen verlassenen Dorf unweit von München hat. Auch wenn die Exposition hier deutlich länger als der schaurige Klimax an sich ist, wird bereits klar, dass Harker auf dem besten Wege ist, Spielball einer dunklen Macht zu werden, eines wahrlichen Wolfs im Schafspelz.

Die Box enthält die vier Einzel-CDs im schönen Pappschuber, alle Cover sind wie immer von Firuz Askin und verströmen schauerromantische Atmosphäre.

Fazit: Mit dem Vierteiler „Dracula“ (und „Draculas Gast“) ist Titania Medien ein großer Wurf gelungen. Eine opulente Tonkulisse, stimmungsvolle Musik und sehr gute Sprecher lassen die Schauermär vom untoten Vampirgrafen im Kopf des Hörers lebendig werden. Vereinzelte Rollen hätten noch etwas prägnanter besetzt werden können und das Finale ist vielleicht ein wenig rasch vollzogen – wenngleich hier die literarische Vorlage die Schuld trifft –, doch insgesamt liegt hier eine großartige Hörspiel-Adaption der berühmten Geschichte von Bram Stoker vor. Viereinhalb von fünf angespitzten Holzpflöcken kann man dafür getrost vergeben.


Gruselkabinett 16-19: Draculas Gast & Dracula 1-3
Hörspiel nach Erzählungen von Bram Stoker
Stephan Bosenius & Marc Gruppe
Titania Medien 2007
ISBN: 378573302X
4 CDs, 260 min., deutsch
Preis: EUR 19,95

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