Das Erbe der Weitseher 3: Beschützer der Drachen

Fitz Chivalric stellt sich auf der fernen Insel Aslevjal seinem Schicksal. Oder wie es der Narr bereits vor Jahren orakelte: Der Weiße Prophet und sein Wandler werden die Welt aus den Angeln heben und das Schicksal dieser Epoche entscheiden.

von Lars Jeske

Endlich, der finale Band der „Erbe der Weitseher“-Trilogie. Mit dieser Neuauflage bei Penhaligon gibt es nunmehr erstmalig die deutsche Übersetzung von Robin Hobbs krönendem Abschluss der Trilogie in einem Buch vereint. Wie damals 2007 handelt es sich bei der Übersetzung um die von Rainer Schumacher, nunmehr nicht mehr in zwei Büchern, dafür knapp 1100 Seiten stark. Die Abenteuer vom kleinen Bastard gehen zu Ende, denn der Lebensweg von Fitz Chivalric-Weitseher ist erzählt und alle Handlungsstränge der vorangegangenen fünf Bände werden beendet. Aber bevor der Leser die letzte Seite umblättert, gibt es noch viel für ihn an der Seite von Fitz / Tom Dachsenbless zu erleben.

Eingeleitet wurde das letzte große Abenteuer bei dem Fest zu Ehren der Verlobung zwischen der Fernholmer Narcheska und dem Prinzen der Sechs Provinzen. Vor dem gesamten Hofstaat forderte Elliania zu aller Überraschung eine heroische Tat von Pflichtgetreu. Dieser ist von dem Moment so überrumpelt, dass er – liebestrunken, halbstark und diplomatisch bei Weitem nicht so versiert wie seine Mutter, die Königin Kettricken, oder sein Onkel Chade – in diese Falle tappt und einwilligt. Seine Aufgabe ist nunmehr nichts Geringeres als den sagenumwobenen Drachen Eisfeuer zu finden und dessen Kopf der Narcheska zu übergeben. Als Beweis für seine Liebe und Würdigkeit ihr gegenüber. Dieses weiß der Leser natürlich bereits aus dem 2. Band und das Abenteuer kann beginnen.

Wie immer gibt es im Prolog jedes Kapitels ausführliche Hintergründe über die Welt, heuer vor allem weitere Informationen über die Fernholmer, um sich als Leser ein noch besseres Bild zu verschaffen. Deren Traditionen und Bräuche werden erklärt, ebenso wie die Geltungsrechte, die tiefe Verwurzelung der Frauen und Mutterclans mit dem Land und die nachgeordnete Rolle der Männer als Seefahrer in den verschiedenen Clans. Somit wird das ehemalige Feindbild aufgebrochen und es erscheint nicht wenig überraschend, wo der Ursprung der Weitseher liegt. Da der Leser ansonsten wie gewohnt bei Fitz bleibt, erlebt man dessen Aussprache mit dem Narren und dessen Zwiespalt durch den Plan von Chade, Fürst Leuenfarb nicht auf diese Reise ins Ungewisse mitzunehmen. Wenngleich Fitz dadurch seinen einzigen wahren menschlichen Freund hintergeht, handelt er doch wie so oft im besten Wissen und seinem Gewissen gegenüber verpflichtet und zudem überaus plausibel. Denn da die Weissagung den Tod des Narren auf jener fernen Insel prophezeit, bleibt ihm wenig Anderes übrig, um diesen zu schützen.

Sich selber nimmt er wie immer nicht aus der Schusslinie und verlangt sich als Mittler zwischen der richtigen und der zwiehaften Kordiale mehr als genug ab. Hinzu kommt seine Rolle als Gardist Tom Dachsenbless, welche ihm als Kindermädchen Demütigungen von allen Seiten bringt. Auch nachts bekommt er keine Ruhe, entwickelte sich Nessel doch zu einer sehr starken Traumweberin und findet immer mehr über ihren Vater heraus. Und dann gibt es noch die finale Auseinandersetzung auf der Insel. – Über allen und allem schwebt zudem der unlösbare Konflikt der Mission von Pflichtgetreu: Er kann Elliania nicht heiraten, wenn er nicht zu seinem Wort steht. So er den Drachen jedoch finden sollte und tötet, bringt er eine Legende der Fernholmer um und es wird deswegen ein neuerlicher Krieg ausbrechen. Und dann war da noch Fitz, dem der Narr weissagte, dass der Drache zum Wohle der Welt überleben muss.

