Altdorf – Krone des Imperiums

Am Zusammenfluss von Reik und Talabec erhebt sich die Hauptstadt des Imperiums: Altdorf. Die bevölkerungsreichste Stadt der Alten Welt ist ein Schmelztiegel von Arm und Reich und zeigt neben hellen Seiten auch viele dunkle Ecken. Als Standort berühmter Wahrzeichen wie des Imperialen Palastes, der Großen Kathedrale des Sigmar oder der Magierorden sind allein die Stadtteile größer als viele Städte des Imperiums. Doch mit den düsteren Gassen voller Straßenbanden und revolutionärer Eiferer warten auch Herausforderungen auf Abenteurer, die die Stadt besuchen.

von Ansgar Imme 

Als die 4. Edition des „Warhammer Fantasy Rollenspiel“ beim Ulisses-Spiele-Verlag in Deutschland veröffentlicht wurde, waren die Neuerscheinungen anfangs sehr überschaubar. In 2024 wurde schon deutlich Fahrt aufgenommen. Und 2025 kann man fast schon als „Warhammer“-Jahr bezeichnen, da bisher pro Monat mindestens eine Publikation veröffentlicht wurde. Passend zum im Frühjahr erschienenen fünften und abschließenden Teil der Kampagnen-Neuauflage „Der Innere Feind“ folgte dann kurz darauf die Beschreibung der imperialen Hauptstadt Altdorf, in welcher im Abschlussband ein großer Teil der Handlung spielt.

Wie schon für „Middenheim – Stadt des Weißen Wolfs“ gab es auch für Altdorf in der Vergangenheit eine sehr ausführliche Beschreibung, wenn auch keinen eigenen Band. Neben der Anpassung auf aktuelle Regeln wurde die Beschreibung massiv erweitert. 

Inhalt & Bewertung

Mit 226 Seiten bekommt man als Leser und Spieler einen richtigen Brocken vorgesetzt. Dieser ist wie die bisherigen Bände in Vollfarbe gehalten und enthält etliche sehr schöne und vor allem stimmungsvolle Illustrationen, die sowohl „Warhammer“ im Allgemeinen als auch Altdorf im Speziellen gut wiedergeben und damit auch als Auszüge für einen Spielabend hilfreich sind. 

Wenn man beim äußeren Eindruck etwas kritisieren möchte, dann vielleicht die beiliegende Karte der Stadt, welche zwar einen schönen Eindruck macht und zunächst eine gute Übersichtlichkeit zu bieten scheint, tiefe Details dann aber doch vermissen lässt. Einzelne bekannte Gebäude – jedoch nicht alle im Band beschriebenen – gehen deutlich aus der Karte hervor, aber ansonsten sind die Stadtteile letztlich nur grob dargestellt. Vergleicht man die Karte mit älteren Ausgaben fehlt eben die Enge und Vielzahl an Gebäuden. Es wirkt eher so, als gäbe es nur gut ausgebaute Straßen und jederzeit ausreichend Platz in der Stadt. Im Vergleich zur „Middenheim“-Karte, die noch abstrakter war, ist dies aber ein deutlicher Fortschritt.

Inhaltlich gliedert sich der Band in elf Kapitel, von denen sechs die Stadt beschreiben und fünf die Hintergründe über Geschichte, Herrscher, Banden oder Kulte vertiefen. Nach zwei ganzseitigen Bildern der Stadt von Hafen sowie Palast und Kathedrale wird über etwas mehr als zehn Seiten ein erster Eindruck über die Hauptstadt verschafft. Hier finden sich allgemeine Ansichten über Leben und Kultur und wofür Altdorf vor allem bekannt ist. Diese kann man als Spielleiter auch gut als Gerüchte und Geschichten verwenden, wenn sich die Spielfiguren der Stadt nähern. Nach Hinweisen und Regeln zum Klima bekommt man einen Abriss über die historischen Ereignisse noch aus den Zeiten der Elfen und Zwerge und vor den Menschen bis zur heutigen (Spiel)Zeit. Ob man extra für das Stadtklima Regeln für Nebel und Luft und deren Auswirkung auf Proben benötigt, sei dahingestellt. 

