von LarsB
Das Spielmaterial
Zentrales Element des Spiels ist die modulare Schmiede als Kartenauslage für eine Vielzahl unterschiedlicher Ausrüstungsgegenstände. Sechs Charaktertafeln mit Vorder- und variabler Rückseite sorgen bei der Wahl der eigenen Charaktere für entsprechende Abwechslung. Die 20 sechsseitigen Würfel und 5 zwölfseitigen Würfel fallen direkt ins Auge. Pappmarker und weitere Karten sowie 4 ausführliche Spielhilfen komplettieren den Packungsinhalt im Wesentlichen.
Die Qualität aller Komponenten geht absolut in Ordnung. Die Würfel fühlen sich gut an, alle Pappmarker sind dick genug und auch die Karten sind solide. Alles wurde zweckmäßig ausgelegt. Das ist nicht negativ gemeint.
Die Illustrationen sind recht unterhaltsam und stimmungsvoll. Die „Setcards“ unserer Kreaturen-Sparringspartner sind scheinbar an der gleichen Stelle im Wald entstanden. Das Casting scheint am gleichen Tag stattgefunden zu haben. Die Monster selbst sind witzig und vielfältig gestaltet und werden manchmal mit einem Sabber-, manchmal einem Pupsproblem, äh, -skill dargestellt – immer extremer je erfahrener die Kreatur ist.
Die Ikonografie ist teilweise nicht ganz eingängig. Die großzügig gestaltete Spielhilfe leistet hier aber angemessen Abhilfe und erleichtert den Einstieg. Der größte Kritikpunkt ist, dass Schrägstriche zwischen einzelnen Effekten als UND-Verknüpfung von zwei Effekten gewählt wurden. Senkrechte Striche wären wohl die eingängigere Wahl gewesen.
Der Spielablauf
Alle Spieler spielen gleichzeitig eine von sieben Aktionskarten verdeckt aus. Diese erlauben den Spielern, Gegenstände in Kämpfen gegen die Kreaturen unterschiedlicher Stufen zu verdienen, sich zu heilen, in den königlichen Wachdienst zu gehen oder sich ganz seinen Schmiedegelüsten hinzugeben und seine Ausrüstung zu verbessern. In festgelegter Reihenfolge werden dann die einzelnen Aktionen abgearbeitet. So levelt man seinen eigenen Charakter mit immer effektiverer Ausrüstung auf. Irgendwann fühlt man dann den Zeitpunkt gekommen, die siebte Aktionsmöglichkeit auszuspielen: das Duell gegen den König (oder auch die Königin). Gewinnt man dieses Duell, ist das Spiel vorbei und man selbst die neugekrönte Durchlauchtheit von Ambossa.
Die Kämpfe finden mittels Würfel statt, von denen die Startcharaktere in der Regel nur zwei haben. Durch Ausrüstung kann man nun die Würfel mehren oder verbessern, sich resistenter gegen Schaden des Gegners machen, Würfel neu werfen, verlorene Kämpfe wiederholen, seinen Grundangriffswert verbessern oder auch seine Geschwindigkeit erhöhen. Je nach in der Partie gewähltem Herrscher können manche Skills besser passen als andere. Ausrüstung erhält man nach gewonnenen Kämpfen gegen Kreaturen, als Belohnung für den königlichen Wachdienst oder der Schmiedebrettauslage entsprechend, wenn man aus zwei passenden Gegenständen einen Gegenstand einer höheren Stufe schmiedet. Da jeder Gegenstand nur einmal im Spiel ist, sind hier Timing oder Geduld gefragt. Wurde aus zwei Gegenständen ein verbesserter Gegenstand geschmiedet, kommen jene wieder zurück aufs Schmiedeboard und stehen den anderen wieder zur Verfügung. Auch Zaubertränke können gewonnen und geschmiedet werden. Diese stellen Einmalfähigkeiten bereit.
Das Spielgefühl
Zentrale Idee des Spiels ist es, sich als Charakter schnell aufzuleveln. Und wer mag schon nicht gern Held werden und sich aufgeleveln? Man gewinnt durch die Verbesserung der eigenen Fähigkeiten immer mehr zutrauen in seine Kampfkunst und freut sich über die Siege gegen immer mächtigere Gegner und immer größere Belohnungen.
