Champions of Midgard

Trolle, Monster, Draugr sowie Stürme, Kraken und Rituale: Als Wikinger gibt es so manche Dinge, um die man sich kümmern muss. Als wäre das alles noch nicht stressig genug, ist nun auch noch der alte Jarl verstorben und die Ordnung der Welt geht verloren. Also müssen wir losziehen und nicht nur Dörfer und Reisende beschützen, sondern auch noch klar machen, dass wir die Besten sind, den Jarl zu beerben. Dann mal los.

von KaiM

Zwei bis vier Wikinger*innen scharen sich ums Brett, um die Welt wieder Ordnung zu bringen. Durch das Einsetzen von Arbeitermeepeln werden Vorbereitungen getroffen, um acht Mal in den Krieg gegen die Bestien zu ziehen, die wie ein schier unendlicher Strom gegen den Lebensraum unschuldiger Familien branden. Ruhm und Ehre ist allen gewiss, die in den Kampf ziehen, aber es gibt nur einen Jarl, der beerbt werden kann. Also müssen viele Kämpfer rekrutiert und die gefährlichsten Monster besiegt werden. Wenn es sein muss, dann auch jenseits des großen Ozeans, bevor sie ein Tentakel oder eine Kralle auf das Heimatland setzen können.

Die Anwärter auf den Thron in dem Spiel von Ole Steiness sollten mindestens zehn Jahre alt sein und eine bis anderthalb Stunden Zeit mitbringen. Die Angaben auf der Box passen recht gut. Das Spiel ist durchaus in der veranschlagten Zeit zu schaffen und insbesondere können auch junge Wikinger hier gut mithalten.

Das Material

Um es kurz zu halten: An dem Material ist qualitativ rein gar nichts auszusetzen. Alles in der Box ist gut zu handhaben und robust. Darüber hinaus kann man sich über eine klare Ikonographie und ein durchweg stimmiges Design freuen. Das Spielbrett hat trotz der vielen dekorativen Inhalte eine klare Struktur und bietet inklusive eines aufgedruckten Rundenablaufs eine gute Übersicht in jeder Phase des Spiels.

Die Regeln sind in Ordnung, wenn auch keine Meisterleistung in Sachen Übersichtlichkeit, denn manchmal sucht man doch etwas länger, wenn es nochmal Inhalte gibt, die man nachlesen möchte. Die beigelegte Spielhilfe ist zwar nur einmal enthalten, aber zumindest die Übersicht über die Würfel und deren verschiedene Seiten ist immer mal wieder nützlich, um den Ausgang der Kämpfe vorauszusagen und den Einsatz der eigenen Würfel abzuwägen. Daher reicht es auch, die Spielhilfe neben das Brett zu legen, sodass alle sie erreichen können.

Das Spiel

In einer Partie bedrohen Trolle und Draugr (Untote, die meist unweit ihrer Grabhügel die Lebenden terrorisieren) das friedliche Leben und müssen aufgehalten werden. Nachdem sich alle einen Anführer oder eine Anführerin mit einer speziellen Fähigkeit ausgesucht haben, werden die aktuellen Bedrohungen ausgelegt. Aber schrecklicherweise wurden auch noch riesige Monster jenseits des Meeres gesichtet, die ebenfalls zu einer Gefahr werden könnten und deshalb alsbald bekämpft werden müssen.

Um sich auf die glorreichen Schlachten vorzubereiten, werden reihum Arbeiter ausgesandt. Es werden Nahrungsmittel besorgt, Waren gehandelt (allerdings nicht mit den Mitspielern), Schiffe gebaut, Rituale vorbereitet und vor allem Kämpfer rekrutiert. Die drei Gattungen Schwert, Speer und Axt haben alle ihre Vor- und Nachteile, und jede Einheit wird durch einen Würfel repräsentiert. In dieser Phase wird auch festgelegt, wer sich um welche Bedrohung kümmert. Die Trolle, Draugr und Monster sind unterschiedlich gefährlich und geben mal mehr, mal weniger Ruhm und Geld. Dabei sind Trolle besonders verabscheuungswürdige Kreaturen, und sie nicht zu bekämpfen ist eine große Schande, die auch viel Ruhm kosten kann. Der Einsatz der Arbeiter will also gut abgewogen und geplant werden.

