DC und die Looney Tunes

Ich gestehe es ganz offen: Ich bin kein großer Leser von Superhelden-Comics. Dieses Feld ist mir einfach zu weit, und ob nun Mutant A mit Held B zum x-ten Mal aneinandergerät, um das Multiversum (oder auch nur ein paar Kleinstadtbürger) zu retten, lässt mich auch eher kalt. Aber wenn die Comic-Kreativen mal etwas wagen und einen verrückten erzählerischen Seitenweg einschlagen, dann werde ich neugierig. Im vorliegenden Comic treffen Batman, Wonder Woman und Co auf Bugs Bunny, Road Runner und ihre durchgedrehten Freunde. Viel verrückter geht es wirklich nicht, oder? Vorhang auf für ein Cross-Over-Experiment der Sonderklasse.

von Frank Stein

Sechs Heft-Specials mit jeweils zwei Geschichten erschienen gleichzeitig im August 2017 bei DC (das übrigens genauso wie die Looney Tunes zu Warner gehört). Jeder Ausgabe war gemein, dass sie zwei Figuren aus den beiden Franchises paarte und diese ein Abenteuer im DC-Stil und eins im Looney-Tunes-Cartoon-Stil erleben ließ. So begegnet Batman Elmer Fudd, Wonder Woman schlägt sich mit dem Tasmanischen Teufel herum, Lobo jagt den Road Runner, die Legion of Super-Heroes bekommt mit Bugs Bunny ein neues Mitglied, der Martian Manhunter und Marvin der Marisaner stellen fest, dass sie beide nicht die letzten ihrer Art sind und Jonah Hex verbündet sich mit Yosemite Sam. Alle sechs Hefte sind in diesem 252 Seiten schweren Sammelband enthalten.

Mit der vielleicht stärksten Geschichte (die auch das Titelbild der Anthologie stellt), fängt der Band direkt an. „Bete für mich“ von Tom King ist eine atmosphärische Noir-Rachegeschichte. Elmer Fudd, der finstere, ewige Hasenjäger kommt nach Gotham City, um einen Gauner namens Bugs zur Strecke zu bringen, der seine Freundin umgebracht haben soll. Im „Porky?s“, einer heruntergekommenen Spelunke voller schräger Typen, findet er ihn – und das ist der Beginn einer ganz neuen Jagd: auf eine Fledermaus. Die Idee, die Figuren der Looney Tunes zu vermenschlichen (ohne sie unkenntlich zu machen) und sie in kaputte, durchgedrehte Bewohner von Gotham City zu verwandeln, ist schlichtweg genial zu nennen. Da passt wirklich alles, gerade in eine Stadt, die ohnehin voll von Verrückten ist. Und Lee Weeks setzt das ganze zeichnerisch großartig in Szene. – Auch die Cartoon-Story, in der Bugs Bunny Elmer im Wald beschwatzt, statt Hasen Fledermäuse zu jagen, ist in ihrem Tempo und den Wortgefechten der Figuren sehr gelungen.

Wonder Womans Suche nach dem Tasmanischen Teufel (zunächst nur als Mutprobe, später soll er ihr gegen eine niederträchtige Invasorin der Amazoninsel helfen) wird von Tony Bedard ebenfalls unterhaltsam erzählt, wenngleich der Teufel hier zu einer Art Chewbacca wird, der zwar immer mal wieder überdreht ist, aber auch seine sanftmütige Seite hat. Ich kenne die Cartoon-Figur nicht wirklich, aber das soll wohl eine eher freie Interpretation des Charakters sein. – Die Cartoon-Version, die von Ben Caldwell visuell perfekt umgesetzt wurde, ist dagegen ziemlich eigenwillig, kommt sie doch in Form eines Heldenliedes daher, das in der deutschen Übersetzung voller grausiger Reime ist, die jedes Versmaß vermissen lassen. Im Original mag das funktionieren, hier arbeitet man sich eher gequält durch die Seiten.

Wenn der galaktische Stinkstiefel-Kopfgeldjäger Lobo und der unfangbare Road Runner aufeinandertreffen, kann man davon ausgehen, dass die Fetzen fliegen – und genau so ist es auch bei dieser Story von Bill Morrison, der Wile E. Coyote und den Road Runner als Ergebnisse eines außer Kontrolle geratenen Experiments des ACME Laboratoriums erklärt. So werden sie zu intelligenten, tierartigen Monstern (in einer Nebenrolle tritt übrigens auch Hund Max aus „Sam & Max“ als brutaler Bully auf). Die Geschichte teilt sich in gleich zwei Jagden, denen beiden naturgemäß wenig Erfolg beschieden ist. Unterhaltsam, aber recht derb. – Der zugehörige Cartoon kommt extrem meta-geschichtlich daher, denn Bugs Bunny warnt Lobo, dass er laut Vertrag mit Warner noch acht Comic-Seiten füllen muss, die er bitte im Looney-Tunes-Stil erleben muss. Dabei wird Lobos Fluchen ebenso auf die Schippe genommen, wie die extreme Brutalität der Cartoons. Ein netter, satirischer Blick auf die Regeln und Grenzen des Franchises.

