von André Frenzer
Wie auch bereits der Vorgänger, ist „Arkham Noir – Fall 2“ (jeder Fall ist eigenständig spielbar) ein Kartenspiel für einen Spieler, das nicht auf den Motiven von H. P. Lovecraft und seinen Epigonen basiert, sondern einem auch gestattet, in die Rolle des Privatdetektivs Howard Lovecraft (!) zu schlüpfen. Wieder finden sich verschiedene Motive aus seinen bekannteren „Lovecraft Country“-Geschichten auf den Karten wieder, um als Crime-Noir-Geschichte neu erzählt zu werden. So liest sich schon die Einleitung in dieses kleine Spiel unheimlich-stimmungsvoll:
Randolph Carter sitzt dir in deinem Büro gegenüber: „Wir untersuchten den schleichenden Tod, der die Einheimischen heimsuchte – arme Siedler, deren Vorfahren als Kolonisten aus den Niederlanden kamen und dieses Land beanspruchten. Typer hat mich auf diesen Fall angesetzt und jetzt fehlt jede Spur von ihm ... Nun ja, die Sache ist etwas außer Kontrolle geraten. Könnten Sie diesen Fall vielleicht für mich abschließen?“ Du musst an deine überfällige Miete denken und gehst seufzend auf sein Angebot ein, in die Catskills zu fahren und ein wenig herumzustochern. „Nehmen Sie einen Regenschirm mit“, rät er dir. „Dort gewittert es häufig.“
Während wir uns also im ersten Spiel Hexenkulten stellten, begeben wir uns nun also auf Spuren der Familie Jermyn. Dabei untersucht Howard Lovecraft Ereignisse basierend auf den Geschichten „Die lauernde Furcht“ (1923) und „Das Tagebuch des Alonzo Typer“ (1938).
Wie nun aber funktioniert das Ganze? Zunächst einmal gilt es die mitgelieferten Karten zu sortieren. Diese sind wie im Vorgänger unterteilt in Hinweiskarten, Fallkarten, einige Übersichtskarten sowie eine Kontaktperson-Karte. Neu hinzugekommen sind sogenannte „Sturmkarten“, die an bestimmten Etappen ausgelegt werden. Alle Karten werden dann in einer bestimmten Reihenfolge ausgelegt, um einen flüssigen und übersichtlichen Spielablauf zu ermöglichen. Die Fallkarten präsentieren jeweils ein Mordopfer, dessen Verschwinden es aufzuklären gilt. Im Laufe des Spiels zieht man Hinweiskarten, die verschiedene Symbole aufweisen. Zum einen gibt es verschiedene Hinweisarten – wie Personen, Indizien oder Orte –, zum anderen weist jede Hinweiskarte am Kartenrand Symbole auf. Diese Hinweiskarten werden an das jeweilige Mordopfer angelegt, jedoch nur, wenn die Symbole am Kartenrand zueinander passen. Ziel ist es, Reihen aus mindestens fünf verschiedenen Hinweisen auszulegen, um einen Fall abzuschließen. Dabei legt das Spiel dem findigen Privatdetektiv immer wieder Steine in den Weg. Das Ausspielen einiger Karten erfordert sogenannte Stabilitätstests, die – zu oft misslungen – ein Spiel vorzeitig beenden können. Einige Karten bringen darüber hinaus besondere Voraussetzungen mit, um überhaupt gespielt werden zu können. Und über alledem schwebt der Zeitdruck, denn ist ein Fall zu lange geöffnet, erkaltet die Spur und führt zu weiteren Stabilitätsverlusten.
Das Spiel weist dabei einen angenehmen Komplexitätsgrad auf. Es erwartet vorausschauendes Spiel, eine gute Kartenwahl und belohnt gutes Timing. Dabei ist es nicht zu einfach, und es hat mir einige Testrunden abgenötigt, bevor ich es zum ersten Mal gewinnen konnte. Die Sturmkarten erweitern das vom ersten Fall bekannte Spielprinzip intelligent, ohne den Mechanismus zu überfrachten. Über einfache Regelmechanismen lässt sich der Schwierigkeitsgrad für Vielspieler noch erhöhen. Auch der zweite Fall spricht Taktiker mit einem Hang zum Glücksmoment an.
Allerdings gilt weiterhin: Das Spielprinzip, passende Symbole aneinander zu legen, klingt erst einmal wenig lovecraftesk. Aus den oft wahllos aneinandergereihten Hinweiskarten lassen sich auch kaum lovecrafteske Geschichten ableiten. Das Spiel hätte mit verschiedenen Obstsorten und glitzernden Einhörnern als Motivwahl (um ein besonders konträres Beispiel zu wählen) genauso funktioniert. Doch durch die beklemmenden Motive, die ständige Gefahr durch die sinkende Stabilität und die düstere Aufmachung der Karten entsteht tatsächlich ein Druck beim Spieler, der durchaus an Lovecrafts Werk anknüpfen kann. Die verwendeten Grafiken sind wieder mit einfachen Strichen gezeichnet, doch abermals sehr gut gelungen. Die Qualität der Karten ist hochwertig und sie wirken sehr stabil. Und auch der Karton ist durchaus auf Langlebigkeit ausgelegt. Die Verarbeitung des Spiels ist damit absolut gut gelungen.
Fazit: „Arkham Noir“ weiß zu gefallen. Das Spielprinzip spricht den Taktiker an – auch, wenn Glücksmomente durchaus zum Spielprinzip gehören – während die Motive dem Lovecraft-Fan zu gefallen wissen. Wer sich zu einer der beiden Gruppen zählt, darf hier durchaus einen Blick riskieren. Die Unterschiede zum ersten Fall halten sich jedoch – abseits der Motivwahl – in Grenzen.
Arkham Noir – Fall 2: Vom Donner gerufen
Kartenspiel für 1 Spieler ab 14 Jahren
Yves Tourigny
Asmodee Germany 2020
EAN: 4015566601475
Sprache: Deutsch
Preis: EUR 22,99
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