von André Frenzer
Und Abenteuer gibt es tatsächlich noch einige mehr – sogar Abenteuerbände. Doch die vorhergehende Veröffentlichung, der Kampagnenband „Auf der Spur des Grauens“, wurde halt nicht als „Abenteuerband“ gezählt, sodass mit „Die Hand aus dem Grab“ nun erst die Folgenummer zu „Aller guten Dinge sind sechs“ aus dem Jahr 2019 vorliegt. Doch genug der Rechnerei, reden wir über den Kriminalfall!
Denn dieser hat es wieder einmal in sich. Alles beginnt 1887 mit einem Empfang, welchen Sir Jasper Hartnell zu Ehren der Verlobung seiner Enkelin gibt. Der Professor für Ägyptologie und Leiter der ägyptischen Abteilung des British Museums staunt allerdings nicht schlecht, als ein ägyptischer Diener eines Gastes plötzlich anfängt, wilde Flüche auszustoßen. Tod werde über die Frevler und Mumienschänder kommen. Der Empfang endet abrupt, und während die Familie Hartnell darum bemüht ist, den gesellschaftlichen Schaden gering zu halten, ist eine alte Freundin der Familie aufgeschreckt. Die resolute Lady Rosamund beauftragt nicht nur die Charaktere, herauszufinden, ob der Familie ein Unheil drohen könnte, sondern auch ein ihr vertrautes Medium.
In den nächsten Tagen kommt es dann tatsächlich zu einem grässlichen Mordanschlag auf einen angesehenen Ägyptologen. Zwar überlebt Mr. Meredith den Überfall, doch kann er nur von einer grobschlächtigen Gestalt berichten, die versucht habe, ihn zu erwürgen. Einen Tag später hat sein Kollege Charles Burton weniger Glück und kann nur noch tot und mit eingedrücktem Kehlkopf in seiner Wohnung gefunden werden. Die einzigen Spuren: alte Leinenbinden und ein harziger Geruch … Als auch noch der Fotograf Oliver Cox, spezialisiert auf ägyptische Fundstücke, Opfer eines Anschlags wird, ist der Fall für die Londoner Presse klar: Eine Mumie muss umgehen, um furchtbare Rache an den Frevlern zu nehmen. Können die Charaktere dem vermeintlich uralten Schrecken das Handwerk legen? Und welche Rolle spielt das von Lady Rosamund beauftragte Medium in diesem Fall?
„Die Hand aus dem Grab“ schafft eine reizvolle Atmosphäre. Das ägyptische Thema eignet sich hervorragend, um einen eigentlich mundanen Fall mit einer gesunden Portion Grusel zu paaren. „Die Hand aus dem Grab“ bietet sich damit auch hervorragend an, um von Agenten von S.P.E.A.R., der in „Auf der Spur des Grauens“ vorgestellten Organisation, gelöst zu werden. Autor Tobias Limberger schafft darüber hinaus eine interessante Figurenriege mit einem eng verwobenen Hintergrund, welcher von den Detektiven erforscht werden kann. Das weiß zu gefallen.
Ein wenig hadere ich in diesem Fall allerdings mit der Aufarbeitung des Szenarios. Denn der Autor hat sich für einen recht detaillierten Handlungsablauf entschieden, in dessen Verlauf der Täter mehrfach in Erscheinung tritt und seine Strategie ändert oder anpasst. Das erinnert an einen klassischen Agatha-Christie-Fall und ist damit sicher genregetreu; nichtsdestotrotz ist diese Herangehensweise für die Spielleitung natürlich recht komplex umzusetzen. Begeben sich die Charaktere zu früh – oder vielleicht auch gar nicht – auf die richtige Fährte, so sind weite Teile der vorkonzipierten Handlung nicht mehr nutzbar. Vielleicht wäre ein sandboxartiger Ansatz sinnvoller gewesen, auch wenn die Lektüre des Bandes so zugegebenermaßen mehr Freude gemacht hat. Wiederum vorbildlich gelungen sind die abschließenden Anhänge, in den Personen näher beschrieben, Hinweise zusammengefasst und aufgelistet, Zeitleisten gegeben und Handouts vorgestellt werden. Mithilfe dieser „Spickzettel“ lässt sich das Leiten durchaus erleichtern.
Der Band erscheint wie üblich als schwarz-weißes Softcover und ist passend bebildert. Das Layout zeigt sich gewohnt schlicht, aber sehr gut lesbar und gerade die Zusatzinformationen und Zusammenfassungen des Anhangs sind gut lesbar gesetzt. Das Cover gestaltete wieder einmal Manfred Escher, und es fügt sich gut in die Reihe der „Private Eye“-Abenteuerbände ein. Handouts wie Zeitungsartikel sind dieses Mal größtenteils aber eher praktisch als umwerfend schön gehalten, doch das schmälert ihren Nutzen nicht. Lektorat und Korrektorat haben gute Arbeit geleistet, womit ich für die technische Seite nur eine gute Note vergeben kann.
Fazit: „Die Hand aus dem Grab“ ist ein klassischer Kriminalfall mit gruseligem Anstrich, der es wert ist, von den Detektiven erlebt und gelöst zu werden. Die Aufarbeitung ist ein wenig unglücklich, doch wer sich die Mühe macht, die Geschichte auf die Handlungen seiner Detektive zu konvertieren, erhält einen absolut lohnenden Abenteuerband.
Die Hand aus dem Grab
Abenteuerband
Tobias Limberger
Redaktion Phantastik 2022
ISBN: 978-3946759850
72 S., Softcover, deutsch
Preis: 16,95 EUR
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