Etwas zu verbergen

Der System-Matters-Verlag legt mit „Etwas zu verbergen“ das nächste Spiel der sogenannten „Kleinen Reihe“ vor. Ohne den Band geöffnet zu haben, mutmaße ich, dass es sich um ein Erzählspiel mit freien Regeln handeln dürfte, wie in der Reihe üblich. Doch welche Geschmacksrichtung servieren uns die Köche des Verlages dieses Mal?

von Jens Krohnen

In der sogenannten „Kleinen Reihe“ veröffentlicht der System-Matters-Verlag Spiele, die man wohl am ehesten als Indy- oder Erzählspiele definieren kann. Auch „Etwas zu verbergen“ passt perfekt in diese Kategorisierung. Das System funktioniert spielleiterlos, kommt ohne Würfelwürfe aus und funktioniert für ein eng gestecktes Thema. Dieses Mal: ein tragischer Mordfall.

In „Etwas zu verbergen“ schlüpfen die Mitspieler in die Rolle von Figuren, die irgendwie mit einem geschehenen Mord in Verbindung stehen. Das können Verwandte des Opfers, Ermittler, der Auffinder des Leichnams oder auch Angehörige der Stadtverwaltung sein, die irgendetwas mit den Ermittlungen zu tun haben. Zunächst legt die Gruppe die Umstände des Todes sowie das Setting fest, in dem sie ermitteln möchten. Gemeinsam erschafft die Gruppe nun Orte, die für die Ermittlung wichtig sein könnten. Als nächstes widmet sich jeder Spieler nun seinem eigenen Charakter, denn der besondere Clou: einer der Spielercharaktere wird der Täter sein, doch sein Spieler weiß das nicht unbedingt. So wird jeder Spieler ein düsteres Geheimnis für seinen Charakter festlegen, dass die anderen Ermittler im Laufe des Spiels aufdecken können. So kann jeder Charakter zum Kernpunkt einer Mordtheorie werden, doch genauso ist er auch weiterhin Ermittler und kann einen anderen Charakter überführen. Schlussendlich der Täter zu sein, scheint keine schöne Aussicht zu sein, doch hat man dann immerhin die abschließenden Erzählrechte, um den Hergang des Mordes zu beschreiben.

Wie man es von modernen Erzählspielen wohl gewohnt sein darf, ist der Regelkern, den Autor Allan Dotson verfasst hat, recht simpel und abstrakt gehalten. So ist recht klar definiert, wie die verschiedenen Hinweise auf die Geheimnisse der Charaktere verfasst sein müssen, wo sie versteckt werden und wie ein Charakter zum Ziel der Ermittlungen wird. Dazwischen steht und fällt das Spiel aber mit der Erzählfreudigkeit der ganzen Gruppe. Die Erzählrechte wechseln zwischen den Spielern hin und her und jeder sollte etwas beizutragen haben. Abgerundet wird der Band mit drei als „Schnellstarter“ bezeichneten Abenteuern. Hier werden bereits ein Setting und ein Mord präsentiert, sowie fünf vorgefertigte Charaktere, die ihre eigenen Geheimnisse haben und die wichtigen Orte für die Ermittlungen gleich definieren. Liest sich die Beschreibung des Regelwerks streckenweise recht kompliziert, da die Handlungen sehr abstrakt dargestellt werden, so wird gerade durch diese Beispiele das Regelwerk gleich verständlicher.

Wirklich abgeholt hat mich das Spielprinzip allerdings nicht. Die Vorstellung, dass es vorher keine klare Rollenaufteilung in Täter und Ermittler gibt, passt für mich nicht recht in das kriminalistische Genre. Hier könnte jeder Hinweis zu einem passenden Täter führen, egal wie er aussieht. So wird zwar vielleicht eine gute Geschichte erzählt, ein klassischer Kriminalfall mit falschen Fährten und Irrwegen entsteht so allerdings nur in der Theorie – oder eher in den Gedanken der Erzähler. Faktisch sind die gegebenen Hinweise völlig egal, denn jeder könnte es per Spielprinzip gewesen sein. Damit spricht „Etwas zu verbergen“ ganz deutlich die Erzähler vor den Kriminalisten an.

„Nichts zu verbergen“ erscheint im für die „Kleine Reihe“ üblichen A5-Querformat. Das Layout erinnert an eine Fallakte mit eingeklebten Fotos und per Büroklammer angebrachten Notizen. Das ist stimmig und weiß zu gefallen. Der Schriftsatz ist großzügig, die Texte damit rasch verschlungen. Rechtschreibfehler sind mir angenehm wenige aufgefallen, sodass ich technisch eine gute Note vergeben kann.

Fazit: Sicher, das Regelkorsett und die vielen Hinweise in „Nichts zu verbergen“ helfen dabei, eine gute Kriminalgeschichte zu erzählen. Dabei löst man aber eigentlich keinen Kriminalfall, sondern sieht seinen Figuren dabei zu, wie sie es tun. Ein wenig ungewöhnlich, und „waschechte“ Kriminalisten könnten enttäuscht sein. Alle anderen erhalten ein wie üblich qualitativ hochwertiges Erzählspiel aus der „Kleinen Reihe“.

Etwas zu verbergen
Grundregelwerk
Allan Dotson, Jörg Hagenberg u. a.
System Matters Verlag 2020
ISBN: 978-3963780479
84 S., Softcover, deutsch
Preis: EUR 14,95

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