Flammen über Arcadion

Seit dem Erfolg der „Tribute von Panem“ sind Zukunftsromane, besonders solche, die sich mit Dystopien beschäftigen, wieder stärker gefragt. Hier nun der Beitrag aus dem Hause Egmont-Lyx: „Flammen über Arcadion“ ist der erste Teil der „Carya“-Trilogie aus der Feder von Bernd Perplies, die ebenfalls in einer finsteren Zukunft spielt.

von Andreas Loos

Für Bernd Perplies’ neue Trilogie hat sich der Lyx-Verlag für eine opulente Aufmachung entschieden: ein fester Einband mit Schutzumschlag und Lesebändchen. Diesmal ist es jedoch kein reines Fantasy-Spektakel wie „Tarean“ oder Urban Fantasy vor historischem Hintergrund wie bei „Magierdämmerung“. Diesmal geht es um eine düstere Dystopie nach einem verehrenden, höchstwahrscheinlich nuklearen Krieg.

Die Stadt Arcadion, in der sich ein Großteil der Handlung abspielt, wird von der totalitären Theokratie des Lux Dei beherrscht. Solange man dem Regime treu ergeben ist und die allgegenwärtige Propaganda nicht öffentlich kritisiert, ist man vor Repressalien durch die Inquisition sicher. Für viele Einwohner der Stadt Arcadion bedeutet dies ein bequemes Leben relativen Wohlstandes. Hauptziel der Repressalien sind vor allem künstlich geschaffene Menschen, sogenannte Invitros. Der Begriff erinnert an die Fernsehserie „Space: Above and Beyond“ aus den Neunzigern, in der künstlich geschaffene Menschen - Invitros oder Tanks genannt - ähnliche Aufgaben erfüllten.

Die Thematik um die Invitros beherrscht das Buch zunächst, bis Carya ein Attentat verübt und sich der Handlungsschwerpunkt völlig auf sie und den Templersoldaten Jonan verlagert. Wer sich ein Bild von Arcadion machen möchte, findet beim Aufschlagen des Buches auf den ersten beiden Seiten respektive auf den letzten beiden Seiten einen kleinen optischen Eindruck der Stadt. Da Bernd Perplies wie auch schon in seinen anderen Romanen das Kopfkino zu inspirieren weiß, ist es mir nicht schwergefallen, die Stadt vor meinem geistigen Auge erstehen zu lassen. Die Stadt hat ein sehr reales und bekanntes Vorbild, und der Wiedererkennungswert ist sehr hoch, da auch heute bestehende Gebäude die Stadtlandschaft von Arcadion prägen.

Ein Blick auf die Protagonistin verrät das Zielpublikum. Die Hauptperson Carya ist eine junge Frau, die durch äußere Umstände gezwungen wird, aus ihrem angepassten, gutbürgerlichen Leben auszubrechen. Der Roman folgt zunächst zwei Handlungssträngen. Der eine befasst sich mit der Hauptfigur, der jungen Carya, die sich gezwungen sieht, einen Anschlag auf hochrangige Inquisitoren zu verüben. Schon bald zeigt sich, zur Überraschung der Figur und des Lesers, dass die junge Frau nicht das ist, was sie zu sein scheint. So kann sie in Notsituationen auf Fähigkeiten zurückgreifen, die sie eigentlich nicht haben sollte. Hinzu kommen ein eiserner Überlebenswille und eine erstaunliche Kaltblütigkeit, die dem Leser Rätsel aufgeben und für mich die Figur etwas an Sympathie  einbüßen lässt.  

Der zweite Handlungsstrang folgt dem desillusionierten Templersoldaten Jonan, der, mit dem wahren Gesicht des Systems ständig konfrontiert und dadurch seine Rolle und seine eigenen Handlungen mehr und mehr in Frage stellt. Seinen Motivationen konnte ich erheblich mehr Verständnis entgegenbringen, als der weiblichen Hauptperson. Es zeichnet sich aber ab, dass der Autor eine Antwort für das Verhalten Caryas in Zukunft geben wird.

Die beiden Handlungsstränge kreuzen sich mehrfach, bis Jonan schließlich desertiert und Carya bei ihrem Kampf gegen den Orden des Lux Dei unterstützt. Gemeinsam suchen Sie Verbündete und nach einer Möglichkeit, sich dem Zugriff der Inquisition dauerhaft zu entziehen. Da sich der Roman vornehmlich an junge Frauen richtet, hat der Autor eine zaghafte Liebesgeschichte zwischen den beiden Hauptprotagonisten in die Handlung eingebaut. Der Autor lässt den Personen aber nur wenig Zeit, sich über ihre Gefühle füreinander klar zu werden, geschweige denn sie ausgiebig auszuleben. Gejagt von der Inquisition und getrieben von dem Verlangen, Caryas Eltern aus der Haft zu befreien, geht dieser Aspekt meiner Meinung nach ein klein wenig unter.

Etwas gestört hat mich auch, dass die beiden relativ schnell und unkompliziert ein ansehnliches Ensemble Verbündeter um sich scharen können. Die Verbündeten lassen sich allzu bereitwillig auf ein extrem gefährliches Spiel ein, das nicht wenige im Verlauf des Romans mit dem Leben bezahlen müssen. Etwas mehr offensichtlichen Widerwillen und Verrat hätte ich mir hier schon gewünscht. So fällt den meisten der so eingesetzten Nebenfiguren die Rolle der Redshirts zu, die der Autor opfert, um zu demonstrieren, wie unmenschlich der herrschende Orden des Lux Dei vorgeht.

Was keineswegs zu kurz kommt ist die Action. Das schöne Lesebändchen kam bei mir nur sehr selten zu Einsatz, da ich das Buch fast in einem Rutsch durchgelesen habe. Ständig gab es neue mehr oder weniger unerwartete Wendungen, die immer wieder weiter zum Lesen animierten.

Wie schon in „Magierdämmerung“ hat auch hier der Autor ein paar „Ostereier“ in seinem Roman versteckt. Diesmal wurde ein Nachname auch schon von einer Person in „Magierdämmerung“ getragen. Ob es sich dabei um einen Nachfahren handelt?

Fazit: „Flammen über Arcadion“ ist sehr schön geschrieben und liest sich sehr flüssig. Die Geschichte der jungen Carya, die sich gegen ein Unrechtsregime nach einer atomaren Apokalypse auflehnt, ist ein radikaler Schauplatzwechsel zu den anderen Büchern von Bernd Perplies. Die Aufmachung des Buches ist opulent und inhaltliche Schwächen konnte ich keine gravierenden ausmachen. Die Personen sind gut aufgearbeitet und die Handlung ist in sich schlüssig, ohne grobe Logikfehler aufzuweisen. Für ein über 500 Seiten starkes Buch mit festem Einband ist der Preis von 19,99 Euro angemessen. Dass die eBook-Version für 18,99 Euro verkauft wird, lässt mich allerdings erneut davor zurückschrecken, mir einen eBook-Reader anzuschaffen. Wer gespannt auf die Fortsetzung „Im Schatten des Mondkaisers“ ist, muss sich bis März 2013 gedulden.


Flammen über Arcadion
Science-Fiction-Roman
Bernd Perplies
Egmont-Lyx 2012
ISBN: 978-3802586378
515 S., Hardcover, deutsch
Preis: EUR 19,99

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