Die Reise durch Daisho

Mit „Die Reise durch Daisho“ liegt ein weiterer Ableger aus der „Kleinen Reihe“ des System-Matters-Verlages vor. Erzählspiel ohne aufwendige Regeln? Check. A5 im Querformat? Check. Alles in einem Band? Check. Mal sehen, was diese Reise so auf den Spieltisch bringt.

von Jens Krohnen

Nicht nur die Aufmachung und die ersten Illustrationen, sondern auch die ersten Seiten, welche die Hintergrundgeschichte der Zwillingsinseln Dai und Sho vorstellen, offenbaren, dass „Die Reise durch Daisho“ von fernöstlicher Mythologie inspiriert wurde. So gibt es neben Drachen und Menschen auch Kami – Geisterwesen – und dämonische Akuma, tiermenschliche Shuru und Feenwesen, welche die Inseln bevölkern. Aber: Die Zwillingsinseln Dai und Sho sind ein Ort, an dem Gewalt und Brutalität keinen Platz haben. Denn Gewalt sickert in den Boden, verformt und pervertiert die Landschaft und fällt auch oftmals auf ihren Verursacher zurück. In diesem besonderen Setting reisen die Charaktere als Bewahrer durch die Lande, vermitteln in Fehden und versuchen, Konflikte beizulegen.

Das von Team Niilo, die hinter „Die Reise durch Daisho“ stehen, erdachte Regelkonzept ist ungewöhnlich. Einfache Proben werden durch einen gewohnten Würfelwurf entschieden, doch längerfristige Konflikte – wie Kämpfe, Streitgespräche oder Diskussionen – werden anders gehandhabt. Hier bestimmt die Schwierigkeit des Konfliktes die Anzahl von Würfeln, die während des Konfliktes zum Tragen kommen. So lange der Konflikt andauert, werden diese Würfel aufeinandergestapelt. Stürzt der Würfelturm, bevor der Konflikt beendet wurde, so gilt der Konflikt als verloren. Wer Gewalt anwendet, muss darüber hinaus mit weiteren Konsequenzen rechnen, da sich die Natur der Inseln an dem Frevler rächen könnte.

Das kleine Büchlein ist mit seinen 48 Seiten erstaunlich komplett. So beinhaltet es neben der Regelbeschreibung auch Regeln für die Charaktererschaffung, einen Überblick über das fantastische Setting der Zwillingsinseln und sogar ein kleines Einführungsabenteuer, in dem es einen Diebstahl aufzuklären und in einem Zwist zwischen zwei Dörfern zu vermitteln gilt. Überhaupt ist „Die Reise durch Daisho“ einem klassischen Rollenspiel deutlich näher als viele andere Vertreter der „Kleinen Reihe“. Die Regeln sind flexibel genug, um verschiedenste Themen abzudecken, und auch an Charakterentwicklung wurde im Regelwerk gedacht. So lassen sich auch problemlos kleine Kampagnen spielen; Plothooks liefert die Settingbeschreibung einige.

Die Idee, gewaltfreie Konfliktlösung zu belohnen, ist vielleicht nicht ganz neu, aber sicher lobenswert. So entstehen neue Herangehensweisen und interessante Konfliktresolutionen im Rollenspiel. Für meinen Geschmack übertreibt es die Hintergrundbeschreibung von „Die Reise durch Daisho“ allerdings stellenweise mit der „Political Correctness“.

„Die Reise durch Daisho“ erscheint im für die „Kleine Reihe“ üblichen A5-Querformat. Die Farbwahl zwischen Himmelblau und Zartrosa unterstreicht die Eigenheiten des Settings gekonnt, das Layout ist sauber und aufgeräumt. Die Illustrationen sind einheitlich und auf einem ordentlichen Niveau, ein hübsch gestalteter Charakterbogen rundet den Band ab. Technisch gibt es damit nichts zu meckern.

Fazit: „Die Reise durch Daisho“ ist ein interessantes, kleines Rollenspiel das mehr Wiederspielwert bietet als manch anderer Ableger der „Kleinen Reihe“. Darüber hinaus bietet es mit Würfelstapeln einen interessanten Konflikt-Mechanismus und ein eigenständiges Setting. Wer einmal etwas Abwechslung von den großen Questen anderer Fantasy-Welten sucht, wird hier vielleicht als Bewahrer des Friedens fündig.

Die Reise durch Daisho
Grundregelwerk
Nils Sommer
System Matters Verlag 2020
ISBN: n. a.
48 S., Softcover, deutsch
Preis: EUR 14,95

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