von Amel
Im Westen von Ravenland liegt Aslene, ein früher fruchtbares Land mit vielen Vulkanen, das vom Dämonenkrieg verwüstet und schließlich abgeschnitten wurde. Der Pass, der seinerzeit hineinführte, war magisch verschlossen. Jetzt ist er wieder offen. Mitglieder der Reiterclans, die einst nach Ravenland geflohen waren, kehren wieder zurück. Auch andere sehen dort eine Chance und reisen in das neu eröffnete Land – so auch die Spielgruppe.
Die Kampagne ist wie üblich ein Hexcrawl – dafür wurde „Forbidden Lands“ schließlich konzipiert. Was ich an allen Spielen von Free League (die mir netterweise ein Belegexemplar für diese Rezi zur Verfügung stellten) sehr mag, ist ihr klarer Fokus. Es wird immer eine bestimmte Art Geschichten erzählt, und diese Art wird gezielt und kompetent umgesetzt. Bei „Forbidden Lands“ geht es um oldschoolige Fantasy, in der eine Gruppe Abenteurerinnen und Abenteurer durch unbekannte gefährliche Länder zieht und sich diesen Gefahren stellt.
Es ist die klassische Herangehensweise der ersten Abenteuer, die damals den Dungeon verließen. Die Landschaft ist in Hexfelder unterteilt. Die Spielgruppe reist durch diese wilde und gefährliche Landschaft voller Monster und ist bedroht von der ständigen Gefahr von Hunger oder sich zu verlaufen. Die Abenteuer ergeben sich aus dem, was die Gruppe vorfindet und wie sie damit interagiert. Die Zivilisation ist nicht vollkommen abwesend, beschränkt sich aber auf wenige, häufig weit auseinanderliegende Orte. Wohin die Gruppe sich wendet, ist nicht nur vom Zufall abhängig, sondern auch maßgeblich von Gerüchten und Legenden und von dem, was sie erleben – manchmal auch einfach von dem, was sie am Horizont sehen.
Wer sich jetzt fragt, wo da die Story bleibt, bekommt in „Bloodmarch“ eine Antwort. Wie jedes Land hat auch Aslene eine lange Geschichte. Die Reitervölker, die dort wohnen, waren nicht die ersten. Der Dämonenkrieg hat viel kaputtgemacht. Die meisten Vulkane sind schon lange erkaltet und nur einer ist noch aktiv. Dieser Vulkan wird als zentraler Gott verehrt. Und dann gibt es da nicht nur Menschen, Elfen und Zwerge, sondern auch andere, fremdartigere Wesen mit ihren ganz eigenen Zielen.
Aus diesen Hintergründen ergibt sich eine dichte Geschichte der Welt. Die Story, die die Gruppe erlebt, wenn sie Aslene bereist, ergibt sich daraus, wie sich das Land und die Völker, die darin wohnen, verändert. Und natürlich haben sie Einfluss auf diese Veränderung, denn eine große Gefahr dräut am Horizont. Eine Anzahl von legendären Gegenständen ist über das Land verteilt, und verschiedene Gruppe haben ein Interesse daran, diese in ihre Finger zu bekommen. Große Macht wohnt ihnen inne und werden die Artefakte vereint, ist die Veränderung praktisch nicht mehr aufzuhalten – die Frage ist nur, ob es für die Mehrzahl der Bewohner Aslenes eine positive oder eine negative Veränderung sein wird.
Es ist recht schwer, das Buch nach seinen Einzelteilen zu beurteilen, denn viel davon greift ineinander und erzeugt eine erzählerische Dynamik, die ohne einen ausführlichen (und viele Spielabende dauernden) Spieltest kaum abzuschätzen ist.
Fangen wir mit der Optik an. Das Buch ist ein kleinformatiges Hardcover (vermutlich DIN-B5, ich habe es nicht nachgemessen). Das Cover ist nicht schlecht. Für meinen Geschmack ist es etwas zu dunkel, aber es erzeugt auf den ersten Blick eine bestimmte Stimmung, die vom ersten Augenblick an mein Bild von Aslene beeinflusst hat. Der vordere Vorsatz zeigt eine Schwarz-Weiß-Version der Landkarte von Aslene. Der Stil ist toll, sehr hübsch und doch übersichtlich genug. Die Hexfelder sind deutlich, ohne dass sie alle einzeln eingezeichnet wurden. Im gleichen Stil zeigt der hintere Vorsatz eine Übersichtskarte über einen größeren Ausschnitt der Weltkarte, um zu zeigen, wo sich Aslene im Verhältnis zu Ravenland und der Bitter Reach befindet. Die Innenillustrationen sind detaillierte Schwarz-Weiß-Zeichnungen in großartigem Stil. Das Layout ist hübsch und übersichtlich.
