Chronicles of Crime Millenium 1400

Des Nachts finden seit frühester Kindheit Visionen den Weg in den Schlaf von Abelard Lavel. Schon bald stellt sich heraus, dass die rätselhaften Bilder, die vor seinem geistigen Auge erscheinen, mit Verbrechen zusammenhängen, die in Paris geschehen sind oder sogar noch geschehen werden. Als Ermittler hat sich Ritter Abelard einen Namen gemacht und klärt rätselhafte Fälle auf, vor denen die Polizei nur allzu oft kapitulieren müsste.

von KaiM

„Chronicles of Crime“ ist ein erfolgreiches Spielsystem und bietet qualitativ hochwertige Kriminalfälle, die mit Hilfe einer App und einigem an Spielmaterial gelöst werden müssen. Jetzt gibt es drei weitere Boxen, die dasselbe System nutzen und die Geschichte einer Familie vom Jahr 1400 bis 2400 erzählen. Die erste Box bietet vier Fälle, die alle im mittelalterlichen Paris spielen. Laut Packung spielt man am Besten solo oder mit bis zu drei Mitspielenden und ein Fall soll zwischen 60 und 90 Minuten dauern. Wie später noch genauer erläutert wird, halte ich das Spiel besonders für zwei oder maximal drei Personen geeignet, wobei das nicht bedeutet, dass nicht auch Vierergruppen ihren Spaß damit haben können. Je nach Gruppenzusammenstellung und Spielweise kann es passieren, dass die anderthalb Stunden nicht ausreichen und man eher mit zwei bis zweieinhalb Stunden rechnen muss. Aber auch dazu in einem späteren Abschnitt mehr.

Zu guter Letzt steht noch die Altersempfehlung ab 14 Jahren auf der Box. In den kurzen VR-Szenen, die durch die App gezeigt werden, schaut man auf die Orte der Verbrechen. Natürlich werden dort Dinge gezeigt, die für Kinder nicht geeignet sind. Blendet man dies jedoch aus, können Kinder durchaus schon mitspielen, auch wenn sie noch jünger sind. Ein schönes Plus: In der App bekommt man für jeden Fall einen Hinweis, ob dieser für Kinder geeignet ist und welche Form von jugendgefährdenden Inhalten dort gezeigt werden.



Das Material


Die Box ist übersichtlich gefüllt. Ein kleiner Spielplan, der als Kartenauslage genutzt werden soll, diverse kleinere, mittlere und große Karten und das Regelheft. Die Karten sind von besserer Qualität als bei manchem Kartenspiel, welches es deutlich nötiger hätte. Die Illustrationen sind stimmungsvoll in Bezug auf die Visionskarten und die Gesichter der zahlreichen Charakterkarten. Viele Gegenstandskarten sind gar nicht illustriert, sondern beschreiben nur stichwortartig die verschiedenen Dinge, auf die man im Laufe der vier enthaltenen Fälle stoßen kann.

Die App, die für das Spiel absolut notwendig ist, funktioniert einwandfrei und führt durch die Geschichte. Zudem liefert sie eine stimmungsvolle Hintergrundgeräuschkulisse.

Die Boxen sind insgesamt vielleicht ein klein wenig größer geraten, als unbedingt notwendig gewesen wäre, aber viel zu meckern gibt es ansonsten nicht. Die Anleitung ist entsprechend des äußerst einfachen Spielprinzips ebenfall einfach gehalten und im Endeffekt kaum notwendig, da man ohnehin am besten das Tutorial spielt, wenn man zum ersten Mal einen Fall lösen möchte.



Das Spiel

Jede Partie beginnt mit einer Vision der Hauptperson. Noch bevor man zum Ort des Verbrechens gerufen wird, bekommt man erste Hinweise in Form von einzelnen Bildern beziehungsweise Visionskarten. Dann kommt meist ein Bote und teilt uns mit, was geschehen ist. Dazu werden Ortskarten ausgelegt und Personenkarten angefügt, damit man weiß, wer sich dort aufhält. Fast alle Aktionen, die man durchführen kann, funktionieren nach klassischer Point-And-Click-Manier: Benutze Person A mit Gegenstand X oder Person B. Man befragt also gewissermaßen eine Person zu anderen Beteiligten oder Gegenständen, auf die man schon gestoßen ist. So arbeitet man sich nach und nach durch den Fall und bekommt immer mehr Hinweise auf den Tathergang und eventuell begleitende Umstände.

Vier Fälle sind in einer Box enthalten, die je nach Spielertypen auch mal etwas länger dauern können. Der Preispunkt bewegt sich im Vergleich pro Fall und Spieldauer ungefähr auf dem Niveau eines Falles von „Sherlock“ oder „Deckscape“ und ist damit geringer als für vier vergleichbare „Exit“-Spiele aus der berühmten Reihe.

Wie gewinnt man?