Das zweite und dritte Kapitel könnte man als Beschreibungen der Gegensätze auffassen: Zunächst werden die Herrscher der Stadt und damit die imperiale Familie, der Hof und seine Mitglieder sowie die drei wichtigen Räte der Volkshalle mit Staatsrat, Reiklandrat und Altdorfrat beschrieben. Hier finden sich sowohl militärische als auch politische Ämter und Personen, aber auch Vertreter der Magier und Religionen sowie zwergische Vertreter. Ergänzt wird dies durch einen Überblick wichtiger Religionen der Stadt und Volkserzählungen der Reiklands. Bei der Vielzahl an vorgestellten Persönlichkeiten bei Hof und hohen Ämtern stellt sich allerdings die Frage, ob man als Spieler überhaupt in Kontakt mit diesen kommt, zumal gerade „Warhamer“ eher Wert darauf legt, dass man sehr bodenständige Charaktere spielt. Die vielen Ämter und Personen führen dann eher zu Austauschbarkeit. Hier wäre eine kleinere Anzahl mit prägnanten Merkmalen und Funktionen sicherlich sinnvoller gewesen. Insgesamt fehlen hier einfach paar Vorschläge und Ideen für Abenteuerszenarios oder die Verwendbarkeit der Figurenriege. Dass übrigens der Erzmagier Thyrus Gormann sogar eine ganze Seite für seine Beschreibung erhält nebst ausführlicher Werte und Vorstellung seiner magischen Gegenstände, ist gar nicht nachvollziehbar, da die Spieler normalerweise nicht an seine Artefakte kommen dürften. 

Der dunkle Gegenpart Altdorfs folgt im Anschluss und stellt die Hafenbanden, aber auch revolutionäre Bewegungen und Bünde vor. Hier beschränkt man sich auf weniger Organisation als vorher Personen und gibt dazu auch einige Abenteueraufhänger, die im Kapitel zuvor fehlen. Bei den beiden Hafenbanden, die später im Band immer wieder mal Erwähnung finden, hätte es dabei durchaus mehr Material sein dürfen, da sich diese für Abenteuer gut eignen und ebenso passende Protagonisten darstellen. Der Teil schließt mit einer Vorstellung bekannter Altdorfer Personen der Historie ab, die man wieder gut für Hintergrunderzählungen verwenden kann. 

Ab dem vierten Abschnitt geht es mit der Beschreibung der Stadt selbst los. Zunächst findet man unterschiedliche Aspekte, die Altdorf ausmachen und das Spiel bereichern. Es beginnt mit Festen und Feiertagen, die in der Stadt gefeiert werden, und wie diese ablaufen. Über drei weitere Seiten können mit Hilfe von Tabellen diverse Alltagssituationen zum Zeitvertreib ausgewählt werden. Die Anreise zur Stadt und dortige mögliche Unterkünfte und Verpflegung geben eine Übersicht, wie die Spielercharaktere die Ankunft erleben. Eine Beschreibung der Stadtmauern, Stadttore und Brücken ergänzt dies. Insgesamt stellt dies ein sehr nützliches Kapitel für die Vermittlung von Eindrücken in der Stadt und auch das normale Leben dar.

Mit drei nächsten Kapiteln lernt man als Leser die drei markanten Stadtteile kennen. Das Südufer – wie der Name sagt südlich des Reik gelegen – ist der Größte und edelste der Stadtteile. Hier finden sich der Imperiale Palast (auch etwas ausführlicher beschrieben), die Große Kathedrale des Sigmar, Ordenshäuser der Ritterorden, Tempel der Religionen, grüne Parks, Villen der Adeligen und Patrizier als auch Kasernen der besten Regimenter des Imperiums. Einzig der östliche Teil ist heruntergekommen. Das Ostend hält viele labyrinthartige Gassen und dicht gedrängte Häuser für den Besucher bereit. Armut, Gewalt und Gesetzlosigkeit stehen für den ärmlichen Stadtteil, der aber vor Menschen nur so wimmelt, was sicherlich auch an den vielen Mietskasernen liegt. Einzig ganz östlich nahe der Stadtmauern rund um das Zwergenviertel und die Imperiale Technicus-Akademie wirkt alles etwas gelassener und besser erhalten. Die Nordstadt wird am häufigsten von Besuchern Altdorfs aufgesucht. Neben dem Hexerbezirk mit den Magierakademien finden sich hier viele Unterkünfte sowie die berühmte Straße der Hundert Tavernen, aber auch die überfüllten Straßen des Hafenviertels, welches nicht nur als Herz Altdorfs, sondern des Imperiums gilt.