Den Anfang bildet eine kurze Einstiegsgeschichte (gut geschrieben und unterhaltsam – das sieht man eher selten bei solchen Einstiegsvignetten). Ein Überblick über das Land und seine Geschichte, passende neue Magiesorten und eine Beschreibung der neuen Terraintypen, die man hier bereisen kann, inklusive Begegnungstabellen schließen sich an. Das alles nimmt nur knapp 50 Seiten ein und vermittelt nicht nur, warum es gehen wird, sondern zeichnet generell ein starkes Bild der Länder und der Kampagne selbst.
Die eigentliche Kampagne beginnt auf S. 52. Zunächst erhält die Spielleitung einen Überblick über die sieben Phasen der Kampagne. Diese Entwicklung ist nicht aufzuhalten, aber sehr wohl zu beeinflussen, was die SC im Laufe der Kampagne erleben werden. Die zentralen NSC mit ihren Fraktionen – potenzielle Gegenspieler oder Verbündete –, die Artefakte, neue Monster und Zufallsbegegnungen nehmen den nächsten großen Teil des Buchs ein. Bei den Monstern sind ein paar sehr spannende und abgefahrene Viecher dabei. Die Zufallsbegegnungen sind ebenfalls viel mehr als man es von weniger kreativen Produkten gewohnt ist. Viele davon vermitteln Informationen über den Hintergrund der Welt oder die Entwicklung der Kampagne.
Den Abschluss bilden acht Adventure Sites. In diesem Fall sind das acht Siedlungen, die die Gruppe besuchen kann. Dort finden sie vielleicht die Artefakte, geraten in Streitigkeiten, lernen Details über das Land oder stellen sich der großen Bedrohung. Hier ist einer der wenigen Kritikpunkte, die ich an dem Buch habe. Die Karten sind über die Buchmitte gedruckt und Teile davon sind im Falz nur schlecht zu erkennen. Die Karten gibt es auch als Handouts zum Download auf der Webseite von Free League, insofern stellt das kein unüberwindliches Problem dar, aber eine verbesserte Lesbarkeit wäre natürlich wünschenswert gewesen. Die Orte sind nicht lang, aber wie alles in dem Buch in ihrer Kürze trotzdem (oder vielleicht gerade deswegen) gut zu benutzen.
Abgesehen von den sieben Phasen der Kampagne, die eine Entwicklung der Veränderung aus der Vogelperspektive beschreiben, wird nirgendwo in dem Buch eine Handlung vorgegeben. Diese ergibt sich aus den Handlungen der Gruppe. Und auch wenn beim Lesen schwer einzuschätzen ist, wie sich ein Spiel am Tisch anfühlt, lässt es sich erahnen. Alles greift ineinander. Die Informationen ergänzen sich. Wenn die sich entspinnende Handlung nur halb so stimmungsvoll und spannend ist, wie die Texte im Buch, wird das eine gelungene, unterhaltsame Kampagne.
Es gibt ein kleines, getrennt zu erwerbendes Zusatzpaket mit einer Farbkarte, Aufklebern und ein paar Spielkarten, das für den Spieltisch gedacht ist. Es ist nicht ganz billig, aber die Hexkarte dürfte das Spielerlebnis bereichern.
Im Oktober 2023 hat der Uhrwerk-Verlag eine Crowdfunding-Kampagne für eine deutsche Übersetzung des Buchs unter dem Titel „Blutmark“ erfolgreich abgeschlossen. Man darf also erwarten, dass das Buch irgendwann in 2024 auch auf Deutsch zur Verfügung stehen wird.
Fazit: „Bloodmarch“ liefert eine hervorragende, stimmungsvolle Hexcrawl-Kampagne mit vielen Ideen. Das Buch ist gut zu lesen und mit tollen Zeichnungen versehen. Wer Nachschub für seine „Forbidden Lands“-Kampagne sucht, darf getrost zuschlagen.
Forbidden Lands – Bloodmarch
Abenteuerband
Erik Granström, Per Holmström
Free League 2023
ISBN: 978-9-18914-366-1
256 S., Hardcover, englisch
Preis: ca. 35 EUR
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