von Daniel Pabst
„City of Madness“ ist eine Batman-Interpretation von Christian Ward, die jüngst bei Panini Comics erschienen ist. Auf insgesamt 176 Seiten entwirft er darin ein Geschichte, die voller Wahnsinn und Schrecken ist. Dass seine Inspirationsquelle das honorierte Werk „Batman: Arkham Asylum“ von Grant Morrison und Dave McKean ist, ist daher kein Zufall. Wie Ward die Leserinnen und Leser am Ende des Comics wissen lässt, würde sein heutiges Leben ohne Batman anders verlaufen sein. Als Kind habe er den Film „Batman“ von Tim Burton gesehen und sei begeistert gewesen. Die „düstere Opulenz auf der Kinoleinwand“ sei für seinen jungen Verstand „stilprägend“ gewesen. Und als er dann zu Weihnachten von seinen Eltern den Comic „Batman: Arkham Asylum“ geschenkt bekommen habe, sei es ihm ergangen, wie nach einer Offenbarung. Ab da an wollte er Comic-Zeichner werden!
Bis es dazu kommen sollte, gingen einige Jahrzehnte ins Land. Alle Stimmen, die damals meinten: „Comics sind gar keine Kunst“, strafte er spätestens mit diesem Werk Lügen. Denn dieser Comic ist eine Erfahrung und versucht erst gar nicht, mit „Batman: Arkham Asylum“ zu konkurrieren, sondern bewusst eine eigene Stimmung zu erschaffen. Er selbst sagt dazu auch: „Ich war nicht so arrogant, über eine direkte Fortsetzung nachzudenken, aber ein Nachfolger im Geiste schien mir denkbar. Als Dankeschön für den ursprünglichen Band, der mein Leben verändert und mich zu einem Leben hingeführt hatte, das ich liebe“. Um diese Liebe zu unterstreichen, versammelt der Comic-Band „Batman – City of Madness“ am Ende mehrere Zeichnungen und Figurenentwürfe sowie Cover von Christian Ward. Das ist einmal eine sehr gelungene Zusammenstellung von Panini Comics, die sich auch mit dem Format und dem entsprechenden Hardcover-Layout nicht haben lumpen lassen.
Was diesen Comic primär auszeichnet – wer hätte es nach dem Betrachten des Covers erahnen können(?) –, sind die großartigen Zeichnungen und die Farbgebung und Christian Ward. Die Handlung gerät dabei streckenweise in den Hintergrund. Diese beginnt damit, dass ein Junge ein Ticket nach Gotham City bucht, um dort den Mord an seinem Vater zu rächen. Gotham City: die Stadt, in der das Verbrechen nie schläft und das Verderben ihresgleichen sucht. Dazu lesen wir die Gedanken und Sorgen von Alfred, dem Butler von Bruce Wayne. Alfred hat Angst um die Gesundheit seines Herrn. Er sucht, so sagt er, nach „Rissen in der Psyche (und) nach der Antwort auf die Frage, die er nicht stellen kann.“ Wird Bruce Wayne vielleicht in dieser einen Nacht in den Abgrund stürzen? Was macht es mit einem, wenn man sich Nacht für Nacht dem Verbrechen entgegenstellt und die Hoffnung nicht verliert, dass man eines Tages aufwacht und die Nachrichten nichts Schlimmes mehr verkünden?
Bruce Wayne – alias Batman – hat keine Zeit, sich solche philosophischen Fragen zu lange zu stellen, da die Aufgabe ruft. In „Batman – City of Madness“ wurde das Tor zur „Unterwelt“ aufgestoßen und eine sonderbare Figur tritt daraus hervor. Es ist eine absurde Version einer Fledermaus, die Tentakel im Gesicht besitzt (H. P. Lovecraft lässt grüßen). Das Ereignis wirft ihre Schatten voraus und ändert die Gesetze der Stadt. Es wird zunehmend verrückter. Damit das Tor wieder geschlossen werden kann, bittet der Rat der Eulen Batman um Hilfe. Batman soll sich dem Wesen stellen. Was wie eine neue Mission klingt, wird zunehmend zur Selbsterfahrung. Denn die Tentaktel-Fledermaus ähnelt Batman, und es scheint, als hätten sie mehr Gemeinsamkeiten, als Batman je hätte ahnen können. Handelt es sich um sein Spiegelbild? Gebiert die Gerechtigkeit ihre eigenen Ungeheuer?
