God of War

Wie zügelt man Zorn? Kratos versucht in „God of War“, seinen Zorn zu bändigen, indem er sich bewusst in Gefahr begibt, dann aber darauf verzichtet, zu kämpfen. Dabei wäre es für ihn ein Leichtes, den Kampf zu gewinnen. Dieser selbstgewählten Friedlichkeit traut man nicht, insbesondere wenn man einen Comic mit dem martialischen Titel „God of War“ in Händen hält …

von Daniel Pabst

„God of War“ ist ein Comic von Chris Roberson (Text), Tony Parker (Zeichnungen), E. M. Gist (Cover) und Dan Jackson (Farben), der nun in deutscher Übersetzung vorliegt. Erzählt wird darin die Vorgeschichte des gleichnamigen Videospiels aus dem Jahr 2018 (des 8. Teils der „God of War“-Videospiel-Reihe). Titelheld ist Kratos, der Sohn des Zeus. In dem PlayStation-Spiel von Sony wurde er auserwählt, um in der nordischen Mythologie sein Unwesen zu treiben. Mit fast 20 Millionen verkauften Einheiten für die PlayStation 4 ist dieser Exklusivtitel besonders beliebt gewesen und wurde sogar mit dem Titel „Game of the Year“ gekrönt. Im Januar 2022 erscheint „God of War“ dann auch für den PC. PlayStation 4 und PlayStation 5 Besitzer dürfen sich zudem schon bald über den neuesten Teil der Reihe, „God of War Ragnarök“, freuen. Ist der „God of War“-Comic ein Lückenfüller, um die Wartezeit bis ins Jahr 2022 zu überbrücken? Lohnt sich der Blick ins Heft auch für jene, die bislang die Spiele mit dem markanten Spartaner unbeachtet ließen? Mal schauen.

Es wirkt zu Beginn der Erzählung so, als ob Kratos mit seiner düsteren Vergangenheit abschließt. Fernab von seiner Heimat Sparta hat sich der Krieger im hohen Norden niedergelassen und mit seiner zweiten Partnerin Faye eine Familie gegründet. Nun ist es die Aufgabe von Kratos, den gemeinsamen Sohn Atreus richtig aufzuziehen. Merkwürdigerweise aber sucht Kratos auch hier nach streitsüchtigen Göttern und mythischen Wesen. Oder kann er gar nichts dafür, da diese von ihm magnetisch angezogen werden? Wie auch immer: Es bleibt in diesem Comic nicht lange unblutig. Und so sehen wir einen Protagonisten, der sich in schneebedeckten Wäldern mit Trollen und Berserkern umherschlägt. Stets in Begleitung von seinem Zwiespalt, der den Leserinnen und Lesern in roten, rechteckigen Sprechblasen mit weißer Schrift mitgeteilt wird: „Ich spüre, wie die Flammen meines Zorns auflodern. Bereit, mich zu verzehren (…) Ich beherrsche meinen Zorn. Er beherrscht mich nicht.“

Auch lernen wir Kratos Sohn näher kennen. Atreus sieht auf dem Titelcover wie ein mutiger Krieger aus, doch in dem Comic entpuppt er sich als Kind, das mit Figuren Krieg spielt und sich davor drückt, Holz zu hacken. Also kommt er nicht dem Vater gleich? Warum dann das Cover? Nun, dieser Comic bildet, wie gesagt, nur eine Vorgeschichte zum Spiel ab, in welchem man das Duo aus Vater und Sohn auf einer kleinen „Heldenreise“ begleitet. Die Welt ist „noch in Ordnung“. Eine aufkommende Gefahr ist aber hintergründig zu spüren, da die weibliche Figur Faye nicht zu sehen ist, aber über sie gesprochen wird. Ist ihr Leben bedroht?

Beim Lesen des Comics spürt man förmlich, wie es dem „Gott des Krieges“ schwer fällt, die brodelnde Wut in seinem Inneren zu beherrschen. Weiterhin wird deutlich, wie schwer es ihm fällt, ein väterliches Verhältnis zu seinem Sohn zu schaffen und seine Gewaltausbrüche vor ihm geheim zu halten. Der Zeichenstil ist lebendig und entfaltet bei den Kampfszenen über mehrere kreativ gestaltete Panels sein Potenzial. Auch die Farbgebung erzeugt die passende Stimmung für die Kälte, die Einsamkeit und die innerer Unruhe Kratos. In dieser Hinsicht, ist „God of War“ sehr ansehnlich und man blättert gerne weiter.

Kommen wir abschließend zur Beantwortung der oben aufgestellten Fragen. Wenn uns der Spielentwickler und Game Director Cory Barlog im Vorwort des Comics über seine Leidenschaft zu Comics informiert und erzählt, wie er früher als Kind in die Straßen von Gotham oder die Metropole New York von Spider-Man eintauchte und so aus seinem trüben Alltag in Wheaton, Illinois, herausgerissen werden konnte, so meint man zu glauben, dass er keinen reinen Lückenfüller in die Welt setzten wollte. Leider ist trotz der Zusammenarbeit mit den Künstlern genau dies eingetreten.

Ob man als „God of War“-Fan die Geschichte gelesen hat oder nicht, unterscheidet sich kaum. Die Gegner mit denen es Kratos hier zu tun hat, sind beliebig austauschbar und die Handlung – trotz der Kämpfe – aufgrund des gleichbleibenden Themas langweilig. Man hätte sich zumindest einen richtigen Auftritt von Faye erhofft. Gerade wenn man eine Vorgeschichte zeichnet, sollte mehr Kreativität und Freiraum möglich sein. Glanzvoll in Erinnerung von „God of War“ bleibt nur eine Seite, auf der eine alte Seherin und Hexe über einen Fluch erzählt und wir, wie in einem Märchen, in vier Panels die Geschichte „in der Geschichte“ lesen dürfen. Da kommt ein wenig Spannung auf und man hätte sich mehr solcher mysteriösen Einschübe gewünscht. So aber bleibt der Comic ein Kraftakt, in dem wir Kratos überwiegend kämpfen sehen, untermalt von seiner Dauerschleife: „Gib dem Dämon des Zorns nicht nach.“

Leseprobe

Fazit: Mit dem Erscheinen von Kratos tritt die „Götterdämmerung“ für einen Berserker-Kult früher ein als erwartet. Wer Fan von „God of War“ ist, hat hier die Möglichkeit, sich die Zeit bis zum neuesten PlayStation-Spiel zu vertreiben. Der Comic liest sich sehr schnell und bietet ohne die Kombination mit dem Spiel kaum Tiefe, sodass allen anderen dieser Band nicht zu empfehlen ist.

God of War

Comic
Chris Roberson, Tony Parker
Cross Cult 2021
ISBN: 978-3-96658-499-9
112 S., Softcover, Deutsch
Preis: EUR 15,00

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