Archiv des Wächterbundes 2

Das „Archiv des Wächterbundes 2“ ist im Rahmen des „HeXXen 1733“-Crowdfundings zum Thema Hexen erschienen. Es enthält eine Sammlung verschiedener Abenteuer, Kurzgeschichten und Quellenmaterial zu zahlreichen Themen – viele davon mit Bezug zu Hexen.

von Sebastian Eibl

Abenteuer (Achtung Spoiler!)

Das „Archiv des Wächterbundes 2“ enthält insgesamt vier kurze Abenteuer, die sich in einer oder wenigen Sitzungen spielen lassen.

Der Band startet mit dem Abenteuer „Die Nacht des kopflosen Reiters“ von Mirko Bader. Das Abenteuer ist für Jäger der Stufe 2-3 gedacht und kann in 5-6 Stunden gespielt werden. Als Haupthandlung dient eine schiefgelaufene Sturmweihe, bei der versehentlich eine Vettelnemesis beschworen wurde. Diese tötete alle älteren Hexen und nur die frische, junge Hexe konnte entkommen. Um ihrer ebenfalls habhaft zu werden, lies die Vettelnemesis einen kopflosen Reiter auferstehen, der auf seiner Suche nach der entkommenen Hexe alle Bewohner des angrenzenden Dorfes Schaffberg niedermetzelte. Die junge Hexe konnte er allerdings nicht finden. Diese Situation gilt es nun von den Jägern aufzuklären und über das Schicksal der Hexe sowie des kopflosen Reiters zu entscheiden.

Das Abenteuer kann als Einstiegsabenteuer gespielt werden, ist relativ linear und weder für HeXXenmeisterin noch für die Jäger sonderlich komplex. Die Kulisse ist schön unheimlich und die Kämpfe passen ebenfalls. An einigen Stellen im Abenteuer taucht die berühmte Passage „hier werden die Jäger folgendes tun“ auf. Glücklicherweise lassen sich alle Hinweise und Begegnungen leicht verlegen, sodass es nicht wirklich zu einem Problem wird, wenn die Jäger anders handeln. An der Handlung würde ich persönlich die Nebenhandlung um einen ebenfalls im Dorf umherstreifenden Guhl streichen und stattdessen den von ihm geleiteten Angriff unter das Kommando des kopflosen Reiters stellen. Für mich passt das besser in die generelle Geschichte. Alles in allem ein schönes kurzes Abenteuer in schaurig, düsterer Atmosphäre.

„Flötenspiel in Hameln“ ist das zweite kurze Abenteuer, ebenfalls für Jäger der Stufe 2-3. Es ist von Geneviève Jaspaert geschrieben und von der Sage des Rattenfängers von Hameln inspiriert. Das Abenteuer besteht aus vier Handlungssträngen, die einige Berührungspunkte aufweisen. Im ersten Handlungsstrang gehen die Jäger dem Ursprung einer Rattenplage in der Stadt auf den Grund. Der zweite Handlungsstrang schildert die Rache einer Hexe, die Kinder aus der Stadt entführt. Der dritte Handlungsstrang handelt vom Geist eines ehemaligen Rattenfängers, der jetzt ruhelose durch die Stadt streift. Im letzten Handlungsstrang gehen die Jäger einer Verschwörung von Werratten auf den Grund, die die Macht in der Stadt an sich reißen wollen. Über die Handlung hinaus enthält das Abenteuer eine Beschreibung der Stadt Hameln und ihrer Geschichte. Außer der Eingangsszene enthält das Abenteuer keine Szenenbeschreibungen, wie sonst für „HeXXen“-Abenteuer üblich. Auch gibt es keine expliziten Kämpfe, sondern nur eine Liste an potenziellen Gegnern. Hier muss die HeXXenmeisterin kreativ werden.

Das Abenteuer ist sowohl für die Jäger als auch für die HeXXenmeisterin anspruchsvoll. Die Jäger müssen die vier Handlungsstränge auseinanderhalten und die Informationen richtig zuordnen. Selbiges gilt für die HeXXenmeisterin. Allerdings muss diese auch noch viel improvisieren. Vor allem, wenn die Jäger sich in diesem offenen Abenteuer mal wieder nicht an die ein, zwei offensichtlichen Hinweise halten. Für eine erfahrene Gruppe aber ein definitiv interessantes Abenteuer.

Das Abenteuer „Verknüpfte Leben“ von Franziska Kieper und Stefan Tannert ist ebenfalls für Jäger der Stufe 2-3 ausgelegt. Es handelt von einer Hexe, die mithilfe eines magischen Stickrahmens die Schicksalsfäden der Bewohner von Wallbach beeinflusst, denn natürlich ist sie auf Rache aus. Indem die Jäger tödliche Unfälle im Dorf untersuchen, werden sie auf die Spur der Hexe und der mit ihr verbündeten Blutwichtel geführt. Im finalen Kampf müssen sie die Hexe besiegen und den Ort retten.

