von Ansgar Imme
Üblicherweise ist ein Monster- oder Kreaturenband einer der ersten Bände eines neuen Rollenspiels oder einer neuen Edition eines Rollenspiels. Dies ist sowohl dem Interesse der Kunden geschuldet, die dies anscheinend immer wieder stark bei den Verlagen nachfragen, als auch dem Interesse der Verlage selbst, um die Vielfalt des Systems zu zeigen und da sich eben diese Bände auch gut verkaufen.
Die vierte Edition von „Warhammer Fantasy“ hinkte dem bisher erstaunlicherweise hinterher. Im Original legte Cubicle 7 den Kreaturenband erst recht spät auf. Und auch Ulisses Spiele in Deutschland änderte nichts an der Publikationsreihenfolge, sondern folgte der Vorgabe des Originals.
Der jetzt vorliegende Monster- und Kreaturenband konzentriert sich dabei auf wirklich besondere Wesen und Gegner und stellt diese in einem Ingame-Band vor. Als Autor fungiert TS Luikart, welcher schon in den bisherigen Bänden der vierten Edition von „Warhammer Fantasy“ immer wieder einzelne Texte von Publikationen beisteuerte.
Schon das Layout des 144 Seiten umfassenden, vollfarbigen Bandes ist anders gestaltet als die bisherigen Erscheinungen. Der Hintergrund zeigt sich in einem weiß-bräunlichen Farbton. Die einzelnen Seiten sind alle mit Zierleisten gestaltet. Dazu finden sich neben den Illustrationen der Kreaturen auch immer wieder vereinzelt andere Bilder als auch Kartenausschnitte des Imperiums. Allerdings unterscheiden sich die Illustrationen sowohl in der Farbgebung als auch der Qualität. Es finden sich sowohl farbige als schwarz-weiße Zeichnungen, die mal mehr und mal weniger detailliert sind. Interessanterweise gibt es vor allem bei den farbigen Bildern ein wenig Probleme mit Kontrasten, vor allem sobald die Farben dunkler werden. Der uneinheitliche Stil vor allem von Farbe als auch Qualität verringert dann deutlich die Ingame-Illusion.
Die Einleitung des angeblichen Buches ist ein Vorwort des Autoren Theodosius Schreiber, welcher die Hintergründe der Erstellung seines Werkes erläutert und wie es zu seinen Expeditionen kam. Dies wird fortgesetzt durch die Vorstellung der Begleiter des Schreibers auf seinen Expeditionen. Diese lesen sich dann zum Teil wie kleine aufeinanderfolgende Kurzgeschichten, da neben den Wesen auch auf die Erlebnisse der Abenteurergruppe eingegangen wird. Wer sich nicht für die regeltechnischen Aspekte und Werte der Kreaturen interessiert, kann sich also am Lesespaß und den Hintergrundinformationen erfreuen. Vor allem die Zwischenkapitel, die sich dann nicht um die „Monster“ drehen, bieten doch einiges an Unterhaltung und Spannung sowie Einblicke in das imperiale Leben.
Die erste Expedition verläuft durch die Waldgebiete und Gebirge des Imperiums. Hier finden sich teils noch recht normale und auch bekannte Geschöpfe. In der zweiten Expedition begeben sich die Abenteurer in die Gegend westlich des Reiks und dann über die Grenze nach Bretonia. Vor allem im Gebirge stellen sich ihnen große und unerwartete Gefahren gegenüber. Die dritte und letzte Expedition führt die Gruppe dann in die südlichen Lande außerhalb des Imperiums nach Tilea. In den ihnen unbekannten Gegenden treffen sie schließlich auf die seltsamsten Bestien und Wesenheiten ihrer Expeditionen. Neben aus anderen Rollenspiel-Welten bekannten oder ähnlichen Kreaturen wie Spinnen, Goblins, Greifen, Drachen oder Trollen bekommt man auch eine Vorstellung von Geschöpfen wie den Schreckhähnen, Fenwürmern, Meerwyrmen oder Scherbendrachen. Insgesamt werden 63 ganz besondere Gegner und neue Kreaturen präsentiert, wobei einige bloß Varianten oder ein besonderes Exemplar dieser Spezies darstellen, sodass vielleicht 40 Spezies übrig bleiben.
