Der Dunkle Wald (Trisolaris-Trilogie 2)

Am 24. März war es soweit: Die Serienadaption von „Three Body Problem“ ist gestartet und falls man sie nicht schon gesehen hat, darf man gespannt sein, was sie liefert. Aber kann man überhaupt sicher sein, dass alle Teile dieses Romans auch verfilmt werden? Natürlich leider nicht. Würde man den zweiten Roman inhaltsgetreu in einer zweiten Staffel umsetzen, davon bin ich überzeugt, wäre spätestens dies das Ende der Verfilmung und es würde keine dritte Staffel geben.

von KaiM

Der zweite Band der „Trisolaris“-Trilogie beginnt dort, wo der erste beendet wurde. Doch wie schreibt man über einen zweiten Teil, wenn man über den ersten nichts verraten möchte? Am Besten zunächst mit dem Rahmen, den das Buch schafft. Wieder gibt es das Verzeichnis der wichtigsten Personen, die darin vorkommen. Schon im ersten Band hat dieses Verzeichnis gute Dienste geleistet, und wieder war ich froh, es bei der Hand zu haben. Des Weiteren wurde auch wieder ein Anhang spendiert, der sich mit der chinesischen Sprache auseinandersetzt und auch die Erläuterungen des Autors zu einigen Fachbegriffen anfügt. Auf einigen Seiten am Ende des Buches werden Dutzende Hinweise gegeben, die das Lesen erleichtern, ohne sofort einen ganzen Wikipedia-Artikel lesen zu müssen. Tatsächlich habe ich während der Lektüre des Romans nur selten dorthin geblättert. Die kurzen Ausführungen haben mich das ein oder andere Mal aus der Handlung herausgeholt, denn anstatt nur eines kurzen Absatzes las ich dann zwei oder drei Seiten, bis ich wieder zum eigentlichen Roman zurückkehrte. Ein spannendes Verzeichnis, aber manches Mal halt leider eben auch eine Ablenkung.

Der Roman selbst beginnt mit einer kurzen, einleitenden Szene, bei der die Kosmosoziologie in den Vordergrund gerückt wird. Dieser zunächst unwichtige Begriff wird schließlich ein zentraler Aspekt des ganzen Romans. In den 1970er Jahren als Wissenschaft geformt, hat schon Stanislav Lem darüber geschrieben, und selbst heute werden noch Abhandlungen darüber verfasst. Natürlich wird in fast jedem SF-Roman oder jeder SF-Serie explizit oder implizit auf Exosoziologie, ein Begriff, den man schon eher im Internet wiederfindet, eingegangen. Allerdings geht Cixin Liu einen Schritt weiter als die meisten anderen. Die Entfaltung der Tragweite seiner Überlegungen in Kombination mit der Zukunft, in die man während des Romans langsam gezogen wurde, ist ein absolut grandioser Moment dieser Romanreihe.

Doch ich greife vor. Kommen wir nun zur …

Kritik

Die ersten 200 Seiten des Buches habe ich, vorsichtig formuliert, nicht genossen. Ständig werden Handlungsfäden gesponnen, die anscheinend nicht weitergeführt werden. Personen werden eingeführt, die keinen Einfluss auf das eigentliche Geschehen haben, und irgendwann fragt man sich, ob das Buch noch irgendwohin führt, wo alles einen Sinn ergibt. Alles wäre zu viel gesagt, aber einiges ergibt schließlich doch Sinn. Meine Interpretation einiger Szenen dieses Buches ist, dass der Autor nicht nur eine Handlung erzählen wollte. An vielen Stellen wird auf die gesellschaftliche Entwicklung eingegangen und hervorgehoben, in welche Tendenzen die Menschheit aufgrund der einen oder anderen Überlegung verfällt. Das sind globale Überlegungen und Gedankenspiele, die schnell auch einfach langweilig werden können. Um diesen Entwicklungen Gesichter zu geben und konkrete Auswirkungen zu zeigen, wird die Geschichte einiger Personen erzählt, die von der Entwicklung auf der Erde auf verschiedene Art und Weise betroffen sind. Insgesamt nicht uninteressant, aber irgendwann wird klar, dass dies der einzige Nutzen dieser Charaktere in dem Roman bleiben soll.

Aber irgendwann ist auch die längste Reise überwunden und das Buch entfaltet wieder die Faszination eines ersten Bandes oder sogar noch darüber hinaus. Die Strategien der Menschheit im Umgang mit einer existenzbedrohenden Situation sind so abstrus und gleichzeitig so sinnvoll und dabei auch noch kreativ beschrieben, dass man das Buch fortan nicht mehr aus der Hand legen möchte. Wie im ersten Teil stehen nicht unbedingt die Personen und Charaktere im Vordergrund, aber das schmälert die Faszination nicht im Geringsten. Aber immerhin gibt es zentrale Figuren, die wichtige Rollen spielen, und mit ein wenig Fantasie kann man sogar ein wenig Charakterentwicklung entdecken. Nahezu ohne Personenkult, dafür aber mit der vollen Faszination der zukünftigen Menschheitsgeschichte wird der zweite, zum Glück deutlich längere Teil des Romans zum Retter dieses Buches.

Fazit: Signifikante Startschwierigkeiten schmälern den Genuss ein wenig, aber unterm Strich ist es ein Roman, der nicht weniger im Sinn hat, als das Große und das Ganze zu beschreiben, und zwar vom Hier und Jetzt bis ans Ende der Zeit. Und was soll ich sagen: Aus meiner Sicht gelingt das sehr, sehr gut.

Der Dunkle Wald
Science-Fiction-Roman
Cixin Liu
Heyne 2018
ISBN: 978-3-641-17458-3
592 S., Paperback, deutsch
Preis: 16,99 EUR
        
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