Batman – Dark Age

Bruce Wayne ist alt geworden. Mit grauen Haaren und im Rollstuhl sitzend, verbringt er im Jahre 2030 seinen Ruhestand in Wayne Manors. Dort blickt er auf sein Leben zurück und gewinnt den Eindruck, dass er jemand war, der in einem brennenden Haus eine Kerze ausblasen wollte. Die Maske hat er längst abgelegt und doch spürt er sich seiner Rolle als Batman weiterhin verbunden. So lässt er die Lesenden wissen: „Wenn man die Maske eines Monsters trägt, wird man nur dann nicht selbst zu einem, wenn es Menschen gibt, die dein wahres Gesicht kennen.“ Was nur ist sein „wahres Gesicht“?

von Daniel Pabst

„Batman – Dark Age“ ist ein Comic von Mark Russell (Story), Michael Allred (Zeichnungen und Tusche) und Laura Allred (Farben). In sechs Kapiteln erzählt dieser Einzelband die Lebensgeschichte von Bruce Wayne. Wer jetzt kurz davor ist, „abzuschalten“ und denkt: „Das hab ich doch schon tausendmal gelesen und gesehen!“, dem sei gesagt, dass das natürlich stimmen mag, aber „Batman – Dark Age“ so ganz und gar nicht in das Schema passt und die Batman-Geschichte „neu“ erzählt. Die Frage, ob sich der neue Comic lohnen wird, wird zu Beginn dieser Rezension daher mit „Ja“ beantwortet.

Was aber macht diesen Comic so anders und damit so empfehlenswert? Fängt man beim Zeichenstil an, so fällt schon dieser aus der Norm heraus. Batman wirkt auf dem Cover nicht besonders „tough“, sondern hat beinahe weibliche Züge. Die fliegenden Fahrzeuge und die hypermoderne Stadt mit dem Schriftzug „City of Tomorrow“ könnten ebenso gut aus einem Science-Fiction-Comic stammen. Der Einstieg in diesen – im Softcover erschienenen – Titel wird durch die klaren und gar nicht so düsteren Zeichnungen und die damit einhergehenden sehr hellen Pastellfarben nicht besonders leicht gemacht und es fühlt sich – ja sagen wir, wie es ist – einfach alles etwas sonderbar an.

Die dazugehörige Geschichte stammt von einem erzählenden Bruce Wayne, welcher aus dem Ruhestand sprechend und weit entfernt vom Verbrechen Bilanz zieht. Seine Erinnerungen lassen von Tag zu Tag nach, und er versucht sein Leben in einem Buch festzuhalten. Die Lebensereignisse jedoch sind nicht die, die man als Fan von Batman gewohnt wäre. Als (einschneidendes) Beispiel wird der junge Bruce Wayne nämlich zu zehn Jahren Haft verurteilt, die nur durch seine Einziehung als Soldat im Vietnamkrieg unterbrochen wird. Wie konnte es dazu kommen? Welche Straftat hat er begangen? Und warum war es ein gewisser Polizeibeamter namens „Gordon“, der die Ermittlungen führte? Warum ließ er sich als milliardenschwerer Erbe der „Wayne Enterprises“ vor Gericht durch keine Staranwälte vertreten?

Handelt es sich bei den geschilderten Ereignissen möglicherweise etwa um sogenannte „falsche Erinnerungen“, also solche, die in Wirklichkeit keinen realen Ursprung haben und sich so nie ereignet haben? Haben die Erlebnisse vielleicht Bruce Wayne traumatisiert oder liegt es daran, dass er erkrankt ist oder aufgrund seines Alters zu vergessen beginnt? Da wir diesen Comic von einem Bruce Wayne mit Erinnerungslücken „erzählt“ bekommen, wird dieser Comic von Seite um Seite zum Erlebnis. Immer wieder tauchen bekannte Figuren aus dem „Batman“-Universum auf, doch nehmen eine andere Rolle ein und verdeutlichen, dass vieles im Leben sich anders ereignet hätte, wenn man einen anderen Pfad gewählt hätte. Damit erklärt „Batman – Dark Age“ nicht nur der Ungerechtigkeit in Gotham City, sondern auch dem Determinismus den Kampf.

Die spannende Frage, ob – trotz der vielen zu wählenden unterschiedlichen Pfade – am Ende alles vorherbestimmt ist, zieht sich wie ein roter Pfaden durch den gesamten Comic, der in sich abgeschlossen ist. Hinzu kommen die Aussagen von Bruce Wayne, die zum Nachdenken anregen, wie etwa: „(…) sagte, dass wir alle zwei Persönlichkeiten haben. Manchmal drei. Die Rolle, die wir nach außen spielen. Den Helden, für die, die wir lieben. Und den Versager, als den wir uns selbst sehen“, „Und wenn Leute ihr Leben in die eigenen Hände nehmen, sind Veränderungen nicht länger nur möglich, sondern unvermeidbar“, oder auch: „Aber wenn man sich zu sehr mit dem Leid der Welt beschäftigt, beginnt man irgendwann es selbst zu fühlen. Und das Gefährlichste daran, das Leid der Welt zu spüren, ist sich deswegen schuldig zu fühlen“.

In jedem der sechs Kapitel wechseln die Erzählperspektiven zwischen dem greisen Bruce Wayne und seinen verschiedenen Lebensstationen. Man erlebt dabei einen einsamen, zweifelnden, kämpfenden, treuen, unerbittlichen, disziplinierten und auch liebenden Mann, der nie die Hoffnung auf eine bessere Welt verliert. Neben Catwoman, dem Pinguin, Ra’s al Ghul, dem Joker, Jim Gordon, Barbara Gordon, Dick Grayson, Harleen Quinzel, Chase Meridian, Mad Hatter, dem Riddler und natürlich Alfred Pennyworth, werden Figuren wie Lois Lane, Superman und Wonder Woman ihren Auftritt haben. Bei all der Fülle an Charakteren ist für jede und jeden was dabei und zu keiner Zeit wirkt es so, als ob die Figuren willkürlich ausgewählt worden wären. Eins fügt sich zum anderen und die Gedächtnistafel von Bruce Wayne wird komplettiert …

Fazit: Am Ende kommt alles anders als erwartet, oder vielleicht auch nicht? Mark Russell hat mit „Batman – Dark Age“ einen verblüffend kreativen und kognitiv anspruchsvollen Comic erschaffen, der rundum gelungen ist. Die Idee, die Geschichte von einem in die Jahre gekommenen Bruce Wayne erzählt zu bekommen, dessen Erinnerungen schwinden, ist spannend und herausfordernd zugleich. Was bleibt, wenn man sich nicht mehr erinnern kann? Für wen oder was hat man sich durch schmerzhafte Momente gekämpft oder schöne Momente erlebt, wenn es am Ende nicht mal mehr einen selbst berührt und keiner mehr da ist, der sich an einen erinnert? Dieser Comic ist keine klassische „Batman“-Geschichte, sondern weitet den Blick und ist damit ein Comic-Highlight, an das man sich (hoffentlich) noch lange erinnern wird.  

Batman – Dark Age
Comic
Mark Russell, Mike Allred, Laura Allred
Panini Comics 2025
ISBN: 978-3-7416-4272-2
264 S., Softcover, deutsch
Preis: 35,00 EUR

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