Zu gewinnen ist bei diesem Spiel gar nicht schwer. Oder auch gar nicht so einfach, ganz wie man es nimmt, denn eigentlich weiß man gar nicht, ob man verloren hat. Am Ende eines Falls muss man Fragen beantworten, die teilweise unmittelbar das Verbrechen betreffen, aber auch darüber hinausgehen können. Das erinnert natürlich, wie so vieles, an den geistigen Urvater des Spiels: „Sherlock Holmes Criminal-Cabinett“. Aber anders als bei dem Klassiker wird man stark geführt und man kann sich weniger frei durch die Welt bewegen. Man muss weniger aufschreiben und die Fälle sind zugänglicher. Damit sinkt der Anspruch ein wenig und es gibt tatsächlich kaum einen Anreiz, einen Fall ein weiteres Mal zu lösen. Beim Original wie auch bei ähnlich inspirierten Spielen wie „Mythos Tales“ konnte man durchaus das Gefühl haben, einen Fall komplett gelöst zu haben, nur um festzustellen, dass man auf wesentliche Aspekte gar nicht gestoßen ist.



Wie fühlt es sich an?


Stück für Stück sammelt man die Puzzleteile zusammen, entwickelt Theorien, sucht Verdächtige und entdeckt neue Orte. Oftmals hat man auch schon eine genaue Idee und sucht verzweifelt den Beweis, um sie zu bestätigen. Die Visionen der Hauptperson, die jeweils zu Beginn eines jeden Falls aufgedeckt werden, helfen dabei, Aussagen und Fundstücke richtig einzuordnen und geben wichtige Hinweise. Schön ist auch, dass die App eine unbekannte zeitliche Komponente hinzufügt. Hin und wieder wird man auf Limitierungen hingewiesen und am Ende macht sich die Schnelligkeit der Detektive auch bei der Punktewertung bemerkbar. Echtzeit ist hier aber nicht das Thema, diskutieren dürfen die Spielenden solange sie wollen. Aber jeder Ortswechsel und jede Befragung kostet Zeit, die auf das Konto angerechnet wird. Teilweise wechseln Personen auch die Orte. Dann können neue Informationen von ihnen erhalten werden oder der Ortswechsel setzt ihre Aussagen in einen anderen Kontext. Das verleiht dem Spiel eine schöne Dynamik und haucht ihm Leben ein.

Die Nutzung einer App für den Spielverlauf ist bei dieser Art Spiel aus meiner Sicht der richtige Ansatz. Das Programm weiß dann genau an welchem Ort sich der Ermittler befindet und welche Personen dort befragt werden können. Ein analoges System wäre in Summe wahrscheinlich deutlich zu kompliziert und würden Spielfluss stören, wenn neben den vielen Karten auch noch der aktuelle Status und die Uhrzeit nachvollzogen werden müssten. Außerdem bekommt man immer genau das zu lesen, was man auch lesen soll, und unabsichtliches Spoilern wird effektiv verhindert.

Auf der anderen Seite ist die Nutzung der App sehr dominant und viel mehr macht man eigentlich gar nicht. Es entwickelt sich ein Wechselspiel zwischen scannen und lesen. Je nach Gruppe fallen die spannenden Diskussionen unter den Tisch und es kann passieren, dass eher wild drauflos gescannt wird. Passiert dies, verliert das Spiel sämtlichen Reiz und wird langweilig. Mit anderen Worten sollte die Gruppe einen gewissen Ehrgeiz haben, den Fall schnell und gut zu lösen. Abgesehen davon ist der dominierende App-Faktor auch manchmal anstrengend, da man doch eine Menge Texte vorlesen muss.

Da alle Spielenden am Ball bleiben sollten und Diskussionen auch manchmal ausufern könnten, ist das Spiel aus meiner Sicht am Besten für zwei Spieler oder vielleicht auch für Familien mit etwas größeren Kindern geeignet. Denn eigentlich ist das Spiel am besten, wenn sich alle Spieler einbringen und man um die nächsten Entscheidungen ringt. Ist die Gruppe jedoch zu groß, werden die anvisierten 90 Minuten laut Packung nicht reichen, um einen Fall zu lösen. Dann kann es passieren, dass sich der Fall dermaßen in die Länge zieht, dass er auch wieder seinen Reiz verliert.

Die Pressetexte versprechen die Geschichte eine Familie über 1000 Jahre hinweg zu erzählen. Im Moment habe ich noch keine Idee, wie diese Episoden zusammenhängen und ob die Autoren es geschafft, die Spieler wirklich auf eine eintausend jährige Reise mitzunehmen. Man darf gespannt darauf sein, wie es in 500 Jahren weitergeht.

Fazit: „Chronicles of Crime“ ist in dieser Version ein lebendiges Deduktionsspiel mit viel Potenzial und einer schönen, mittelalterlichen Stimmung. Damit es sich wirklich voll entfaltet, müssen jedoch alle Spieler motiviert sein und am Ball bleiben.  

Chronicles of Crime Millenium 1400
Brettspiel für 1 bis 4 Spieler ab 14 Jahren
David Cicurel, Wojciech Grajkowski
Corax Games 2021
EAN: 7108443563854
Sprache: Deutsch
Preis: EUR 27,00

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