Die zusätzlichen Fähigkeiten sind für ein Spiel mit recht niedriger Zugangsschwelle nicht zu kompliziert. Das Spiel möchte auch kein 2-Stunden-Spiel sein, in dem man seinen Helden komplex von anderen Helden differenziert. Für ein Spiel, was unter einer Stunde spielbar ist, sind die unterschiedlichen Eigenschaften für die Aufwertung zumindest für so manche Partie hinreichend – vor allem für die Zielgruppe.
Zielgruppe dieses Spiels sind alle diejenigen, die ein nicht zu verkopftes und kurzweiliges Spiel suchen. Die Kämpfe sind in der Regel sehr schnell abgehandelt. Die Entscheidungen sind nicht wahnsinnig kompliziert und können durch die Glückskomponente Würfel eh nicht bis zum Erbrechen optimiert werden. Glück sollte man für eine Partie „Kingscraft“ also nicht als grundsätzliches Übel verstehen.
Der Großteil der Interaktion ergibt sich aus der knappen Schmiedeauslage. Timing ist bei diesem Spiel wichtig. Wann kann ich die Gegenstände erhalten oder schmieden, die ich haben will? Manchmal muss ich warten, manchmal muss ich schnell sein. Manchmal verwehre ich meinen Konkurrenten den Zugriff auf bestimmte Ausrüstungsgegenstände. Nehme ich den sicheren Weg oder riskiere ich auch mal was? Es gibt also schon Entscheidungen zu treffen – aber eben nicht wahnsinnig verzahnt oder komplex.
Direkte negative Interaktion zwischen den Spielern gibt es nur auf den Tränkekarten. Manchmal nervt es ein bisschen, einen Trank zu ziehen, um zum Beispiel für den Königskampf gerüstet zu sein, um dann einen zu erhalten, der den Mitspielern die Kartenauslage verschlechtert. Das ist wohl als Aufholmechanik gedacht, um ganz weit enteilte Mitspieler etwas auszubremsen. Hier hätte ich mir eine andere Lösung gewünscht. Das Problem kann abgemildert werden, indem man zwei Tränke statt eines Tranks ziehen darf und sich dann zwischen beiden entscheiden kann.
Apropos aufholen, das klappt nicht so richtig gut. In der Regel gelingt es einem, zumindest in Partien mit wenig Mitspielern, nicht, einen Rückstand wettzumachen. Geht man mehr Risiko als das besser ausgerüstete Pendant ein, um Schritt zu halten, klappt das manchmal und manchmal eben auch nicht. Das Resultat ist, dass man noch weiter hinterherhinkt. Die epischen Momente, in denen ein vorgezogener Verzweiflungskampf eines schwachen Spielers gegen einen König funktioniert hat, sind doch eher selten. Partien, die mit einer solchen Sensation zu Ende gehen, fühlen sich dann trotz geringer Spieldauer episch an.
Wie lange dauert eine Partie? Kürzer. Mit zunehmender Erfahrung. Aber nicht so wie in jedem anderen Spiel, weil man die Abläufe besser kennt. In der Regel trauen sich die Helden in der ersten Partie viel zu spät das Duell gegen den König zu. Diese Erfahrung führt in den Folgepartien dazu, dass es bereits früher wagemutige Helden gibt, die das Duell mit dem König ausrufen. Am Ende ist das Spiel eben ein Wettrennen. Nur ohne Sportschuhe.
Fazit: Das kurzweilige Erstlingswerk von David Kühn lässt sich prima auch mal einfach nebenher spielen. Und unter dem Tarnmantel eines mittelalterlichen Engine-„Schmieders“ findet man schließlich ein spannendes Rennspiel, welches Emotionen zu wecken vermag. Und die Erinnerung an Harald Schmid, einen Weltklasse-400-m-Hürdenläufer aus den 80er Jahren. Ob er „Kingscraft“ kennt? Er wäre sicher kaum zu schlagen.
Kingscraft
Brettspiel für 2 bis 4 Spieler ab 10 Jahren
David Kühn
Skellig Games 2023
EAN: 0725765192165
Sprache: Deutsch
Preis: 49,90 EUR
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