Im Kampf nimmt man seine eingesetzten Kämpfer und würfelt. Für jeden Treffer wird dem Gegner ein Lebenspunkt abgezogen. Anschließend müssen entsprechend der gegnerischen Kampfkraft Würfel entfernt werden. Der Kampf geht dann so lange, bis die Abscheulichkeit ihren letzten Atemzug  getan (Lebenspunkt verloren)hat oder keine Wikingerkämpfer mehr übrig sind. Ist man siegreich aus dem Kampf hervorgegangen, nimmt man sich die Monsterkarte und kassiert die Belohnungen. Um dem Pech in solchen Begegnungen ein wenig entgegenzuwirken, können Günste der Götter (Marker mit göttlichen Trinkhörnern darauf) eingesetzt werden, um einen Wurf wiederholen zu können.

Nach acht Runden zählen aber nicht nur die Monster für den Sieg. Auch gesammelte Runenkarten, die zusätzlich einmalige Boni im Spiel bringen, gebaute Schiffe und Schicksalskarten bringen Punkte. Letztere werden geheim ausgeteilt und geben Ziele vor, die für weitere Siegpunkte erreicht werden müssen. Weitere geheime Ziele, wie zum Beispiel am Ende des Spiels am meisten Geld zu haben, können während der Partie erworben werden.

Zu guter Letzt muss noch die individuelle Schande aller Beteiligten einberechnet werden. Wer sich im Kampf gegen die Trolle am wenigsten hervorgetan hat, läuft Gefahr, sehr viel Ruhm zu verlieren. Wenn man einen oder zwei Schandmarker sein Eigen nennt, kann man das noch gut verschmerzen. Aber mit jedem Marker mehr, wird es umso schlimmer. Eine Chance auf den Sieg ist bei großer Schande beinahe unmöglich.

So fühlt es sich an

Den jüngeren Spielern meiner Spielrunden hat das Spiel sehr gut gefallen. Die vielen Kämpfe, die wenig kompliziert in jeder Runde abgehandelt werden, sorgen für Nervenkitzel, und der Kampf für die richtigen Ressourcen und Mitstreiter durch das Einsetzen der Arbeiter ist ebenfalls spannend. Zudem bestraft das Spiel Planungsfehler auch nicht allzu hart, und geht man in den Kämpfen ein hohes Risiko ein, kann man hier nicht nur verlieren, sondern am Ende sogar den Sieg davontragen. Als Spiel für Familien an der Grenze zum Kennerbereich ist „Champions of Midgard” gut platziert und einsteigerfreundlich. Die stimmigen Illustrationen, sowohl der Landschaften, als auch der fiesen Trolle, Draugr und Monster tragen ihrerseits dazu bei, dass man sich in seine Rolle als zukünftiger Jarl hineinfindet.

Auf der anderen Seite bietet das Spiel für Erfahrene nicht übermäßig viel Abwechslung. Die Gegner unterscheiden sich lediglich geringfügig, und es gibt zwar ein paar variable Arbeitereinsatzfelder, die in jeder Partie zufällig ausgelegt werden, aber auch diese verändern das Spiel nur ein wenig. Andere Spiele dieser Art bilden eine Entwicklung ab. Spieler werden dort mit der Zeit stärker, und Herausforderungen sowie die Belohnungen werden größer. Für „Champions of Midgard” würde ich mir wünschen, dass die Gegner im Laufe der Zeit stärker werden und auch größere Belohungen bieten. Aber hier findet über die acht Runden des Spiels keine wesentliche Entwicklung statt, man macht eigentlich immer dasselbe. Bei der Auswahl der Einsatzfelder stellt sich ab und an gar eine gewisse Beliebigkeit ein. Das soll nicht heißen, dass es egal ist, was man tut, aber die Entscheidungen sind eben auch nicht sonderlich schwer zu fällen. Der Glücksaspekt der Kämpfe ist natürlich Geschmackssache, geht aber in Ordnung, wenn man weiß, worauf man sich einlässt.

Doch bei aller Kritik ändert dies nichts an der Tatsache, dass das Spiel teilweise sehr gut ankommt, in seiner Leichtigkeit für Familien gut geeignet ist und es einen gewissen Reiz hat, um die Wette Monster zu verkloppen, ohne sich dabei gegenseitig allzu sehr weh zu tun.

Fazit: Ein Fazit fällt schwer, denn dieses Spiel hat definitiv seine Stärken und auch seine Zielgruppe. Es ist leicht, stimmig inszeniert und bietet durch die gewürfelten Kämpfe den einen oder anderen Überraschungsmoment. Geübte Kennerspieler sollten jedoch lieber zweimal hinsehen und eventuell direkt einen Blick auf die verfügbaren Erweiterungen werfen.

Champions of Midgard
Brettspiel für 2 bis 4 Spieler ab 10 Jahren
Ole Steiness
Corax Games 2019
EAN: 7108447030468
Sprache: Deutsch
Preis: 54,99 EUR

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