Wie schon im „Middenheim“-Band werden aus den einzelnen Vierteln die Bezirke samt besonderer Orte und Gebäude vorgestellt. Jedes Quartier der Stadtteile erhält dafür einen vergrößerten Kartenausschnitt der Gesamtkarte und eine kurze Skizzierung, wie die Stimmung dort ist, welche Personen man dort antrifft und welche Art von Geschäften oder Gebäuden hier zu finden sind. Vor allem diese Einordnung des Quartiers zu Beginn hilft im Spiel unheimlich, da man damit die Stimmung gut an die Spieler weitergeben kann. Hilfreich wäre eine kurze Zusammenfassung dieser Abschnitte ganz zu Beginn der Beschreibung gewesen, sodass man sich diese herauskopieren und im Spiel schneller nutzen könnte. Dazu haben sich die Autoren bemüht, die einzelnen Quartiere unterscheidbar zu machen. Ebenso werden bei den Gebäuden und Orten ganz unterschiedliche Zwecke und Schwerpunkte gesetzt. Durch viele Szenariovorschläge – mal mehr und mal weniger originell – erhält man als Spielleiter Ideen, wie man auch spontan Abenteuerhandlungen inszenieren kann. 

Wem viele der normalen Stadtteile Altdorfs und deren Besonderheiten nicht ausgereicht haben, der wird in den beiden Folgeabschnitten auf seine Kosten kommen. Mit der Unterstadt, die vor allem durch Zwerge, Schmuggler und Skaven geprägt ist, finden sich Gefahren und Herausforderungen auch für erfahrene Abenteurer und Spieler. Aber auch Orte außerhalb der Stadtmauern wie ein berüchtigter Kerker, das Grabmal eines ehemaligen Aufrührers oder die Artilleriefelder können Charaktere auf zusätzliche Gefahren stoßen lassen. Versehen mit Szenariovorschlägen für nahezu jeden der Orte bietet sich eine Verwendung, wenn man die Spieler nicht nur in der Stadt verweilen lassen will. Ein echter Bonus (aber keine Abwertung) wären Skizzen oder Pläne der Orte gewesen, um die Verwendung noch besser zu ermöglichen. 

Der vorletzte Teil stellt Spionage-Tätigkeiten und verschiedene Bünde und Agenten-Netzwerke vor, die in der Hauptstadt agieren. Neben einer allgemeinen Beschreibung samt wichtigen Personen und Hintergründen werden für jedes Spionageorganisation deren übergeordnete Ziele, aktuelle Projekte und sonstige wichtige Persönlichkeiten vorgestellt. Neben imperialen Spionen finden sich auch solche aus dem Imperium als auch ausländische Agenten. Mit dem Einsatz der Spione in Abenteuern sowie einem Abenteuervorschlag wird auch die Spielbarkeit angestrebt. Sicherlich muss man aber ergänzen, dass es dafür eher erfahrene oder höhergestellte Charaktere benötigt. Dann lässt sich aber durchaus eine für „Warhammer“ vielleicht eher untypische Kampagne daraus gestalten, obschon dabei natürlich Eigenarbeit gefragt ist. 

Das Schlusskapitel beschäftigt sich mit verdorbenen Kulten und extremistischen Gruppen, die Altdorf ins Chaos stürzen wollen und für Hexenjäger ein gewünschtes Ziel darstellen. Mit der „Violetten Hand“ und der „Roten Krone“ werden dabei auch zwei Kulte beschrieben, die in der Kampagne „Der Innere Feind“ eine größere Rolle spielen. Aber auch andere Kulte und Bruderschaften, die sich den Chaosgöttern bewusst oder unbewusst verschrieben haben, bieten ausreichend Ansatzpunkte und Szenarioideen. Dieses Kapitel hätte durchaus Potenzial für noch mehr Material gehabt. 

Der Band schließt mit einem kurzen regeltechnischen Teil zu Unternehmungen in Altdorf und einem dreiseitigen Index, der eine Orientierung in diesem ausführlichen Band deutlich erleichtert.

Fazit: Insgesamt ist auch hier wieder ein hervorragender Quellenband zum „Warhammer“-Rollenspiel gelungen, der nur wenig vermissen lässt. Auch wenn es sich an manchen Stellen so anhören mag, als ob Teile nicht gelungen seien, ist dies doch Jammern auf hohem Niveau. Eine Straffung an der einen Stelle und dafür lieber etwas mehr Texte an anderer Stelle mögen auch je nach Vorliebe des Lesers gar nicht so sehr ins Gewicht fallen. Die Schwerpunkte sind weitestgehend gut gesetzt und die Kapitel enthalten viele Informationen und Abenteuervorschläge. Wie schon beim „Middenheim“-Band ist auch diese Stadtbeschreibung für Spieler der Kampagne „Der Innere Feind“ sehr wertvoll und sollte zum Inventar gehören. Aber auch andere „Warhammer“-Spieler sollten sich den Band zulegen. 

Altdorf – Krone des Imperiums
Quellenband
Dave Allen, Jude Hornborg, Padraig Murphy, Alfed Nunez u. a.
Ulisses Spiele 2025
ISBN: 978-3-96331-907-5
224 S., Hardcover, deutsch
Preis: 49,95  EUR

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