Allerdings sind nahezu alle Wesenheiten einerseits eher als Gegner oder sogar Naturgewalt zu sehen, als dass man sie auch mal als Verbündete einbauen könnte. Dazu sind sie auch jeweils so mächtig und mit extrem guten Werten versehen, dass jede normale Gruppe von ihnen zerrieben wird. Einzig sehr, sehr erfahrene und mächtige Abenteurer werden sich mit diesen überhaupt messen können, bekommen dann aber auch eine Herausforderung gemäß ihrer eigenen Macht oder oft darüber hinaus vorgesetzt. Und selbst hier kann es schnell zu einer kompletten Gruppenvernichtung führen, wenn man als Spielleiter nicht aufpasst. Das macht den Spielwert der ersten 100 Seiten daher gering, da die wenigsten Gruppen aus sehr mächtigen Charakteren bestehen. Man muss diesen Teil somit eher als Lesespaß und Anregung sehen oder die Gefahren der Kreaturen so beschränken, dass diese die Charaktere vielleicht nur durch Zufall streifen. Spielleiter einer Anfängergruppe werden bis auf wenige schwächere Gegner keinen Mehrwert finden.
Das letzte Drittel des Bandes bilden sehr umfangreiche Anhänge. Vier der Kapitel haben direkt mit den Kreaturen zu tun und stellen vor allem neue Ausrüstung und deren Regeln vor. Die besondere Beute beim Tod der Kreaturen, Tränken und Salben aus den Körpern, Waffen und Rüstungen sowie magische Gegenständen finden ihren Platz. Es wird beispielsweise erläutert, wie man den Körper des Wesens zu Geld machen kann, welche Summe zu erwarten sind, aber auch wie schnell diese verderben. Ebenso werden neue Tränke und Salben vorgestellt, die man aus den Überresten herstellen kann. Ganz ähnlich verhält es sich dann mit den Waffen, Rüstungen und Gegenständen, die besondere Ausführungen und damit verbesserte Werte ermöglichen.
Ein weiterer Abschnitt beschäftigt sich schließlich mit Expeditionen für eine Abenteuergruppe und wie man diese mit Leben erfüllen kann. Abgeschlossen wird dieses letzte Drittel dann mit vorgefertigten Charakterbögen für die Abenteurer aus Theodosius’ Expedition sowie vielen neuen Kreaturen-Eigenschaften (und deren Regelwerten), die man im Spiel nutzen kann. Diese letzte Kapitel stellt vermutlich den Teil dar, den die meisten Gruppen am besten verwenden können. Einerseits mögen viele Spieler immer wieder neue und auch besondere Gegenstände wie eben Waffen, Rüstungen oder Tränke als auch die Belohnung durch eben diese. Und auch noch nicht so erfahrene Gruppen mögen eben nur auf Überreste mächtiger Gegner stoßen und können daher mit diesem Teil des Buches ebenso Neues entdecken. Ob selbst diese Gruppen nun genaue Regeln für die Verwertung, Haltbarkeit und Verkauf jeder Leiche benötigen, sei allerdings angezweifelt.
Auch wenn die Ausgestaltung des Bandes durchaus gelungen ist, kann man für den Nutzen einige Fragezeichen stellen. Die Lektüre macht größtenteils Spaß, vor allem sobald es nicht nur um die Kreaturen, sondern auch um die sonstigen Erlebnisse der Expeditionsgruppe geht. Die Umsetzung für den Spieltisch ist aber – mit Ausnahme des letzten Drittels – nur bei sehr erfahrenen Charakteren und Gruppen möglich.
Fazit: Man bekommt hier nicht den klassischen Monsterband, wie man ihn aus vielen anderen Rollenspielsystemen kennt. Weder ist es die große Anzahl an Kreaturen, noch ist es der normale Schreibstil, sondern eben ein Ingame-Band und dazu mit sehr mächtigen Wesenheiten als Gegnern. Man sollte also mit der richtigen Erwartung beim Kauf herangehen. Nicht jede Gruppe wird diesen Band wirklich benötigen, auch wenn die Umsetzung gelungen ist.
Die Imperiale Menagerie
Quellenband
TS Luikart
Ulisses Spiele 2025
ISBN: 978-3-9873253-8-0
144 S., Hardcover, deutsch
Preis: 39,95 EUR
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