von Lars Jeske

Tad Williams hat es getan. Nach ewigen Zeiten kehrt er nach Ausflügen mit „Bobby Dollar“ und nach „Otherland“ wieder zurück und schenkt den Lesern weitere Abenteuer in Osten Ard. Teilweise sehnsüchtig erwartet, ist nun eine Fortsetzung der Geschichte um „Das Geheimnis der Großen Schwerter“ erschienen. Erneut eine Trilogie, deren erster Teil allein schon so umfangreich ist, dass der (ins Deutsche übertragene) Roman in zwei Bänden erscheinen muss. Ein sehr schön gestaltetes und vor allem den Blick fesselndes Cover ummantelt dieses gebundene Werk mit seinen knapp 700 Seiten Roman und zusätzlichen Anhängen und Glossar.

Die inhaltlichen Erwartungen an eine Fortsetzung waren hoch und im Nachwort beschreibt Tad Williams auch, warum es für ihn persönlich so lange dauerte, eine weitere Geschichte aus dem Lande Osten Ard zu Papier zu bringen. Der ursprünglichen Trilogie letzter Band wurde schließlich bereits 1993 veröffentlicht.

Es sind nunmehr knapp 25 Jahre vergangen, seit er diese Welt erschuf und der erste Roman „Der Drachenbeinthron“ erschien. Aber auch in Osten Ard ist die Zeit nicht stehen geblieben, und der neue Roman setzt passend dazu etwa 30 Jahre nach dem Sturmkönigskrieg gegen Ineluki ein. Neben vielem anderen, was der Autor richtig macht, ist dies auch ein gekonnter Kniff, um sowohl neue Leser für sich zu gewinnen, als auch seinen Fans zu genügen. Zum einen gibt es viele Möglichkeiten, Rückblicke in die sich entwickelnde Geschichte einzubauen, nicht zuletzt durch Fragen von Simons Enkel Morgan, dem designierten Thronfolger. Dadurch kann man entscheidende Punkte der Historie kurz anreißen, um diese den Fans wieder ins Gedächtnis zu rufen beziehungsweise den Neulesern noch mehr anzufixen, sich doch die anderen Bücher zu holen, um alle Anspielungen und Geschehnisse im Details zu verstehen. Zum anderen gibt es eine Lücke in der Geschichte, die den Wissensvorsprung der Fans gegenüber Neueinsteigern minimiert und zudem noch Spekulationen und Raum für Ereignisse gibt, die ebenso nur vage angedeutet werden. Dadurch ist der Grundstein gelegt, eine richtig spannende Geschichte aufzuziehen. Schließlich ist Utuk’ku Seyt-Hamakha, ihres Zeichens die Königin der Nornen, erwacht und will mit der sagenumwobenen Hexenholzkrone die Niederlage von Ineluki wiedergutmachen und dem Volk der Hikeda’ya ein für alle Mal die Vorherrschaft über die Welt sichern.

Der Roman mit dem sperrigen Titel „Die Hexenholzkrone 1 – Der letzte König von Osten Ard 1“ beginnt gemächlich und wir Leser begleiten Hochkönig Simon und (seine) Königin Miriamel auf ihrer herzensschweren Reise vom Hochhorst ins entlegene Rimmersgard, um gemeinsam vom sterbenden Isgrimnur von Elvritshalla Abschied zu nehmen. Mit im Tross auf der langen Reise sind viele der Weggefährten von einst, wie Binbinaqegabenik der Troll, Eolair, der mittlerweile zur Rechten Hand des Königs aufgestiegene Hernystiri und Tiamak der Wrana. Allesamt nutzen sie diese Gelegenheiten, um in goldenen Erinnerungen an die glorreiche Zeit zu schwelgen. Neue Charaktere wie Prinz Morgan und seine Trinkkumpane oder Binabiks Tochter Qina samt Verlobten werden behutsam eingeführt und runden das große Ensemble der handelnden Charaktere ab. Erste Abenteuer auf dem Wege gilt es zu bestehen und der Leser bekommt die Familienbande und Beziehungen zwischen allen Beteiligten detailliert geschildert. Unterdessen ist der Feind auch nicht untätig. Die Nornen bereiten sich auf einen Krieg vor, während ein Kampfverband mit der Bezeichnung „Die Klaue der Königin“ unterwegs ist und quasi das normale Leben der Hikeda’ya widerspiegelt, die ihr Leben für das der Königin ohne mit der Wimper zu zucken geben würden. Bei deren überaus wichtigem Auftrag ist alles andere auch sinnlos. So beginnt ein Wettlauf gegen die Zeit für König Simon, ohne dass er davon weiß, während er sowieso schon Probleme im Reich mit Nabban und Perdruin hat.

