Der Joker 3 – Menschenfresser

„Aber nach Mallorca weiß ich, dass es wesentlich abgründiger ist“, sagt James Gordon und läutet damit den Abschluss dieser Joker-Geschichte ein. Bereits das Cover von Guillem March ist modern, voller Andeutungen und hervorragend koloriert. Wie es im Englischen aber so schön heißt: „Don’t judge a book by its cover!“, so gilt auch hier, keine voreiligen Schlüsse zu ziehen. Wie also ist der Comic? Ist die Reihe am Ende ein „must-read“?

von Daniel Pabst

Der Comic „Der Joker 3 – Menschenfresser“ ist der Abschlussband der „Joker“-Trilogie von James Tynion IV und Matthew Rosenberg. Mit 172 Seiten ist er der umfangreichste Band dieser Reihe. Wie schon im vorigen Band erwartet uns eine zeitlich aus der Reihe fallende Geschichte, die Francesco Francavilla gestaltet hat. Diese steht sogar zu Beginn des Comics und heißt: „Eine zerbrochene Familie“ („Broken Home, Broken Heart“). Abermals begleiten wir darin die Familie Gordon und sehen sie in der Vergangenheit. Spannenderweise ist die Geschichte aber nicht als eigenständige Kurzgeschichte zu lesen, sondern macht die Haupthandlung noch dramatischer; muss daher auch zuerst gelesen werden. Nach diesen 22 Seiten sind wir in der „Gegenwart“, was Giuseppe Camuncoli (Zeichnungen) und Arif Prianto und Romulo Fajardo Jr. (Farben) unvermittelt klarstellen.

Wie groß die Vorfreude auf „Der Joker 3 – Menschenfresser“ war, weiß wahrscheinlich jeder, der von den ersten beiden Bänden ebenso beeindruckt war wie ich. Dass man mit einem Comic von James Tynion IV seine Freude haben kann, hat er zweifellos bewiesen. Wie aber führt er – zusammen mit Matthew Rosenberg und den begnadeten Künstlern – seine ausgeklügelten Gedanken zu einem Schlusspunkt? Denn dass die sehr klaren und detaillierten Zeichnungen und die kräftigen Farben für sich allein gesehen noch keine ausdrückliche Empfehlung für einen Comic ausmachen können, ist wohl selbstredend.

„Es ist eine Horrorgeschichte“, so sagt es James Gordon zu den Lesenden in der Geschichte. Und ohne zu viel vorwegzunehmen, kann man dem nur mit heftigem Kopfnicken zustimmen. Der Titel „Menschenfresser“ ist Programm! Was zuvor angedeutet wurde, erhält hier viel Raum auf den Seiten. Wer spätestens beim Lesen dieses Bandes an den (kontroversen?) Horrorfilm „The Texas Chain Saw Massacre“ von Tobe Hooper aus dem Jahre 1974 denkt, der liegt sehr richtig. Da hat Tynion IV seine Liebe zum Horrorfilm einfließen lassen. Gleichzeitig hat das den erstaunlichen Effekt, dass durch die grausamen Taten anderer Verbrecher der Joker im Comic plötzlich gemäßigter und weniger verrückt wirkt. Er soll sogar beim Familienfest verspeist werden!

Neben den persönlichen Sorgen des Jokers, geht es natürlich darum, zu erfahren wie James Gordon gegenüber seiner Tochter Barbara, den Batgirls, Harvey Bullock, der Chefermittlerin von Interpol Isabella Hallows und natürlich Batman damit umgeht, dass er weiß, wo sich der Joker aufhält; womit er auch das Kopfgeld von 25.000.000 Dollar einstreichen könnte! Doch auch eine sogenannte Vengeance verfolgt ihre Vergeltungstour. Als dann der Superschurke Bane mit den Worten: „Hallo, Tochter. Lass uns mal reden“ auftaucht, sollte das die Neugierde aller, die bis jetzt nicht zum Genuss dieser Joker-Ära gekommen sind, wecken – oder nicht?

Was hier noch einmal aufgeboten wird – sowohl künstlerisch als auch erzählerisch – ist große Kunst! Dabei beeindrucket, dass der rote Faden stets vorhanden bleibt und die vielen authentischen Figuren die Leserinnen und Leser an ihren Motiven und Emotionen teilhaben lassen. Sehr cool ist darüber hinaus, dass das Kreativ-Team sich trotz einer modernen Joker-Interpretation von den Ursprüngen und Ikonen hat leiten lassen. Zum Beispiel sehen wir auf einer Doppelseite Bilder aus prägenden Joker-/Batman-Geschichten („Batman – The Killing Joke“ oder „Ein Todesfall in der Familie“). Hinzu kommt das klasse Detail „der“ Joker-Spielkarte, die mehrfach auf diese Doppelseite gezeichnet wurde, also genau die Spielkarte aus „Batman No.1“ (April 1940)!

Abgerundet wird „Der Joker 3 – Menschenfresser“ mit den Variant-Covern am Ende des Bandes (auch wenn nicht allen eine eigene Seite gegönnt wurde). Besonders viel her macht dabei das Cover von keinem Geringeren als Brian Bolland, der sein berühmtes Titel-Cover für „Batman – The Killing Joke“ neu interpretiert hat. Jetzt ist der Joker von damals im 21. Jahrhundert angekommen. Die Trilogie „Der Joker“ wird diesen Allzeit-Klassiker unter den Batman-Joker-Comics wohl kaum vom Thron stoßen, schwebt aber wie ein Damoklesschwert über ihm. Wohin führt der Weg von James Tynion IV, wenn er weiter von solch hoher Qualität strotzt?
 
Fazit: Auch wenn man – angesichts der inflationären Bezeichnung – vorsichtig sein sollte, ein Werk als „must-read“ zu betiteln: „Der Joker 1-3“ von James Tynion IV und Matthew Rosenberg, mit den Zeichnungen von Guillem March, Giuseppe Camuncoli und Francesco Francavilla, ist ein solches. Es verbinden sich Horror, Action, (Psycho-)Drama, Krimi sowie Familiengeschichte zu einem packenden, spannenden und emotionalen Lesemoment. Mit dem Abschlussband wurde die Qualität nicht nur bestätigt, sondern überboten. Man könnte so viel mehr schreiben, aber da das eigene Lesen eh nicht zu ersetzen ist, endet diese Rezension an dieser Stelle.

Der Joker 3 – Menschenfresser

Comic
James Tynion IV, Matthew Rosenberg, Giuseppe Camuncoli
Panini Comics 2022
ISBN: 978-3-7416-3012-5
172 S., Softcover, deutsch
Preis: EUR 20,00

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