Robin Hobb spannt in „Beschützer der Drachen“ gekonnt den Bogen nicht nur über die ersten Teile der Trilogie, sondern schafft es sogar bis hin zu Fitz' Kindheit in der ersten Trilogie den Kreis zu schließen. Das spricht für eine inhaltlich sehr gut strukturierte Geschichte und ein Gesamtwerk, welches mitnichten in so vielen Bänden geplant war. Durch die unmittelbare Nähe zum Protagonisten Fitz, der einem über die Dekaden seines Lebens (und des Lesers Lesens) ans Herz gewachsen ist, ist dieser Abschied eines so gut kennengelernten Charakters sogar ergreifend. Durch die vielen Einblicke in dessen Entscheidungsfindung und das hautnahe Erleben seines Lebensweges bleibt dieser Schreibstil dem gewogenen Leser für immer im Gedächtnis haften. Das Durchdenken von Möglichkeiten, Abwegen von Optionen und Konsequenzen verlängert natürlich die Geschichte und ist nichts für ungeduldige Leser. Die Handlung schreitet wie gewohnt gemächlich voran, wobei dies ganz und gar nicht unerwartet ist. Frau Hobb nahm sich Zeit zum Erzählen und dem Aufbauen sowohl der Hintergrundgeschichte der Welt, als auch die weiteren Charaktere mit genügend Leben zu füllen, um nicht nur als fahles Beiwerk in schemenhafte Statistenrollen ein Nischendasein zu führen. Alle wichtigen Charaktere bekommen ihren Raum und die angemessene Zeit, um sich ins Ensemble zu spielen.

Unabhängig davon, ob man die Geschichte oder einzelne Passagen an sich nun mag oder nicht, plausibel erzählt und nachvollziehbar begründet ist der Plot allemal und man wird nicht durch ein unerwartetes Ende nach so vielen Seiten verstört. Ebenso sind die vielen verschiedenen Ebenen und Handlungsstränge abgeschlossen, was das Gesamtwerk abrundet und keine losen Enden dieser Fantasy-Geschichte lässt. Auch ist dieser ruhige Schreibstil vom Beginn der 2000er Jahre mittlerweile eine Seltenheit geworden. In der heutigen Zeit, in der Erzählungen die gefühlte 30-Sekunden-Aufmerksamkeitsspanne nicht sprengen dürfen, ist diese Romanreihe so etwas wie eine Insel zum Träumen. Eine Auszeit aus dem Alltag, so man gewillt ist und sich genügend Zeit mitnimmt, die vielen Seiten zu lesen. Das soll aber nicht heißen, dass die Geschichte nicht spannend geschrieben ist. Anderenfalls wäre man nicht bis zu diesem Buch drangeblieben. Es gibt bis zum Schluss überraschende Wendungen und für den Leser mehr als einmal einen unvorhersehbaren Handlungsverlauf.

Fazit: Das Gesamtwerk der „Weitseher“-Trilogie (oder besser Hexalogie) von Robin Hobb wird mit „Beschützer der Drachen“ zu einem würdigen Abschluss gebracht. Nach nunmehr fast 6.000 Seiten um das Leben von Fitz will man diesen nur schwer ziehen lassen, jedoch ist das aktuelle Abenteuer anschließend und abschließend beendet. Es bleibt spannend bis zur letzten Seite und auch dieses dicke Buch ist wieder einmal viel zu schnell ausgelesen. Wem die bisherigen Bände gefallen haben, der wird nicht enttäuscht werden.

Das Erbe der Weitseher 3: Beschützer der Drachen
Fantasy-Roman
Robin Hobb
Penhaligon Verlag 2018
ISBN: 978-3-7645-3205-5
1109 S., Paperback, deutsch
Preis: EUR 16,00

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