Leider fällt die Geschichte erneut schnell ab und ähnlich wie es mir damals im ersten Versuch bei „Der Drachenbeinthron“ ging, musste ich mich durch andere Erwartungen nach den ersten 100 Seiten erst einmal überwinden weiterzulesen. Die Handlung plätschert heuer gemächlich vor sich hin, ohne eine konkrete Richtung zu haben. Es werden viele Akteure vorgestellt, was das Erzähltempo erheblich reduziert. Der Selbstzweck obsiegt und wirkt im Vergleich zu anderen aktuellen Romanen viel zu abschweifend und unnötig ausschmückend. Dabei ist sich Tad Williams jedoch treu geblieben, sodass sein Stil eindeutig erkennbar ist. Neben den „kurzen und schnellen Romanen“ deren Story nach 400 Seiten erzählt ist, wirkt dieser Auftakt wie etwas aus der Zeit gefallen. Natürlich tue ich ihm dabei Unrecht, zu behaupten, den Mittelteil hätte man um 300 Seiten raffen können, ohne wirklich etwas von der Aussagekraft zu verlieren oder vielleicht für später wichtige Handlungsstränge auszusparen, darum tue ich es nicht. Jedoch scheint in den 30 Jahren nicht so unendlich viel bei den Helden von einst passiert zu sein. Sie erzählen weitaus mehr über die Vergangenheit (die kurze Zeit, die der wissbegierige Leser bereits kennt), als etwas darüber, was in der viel längeren Zeitspanne von 30 Jahren seitdem passierte. Dem Neuleser könnte das Verhalten von König Simon zudem etwas aufstoßen, wie man sich mit solchen Eigenschaften so lange auf dem Thron halten konnte.

Erstmalig werden allerdings auch Passagen über die Thrithingbewohner, das Leben von Hikeda’ya und Personen, deren Leben von diesen auf die eine oder andere Art und Weise bestimmt oder beeinflusst wird, beschrieben. Es gibt also so viel Neues aus der Welt zu berichten, sodass der Roman eben eher eine Weltenbeschreibung ist als eine geradlinige Erzählung. Wie immer werden viele einzelne Episoden diverser Charaktere erzählt, was ein so anderer Erzählstil ist, als wenn man den Fokus genau auf ein paar wenigen Akteure oder nur einen Protagonisten legt. Somit dauert es recht lange, ehe so etwas wie Spannung aufkommt, da die vielen Handlungsstränge noch lange nichts mit einander zu tun haben beziehungsweise noch nicht zusammengeführt werden.

Den größten Pluspunkt sehe ich bei den vielen Optionen, wie die Handlung vom Autor weitergeführt werden kann. Jetzt, wo die alten Kamellen wieder erzählt sind, kann man sich (hoffentlich) auf die neue Handlung freuen. Gute Ansätze sind jedenfalls durch die neue Sicht der Dinge gegeben, da eben auch Absichten der Nornen und mehr Details über diese erzählt werden. Ebenso ist der Jäger Jarnulf eine interessante Persönlichkeit, die neben Nezeru, einem Mitglied der Klaue, den meisten Platz bekommt. Beide werden sehr gelungen als frische und vielschichtige Charaktere platziert, die dadurch den ersten Band fast im Alleingang tragen (müssen).

Fazit: Wo Tad Williams draufsteht, ist auch Tad Williams drin. Ähnlich wie seinerzeit der Auftakt zur ersten Trilogie, ist nunmehr bei der unlängst erschienenen, lang ersehnten Forstsetzung der Geschichte um das Geheimnis der Großen Schwerter ein bedächtiger Anfang zu erlesen. Gegen Ende des ersten Teils der Hexenholzkrone sind mehrere Spannungspunkte gesetzt, die selbstverständlich dazu führen, dass man unbedingt wissen will, wie es weitergeht, und einen dazu verführt, auch die anderen beiden noch folgenden Bände mit in die Leseliste aufzunehmen – neben dem zweiten Teil von „Die Hexenholzkrone“. Osten Ard erlebt mit diesem Auftakt eine angemessene und umfangreich ausholende Wiederkehr von Tad Williams an die alte, erfolgreiche Wirkungsstätte.

Die Hexenholzkrone 1 – Der Letzte König von Osten Ard 1
Fantasy-Roman
Tad Williams
Klett-Cotta 2017
ISBN: 978-3-608-94953-7
740 S., Hardcover, deutsch
Preis: EUR 20,00

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