Fineprint

„Pacta sunt servanda.“ Dieser lateinische Satz steht für den Grundsatz: „Verträge sind einzuhalten.“ Um keine unangenehmen Überraschungen zu erleben, sollte daher jeder Vertragstext gründlich gelesen werden, bevor die eigene Unterschrift darunter gesetzt wird. Was aber wenn der Vertragspartner kein Mensch, sondern eine Gottheit wäre? Könntest du dich dann auch auf diesen Grundsatz berufen? So richtig kompliziert wird es in „Fineprint“ aber erst dadurch, dass der Vertragstext ein unmoralisches Angebot enthält ...

von Daniel Pabst

„Fineprint“ ist ein Comic von Stjepan Sejic, der jüngst in deutscher Übersetzung bei Panini Comics erschienen ist. Für die insgesamt 176 Seiten wurde ein großformatiges Hardcover ausgewählt. Die deutsche Übersetzung stammt von Sandra Kentopf. Die Redaktion hat Steffen Volkmer übernommen. Das Lettering kommt von Michael Beck. Das Coverbild von Stjepan Sejic gibt die Richtung vor, in die es in diesem Comic gehen wird.

Stjepan Sejic geht in diesem Comic – nach seinem Ausflug mit „Harleen“ in die Welt von Gotham-City – ins verheißungsvoll Phantastische, gepaart mit Fabelwesen und Gottheiten. Wer traut sich auf ein wildes Abenteuer, in dem einer Frau ein unmoralisches Angebot gemacht wird und diese lustvoll zwischen Paradies und Hölle gleitet?

Die Protagonistin dieses Comics ist Lauren Thomas. Am ersten Tag ihres Universitätslebens trifft sie auf Mathew Collins. Er ist ein aufstrebender Fotograf, und Lauren kennt ihn von einer Hochzeit, bei der er engagiert worden war. Wie es der Zufall so will, fallen Mathew Bücher aus der Hand und Lauren hilft beim Aufheben. Nach einem ersten peinlichen Moment der Stille, kommen sie ins Gespräch und verabreden sich zum Essen. Typisch amerikanisch gibt es Burger und Pommes mit einem Milkshake. Soweit so klischeebelastet. Wie also geht es weiter? Wo bleibt das Phantastische?

Die Mischung macht es! Die sich rasch entwickelnde Liebe ist nur der Auftakt für die eigentliche Geschichte von „Fineprint“. Denn in die Welt der Menschen haben sich Fabelwesen gemischt. Bereits zu Beginn des Comics lernen wir „Merryl“ kennen. Sie arbeitet in einer Buchhandlung und trägt ein „Cosplay“ (japanisches Kofferwort aus den Begriffen „costume“ und „play“ – also „Kostümspiel“), welches einem „Succubus“ gleicht. Wie sich herausstellt, ist das allerdings gar kein Kostüm: Schwanz und Hörner sind echt!

Diese Fabelwesen suchen Freiwillige, die einen „goldenen Vertrag“ unterschreiben. Wer würde dem Angebot von „Glamour“, „Verzückung“, „Magie“, „ungezügelter Lust“ und „unstillbarer Begierde“ widerstehen können? Wie es der Untertitel („Oder warum ein göttlicher Vertag nicht unbedingt das beste Heilmittel für ein gebrochenes Herz ist“) dieses Comics andeutet: Jede Unterschrift unter einen Vertrag sollte gut durchdacht sein.

Der Titel „Fineprint“ bedeutet übersetzt „Kleingedrucktes“. Wer kennt das nicht: Beipackzettel, Fußnoten oder Allgemeine Geschäftsbedingungen wohin das Auge schaut. Wo unsere Welt bisweilen wie ein juristischer Urwald wirkt, der von Widerrufs-, Rücktritts- oder Anfechtungsrechten begrünt wird, steht der Protagonistin in „Fineprint“ eine Welt voller Gottheiten gegenüber, die ihr eigenes Regelwerk aufgebaut haben. Da muss Lauren schon gehörig aufpassen, nicht zum „Spielball“ der göttlichen Lust zu werden – so aufregend das für einen Menschen anfangs auch sein mag …

Durch die großformatigen Zeichnungen und kräftigen Farben schafft der Autor und Zeichner Stjepan Sejic es von der ersten Seite an die Leserinnen und Leser zu fesseln. Die phantastischen Wesen kommen richtig gut zur Geltung. Die Gestaltung der Panels ist genau so kreativ wie das (Liebes-)Leben der Protagonistin. Auf jeder Seite ist die Anordnung der Panels unterschiedlich, wodurch die unterschiedlichen Gefühle und Erlebnisse auf die Lesenden übertragen werden können – vorausgesetzt, dass man sich darauf einlassen möchte.

Denn ganz klar handelt es sich bei „Fineprint“ um ein phantastisches Werk, das den Sex und die Leidenschaft in den Vordergrund stellt. Die Zeichnungen strotzen nicht nur voller Anspielungen – sie zeigen es auch. Nichtsdestotrotz ist es Sejic gelungen, nicht ins Ausbeuterische und in die Effekthascherei abzugleiten – was bei einem mehrseitigen Liebesspiel zwischen einem Succubus und einer jungen Frau oder zwischen einem Incubus und einem Gott durchaus hätte passieren können.

Damit wandelt „Fineprint“ zwischen erotisch-aufgeladenen Spielen der Gottheiten und dem Aufzeigen von menschlichen Schwächen. Denn bei allem Sex lässt Sejic durchblicken, dass wir Menschen anders als die Gottheiten sehr verletzlich und fehlbar sind. Wie schön klingt der Spruch: „Schmetterlinge im Bauch haben.“ Was aber, wenn man diesen Spruch wörtlich nimmt und diese Schmetterlinge eines Tages ihren Weg in die Freiheit suchen und hinauswollen? Was, wenn alles Verheißungsvolle nur eine Ablenkung ist? Was kommt nach dem Höhepunkt? Mit all diesen Fragen beschäftigt sich „Fineprint“ – ein Comic, der einen über die Liebe und das „Kleingedruckte“ jeder Beziehung nachdenken lässt.
 
Fazit: Dieser Comic lässt die Leser und Leserinnen hineintauchen in eine bunte Phantasiewelt, in der die Protagonistin ihre kühnsten Träume lebt. Wie grau wirkt da unsere Alltagswelt. Schaut man aber genauer hin, so hätte das Verheißungsvolle einen Haken – oder besser: Kleingedrucktes! Tänzelnd zwischen Lust und Schmerz nimmt uns Stjepan Sejic mit auf eine Reise ins Phantastische. Wer beißt zuerst in den Apfel? Lässt sich ein gebrochenes Herz reparieren? Wie auch immer: Ein bisschen mehr „Amore“ kann nie verkehrt sein!

Fineprint
Comic
Stjepan Sejic
Panini Comics 2023
ISBN: 978-3-7416-3330-0
176 S., Hardcover, deutsch
Preis: EUR 29,00

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