Beklemmend und mysteriös. Angsteinflößend und grell. Die Zeichnungen und dazugehörigen Farben geben der Geschichte einen faszinierenden Überbau. Nie kann man sich beim Lesen sicher sein, ob es sich nicht um einen Traum von Bruce Wayne oder gar von Alfred handelt. Ja selbst die Verbrecher der Stadt fürchten sich vor dem neuen Wesen und dessen Kräften. Als wäre es nicht schon zu viel verlangt, diesem Chaos Herr zu werden, wird der anfangs in die Geschichte eingeführte Junge sodann vom „Unterwelt-Batman“ entführt und ihn die Anderswelt gebracht. Bei dieser anderen Welt handelt es sich um die „Unterseite“ von Gotham City. Unter Gotham City nämlich liegt eine weitere Welt, die noch viel furchteinflößender ist, als ihre Oberseite. Schlimmer geht immer!
So folgen die Lesenden Batman und seinen Verbündeten in eine Welt der Sonderbarkeiten und verfolgen, wie diese versuchen, die Hoffnung nicht zu verlieren. Denn als Batman seinem „Horror-Spiegelbild“ gegenübersteht, begreift auch er, dass die menschliche Psyche ein fragiles Konstrukt ist und es unerlässlich ist, stets wachsam zu sein, da die Welt nicht mehr geheilt werden kann, wenn diese nicht mehr existiert. Passend hierzu lässt es sich Christian Ward nicht nehmen (ob es dies gebraucht hätte, sei dahingestellt), den Klimawandel in die Geschichte einzubauen. Im unterirdischen Fluss, der durch Gotham City fließt, gab es eine extreme Grundwasserflutwelle, wodurch Häuser eingestürzt sind. Weiter wurden die unterirdischen Kammerwände der Stadt beschädigt und es entstanden Risse. Der Ursprung für das Öffnen des Tors zur Unterwelt liegt im Klimawandel, so Christian Ward.
Wie eingangs bereits erwähnt, endet der Comic nicht auf der letzten Seite, sondern geht darüber hinaus auf den nachfolgenden Seiten stimmungsvoll weiter. Neben einer ganzseitigen Variant-Cover-Galerie gibt es den Abdruck eines Textes von Christian Ward, in dem er seine Faszination für „Batman“ mitteilt und betont, dass Comics nicht nur unterhalten und eine Geschichte erzählen können, sondern auch „Gefühle wecken“ möchten. Ob ihm dies mit „Batman – City of Madness“ gelungen ist, lässt sich kurz und knapp mit „Ja“ beantworten. Als Kritikpunkt ist anzuführen, dass das Werk zu lang geraten ist. Auch wenn die Zeichnungen immer wieder beeindrucken und die Panel-Gestaltung sehr abwechslungsreich ist, fällt die Spannung in der Hälfte ab und das Ende ist vorhersehbar. Daher ist dieser Comic primär wegen seinen Zeichnungen und den damit hervorgerufenen Gefühlen zu empfehlen.
Fazit: Christian Ward schafft in seinem Comic großartige Bilder, die beim Umblättern der Seiten mitunter Staunen hervorrufen können. Was er dagegen nicht durchgehend geschafft hat, ist Spannung zu erzeugen. Damit ist „Batman – City of Madness“ etwas für die Augen und zeigt nichtsdestotrotz eindrucksvoll, was passieren kann, wenn man den Klimawandel sowie die Psyche und etwaige Hilferufe von seinen Mitmenschen nicht ernst nimmt.
Batman - City of Madness
Comic
Christian Ward
Panini Comics 2024
ISBN: 978-3-7416-4014-8
176 S., Hardcover, deutsch
Preis: 35,00 EUR
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