Satire schreibt sich auch Sam Humphries auf die Fahnen, wenn er Bugs Bunny in die Zukunft der Legion of Super-Heroes schickt und dabei die „Schwächen“ der DC-Superheldencomics (etwa ständige Verweise auf frühere Abenteuer, extreme Selbstzweifel der Helden oder fehlerhafte Visionen) auf die Schippe nimmt. Optisch ist das Ganze zwar im DC-Stil gehalten, aber inhaltlich dominiert der anarchische Humor von Bugs Bunny, dem eindeutigen Helden der Geschichte. – Die Cartoon-Version von Juan Manuel Ortiz, die eigentlich eher aussieht wie ein Superheldencomic aus den 50er Jahren, kommt leider extrem langweilig daher, weil sie die obige Handlung fast eins zu eins wiederholt. Nur ein paar Gags wurden abgeändert. Keine Ahnung, welches produktionstechnische Missverständnis dafür verantwortlich war.

Wenn der Martian Manhunter und Marvin the Martian aufeinandertreffen, steht ein ganz besonderes Duell auf dem Programm. Immerhin ist der eine der Beschützer der Erde, der andere will sie auslöschen. In beiden Fällen – die im Detail und Schauplatz dennoch erfreulich unterschiedlich ausfallen – trifft die etwas naive und ans Gute glaubende Art des Manhunters auf den zornigen Eifer von Marvin. Die Auflösung beider Abenteuer ähnelt sich, aber gerade im ersten Fall ist die Story-Wendung sehr schön gelungen. Jeweils kein großes Abenteuer, aber eins mit Humor, Herz und gut getroffenen Figuren.

Zum Abschluss treffen die beiden Westerner Jonah Hex und Yosemite Sam zusammen. Im der Geschichte „Rauchende Colts“ von Jimmy Palmiotti muss Sam Fluch und Segen eines Goldfundes kennenlernen. Um sich gegen seine Feinde zu schützen, heuert er Jonah Hex an, einen harten Söldner. Außerdem dabei ist der eitle Gockel Foghorn Leghorn, der hier als beinahe bemitleidenswerter Zirkusboxer sein Dasein fristet. Die drei ungleichen Außenseiter müssen einen harten Kampf führen, um ihr Glück zu bewahren (und nicht jeder wird es finden). Eine wunderbar düstere, melancholische Story, die an TV-Serien wie „Deadwood“ erinnert. – Deutlich durchgedrehter geht es dann in der Cartoon-Episode zu, in der sich Sam und Jonah mit einem Bären anlegen, wobei die Jagd von Bugs Bunny kommentiert wird.

Fazit: Ein Cross-Over-Experiment, das wirklich Spaß macht. Von den zwei Cartoon-Aussetzern mit Wonder Woman und der Legion of Super-Heroes abgesehen, ist viel Unterhaltsames dabei, und die DC-Geschichten um Elmer Fudd/Batman sowie Yosemite Sam/Jonah Hex sind sogar absolut großartig, wobei die Fudd/Batman-Story dort noch einmal die Nase vorn hat! Wer Spaß an etwas anderen Comic-Geschichten hat und auch mal froh ist, abgeschlossene Abenteuer in der kurzen Form zu genießen, dem kann ich diesen Band nur wärmstens empfehlen.

PS: Übrigens wurde erst jüngst bekannt, dass das Cross-Over-Projekt wegen seiner großen Beliebtheit in den USA fortgesetzt werden soll. Ab August sollen dann vor allem die Schurken des DC-Universums auf notorische Unruhestifter unter den Looney Tunes treffen. Angekündigt sind Begegnungen zwischen dem Joker und Daffy Duck, Lex Luthor und Schweinchen Dick, Catwoman und Sylvester & Tweety sowie Harley Quinn und dem Gossamer.

DC und die Looney Tunes

Comic
Tom King, Tony Bedard, Bill Morrison u. a.
Panini Comics 2018
ISBN: 978-3-7416-0740-0
252 S., Softcover, deutsch
Preis: EUR 26,00

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