Aller guten Dinge sind sechs

Wie immer wenn die SPIEL alle Spielbegeisterten gen Essen lädt, macht sich die Redaktion Phantastik daran, ihr Rollenspielzugpferd „Private Eye“ mit einem neuen Abenteuerband zu beglücken. „Aller guten Dinge sind sechs“ ist der mittlerweile dreizehnte Abenteuerband der Reihe. Die Vorgänger wussten mich stets zu überzeugen, entsprechend groß sind die Erwartungen, trotz der Unglückszahl. Werde ich enttäuscht?

von André Frenzer

Der dreizehnte Abenteuerband für „Private Eye“ enthält nicht nur den titelgebenden Detektivfall, sondern darüber hinaus auch noch zwei kurze Kriminalfälle, die entweder in die Handlung des Hauptfalls verwoben oder auch alleine stehend gespielt werden könnend. Federführender Autor war in diesem Fall Martin Lindner, der bereits „Geister der Vergangenheit“, den siebten der vorhergehenden Abenteuerbände, geschrieben hat. Bevor ich mich dem Abenteuer näher widme, möchte ich die obligatorische Spoiler-Warnung aussprechen: Bei jedem Detektivabenteuer ist jedes Wort über die Handlung eigentlich eines zu viel für die interessierten Spielerohren. Spielern sei daher (wie so oft) angeraten, diese Rezension zu überspringen und dem Entscheid des Spielleiters zu vertrauen.

Worum geht es also? Alles beginnt mit einer Séance, die der alternde Sir Arthur Hardy auf seinem Stammsitz Chilham Castle ausrichtet. Hierfür hat er das exzentrische und berühmte Medium Cassandra Usher gewinnen können, die im Laufe des Abends jedem geladenen Gast ein interessantes Gespräch mit den Geistern ermöglicht. Doch am nächsten Morgen ist die junge Dame tot – und der eiligst herbeigerufene Constable staunt nicht schlecht, als alle sechs Teilnehmer der Séance unabhängig voneinander den Mord an dem Medium gestehen. Eine harte Nuss für die rasch herbeitelegrafierten Detektive, vor allem auch, da sich die Meinung einiger Teilnehmer im Laufe des Tages noch verändern wird und die voreilig abgelegten Geständnisse gerne widerrufen werden.

Wie so oft im Falle der „Private Eye“-Abenteuer komme ich nicht umhin, die Detailfülle zu loben, mit der das Abenteuer aufwarten kann. In diesem Fall ist das auch wirklich notwendig, denn der Fall ist äußerst komplex und in Gänze wohl für kaum eine Spielgruppe komplett zu durchschauen. So finden sich für den Spielleiter Zeittafeln, eine Relationship-Map, Hinweisübersichten, Karten und Aussagenzusammenfassungen wieder, die das Leiten erleichtern sollen. Und das ist gut so, denn der Spielleiter wird einiges zu tun haben damit, um die unterschiedlichen Séance-Teilnehmer und die anderen Bewohner von Chilham Castle glaubwürdig (und vor allem inhärent logisch) darzustellen.

Dass Lindner auf die Ausarbeitung eines Handlungsablaufs verzichtet und stattdessen mit viel Herzblut Rahmen, Orte und Persönlichkeiten beschreibt, um dem Spielleiter das notwendige Handwerkszeug an die Hand zu geben, ist da Fluch und Segen zugleich. Denn während so jede Spielgruppe individuelle Freiheit genießen darf, während sie den finsteren Geheimnissen der Teilnehmer nachspürt, hat der Spielleiter schlussendlich alle Hände voll zu tun. So ist „Aller guten Dinge sind sechs“ ein für den Spielleiter extrem anspruchsvoller Fall. Doch auch die Spieler werden – wie gesagt – kaum alle Hintergründe aufdecken können. Doch macht das natürlich auch einen gewissen Reiz aus, und wer eine Kampagne mit seinen Detektiven plant – oder auch gerade in einer steckt –, findet hier genügend kriminelle Motivationen und NSC, um noch einen oder zwei weitere Fälle zu füllen.

Der Band erscheint wie üblich als schwarz-weißes Softcover und ist liebevoll und reichhaltig bebildert. Das Layout zeigt sich gewohnt schlicht, aber sehr gut lesbar und gerade die Zusatzinformationen und Zusammenfassungen des Anhangs sind gut lesbar gesetzt. Das Cover gestaltete wieder einmal Manfred Escher, und es fügt sich gut in die Reihe der „Private Eye“-Abenteuerbände ein. Die im Anhang zu findenden Handouts sind hübsch anzusehen und runden den Band gelungen ab. Lektorat und Korrektorat haben gute Arbeit geleistet, womit ich für die technische Seite nur eine gute Note vergeben kann.

Fazit: Auch der dreizehnte Abenteuerband für „Private Eye“ ist keine Enttäuschung und bestätigt die hohe Qualität der Reihe. Die Aufarbeitung spricht für die routiniert herbeigeführte Spieltischnähe des Materials. Dennoch bleibt der Fall sehr komplex und ist nichts für Einsteiger, besonders nicht für Neulinge hinter dem Spielleiterschirm. Wer sich davon nicht abschrecken lässt, erhält genügend kriminelle Energie für einige spannende Spielabende.

Aller guten Dinge sind sechs
Abenteuerband
Martin Lindner
Redaktion Phantastik 2019
ISBN: 978-3946759591
72 S., Softcover, deutsch
Preis: EUR 16,95

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