Das Abenteuer ist relativ kurz und für die Jäger wenig anspruchsvoll. Allerdings ist die angedachte Spur zum Aufenthaltsort der Hexe dünn. Hier muss die HeXXenmeisterin eventuell improvisieren und weitere Spuren legen. Generell enthält das Abenteuer keine heXXentypische Aufteilung in Szenen, sondern nur generelle Informationen, sodass die HeXXenmeisterin hier kreativ werden muss. Aufgrund der überschaubaren Handlung ist dies aber nicht zu kompliziert. Sehr schön ist der finale Kampf. Hier entdecken die Jäger, bevor der Kampf beginnt, ihre eigenen Schicksalsfäden, die dann im Kampf als Sondereffekte eintreten. Alles in allem ein kurzes, nettes Abenteuer für zwischendurch.

„Jagdsaison“ wurde ursprünglich für die Verwendung als Schnellstarter konzipiert, aber aufgrund der Länge nicht verwendet. Diese Herkunft merkt man an den vielen Regeleinschüben (für „HeXXen 1733“ in der 1. Edition) und an den Erläuterungen für die HeXXenmeisterin. Ausgelegt ist das Abenteuer für Jäger der Stufe 2. Den Hintergrund bildet der tödliche Jagdunfall des Sohns des Herzogs. Der Landvogt und Verwalter des Jagdschlosses beauftragt einen Großbauern, ein Urteil in dieser Angelegenheit zu sprechen, und natürlich wird ein Unschuldiger getötet. Diese doch etwas seltsame Machtverteilung wird im Abenteuer nicht schlüssig aufgeklärt und hat das Potenzial, die Jäger zu verwirren. Im Verlauf der Nachforschungen besuchen die Jäger den Hof des Großbauern, das Jagdschloss und eine nahegelegene Kirche. Hier versuchen an zwei Stellen NSC die Jäger am Fortkommen zu hindern. Die Jäger sollten also genug intrinsische Motivation mitbringen, das Abenteuer nicht einfach Abenteuer sein zu lassen. Im Finale finden die Jäger heraus, dass sie es mit einem Wiedergänger zu tun haben und es werden zwei mögliche Enden präsentiert.
 
Schon wegen der Konzeption als Schnellstarter ist das Abenteuer sowohl für die Jäger als auch die HeXXenmeisterin einfach. Allerdings hat mich weder die Geschichte noch die Ausarbeitung übermäßig überzeugt, sodass ich zu einem anderen Abenteuer raten würde.

Beim Ringboten ist ebenfalls noch eine ausführlichere Rezension dieses Abenteuers erschienen.

Kurzgeschichten

Der Band enthält ebenfalls drei Kurzgeschichten. Den Anfang macht „Nachts auf dem öden Berg“ von Bernd Perplies. Die Geschichte handelt von einer Jägergruppe, angeführt von Heinrich Martell, die in der Nacht vor Walpurgis den Ritualplatz eines Hekate-Kultes zerstören sollen. So einfach und geradlinig, wie sich der Auftrag anhört, verläuft er aber nicht. „Die Hexe im Würmtal“ von Philipp Bügel handelt vom Verschwinden mehrerer Kinder und dem Hexenjäger Ferdinand, der dem Problem auf den Grund geht. In der letzten Kurzgeschichte „Hexen-Gambit“ von Mirko Bader persönlich wird die Geschichte einer Abgesandten des Mariannen-Ordens geschildert, die zusammen mit einem Inquisitor den Spuren einer vermeintlichen Hexe aus den Reihen der Mariannen selbst folgt. Die Geschichten sind allesamt voll von HeXXenflair, kurzweilig und mit schönen Überraschungen.

Quellenmaterial

Der Abschnitt „Geheimnisse der Mariannen“ liefert auf zwei Seiten ein paar Hintergründe zum Mariannen-Orden.

„Das Gruselkabinett der Hexen“ listet einige Zaubermittel der Hexen mit ihren dazugehörigen Einflüssen auf die Jäger oder NSC auf. Die Sammlung ist kreativ und bietet einige Inspirationen.

Mit dem Henker liefert das „Arche des Wächterbundes 2“ eine neue Profession, die als Voraussetzung die Rollen Hexenmystiker und Nahkämpfer hat. Interessant bei dieser Profession ist die Ausbaukraft „Körper verwerten“, die verschiedene Möglichkeiten bietet, aus toten Körpern Medizin, Talismane oder Kunstgegenstände herzustellen.

„Zeichen, die unter die Haut gehen“ ist eine weitere Auflistung verschiedener Hautglyphen mit ihren Auswirkungen auf Jäger und NSC.

Den Gruppierungen „Der Zehnte Chor“ und „Die Kingsman-Gesellschaft“ werden ebenfalls einige Seiten gewidmet.

„Von den Wassern und deren Bewohnern“ beleuchtet den Hintergrund von Wassergeistern und dem Meervolk. Nach einer generellen Einführung werden verschiedene Exemplare ausführlich und mit Wertekästen dargestellt. Dazu gesellen sich neue NSC-Kräfte und Umgebungseffekt für den Kampf im Wasser. Ebenfalls vorhanden sind zwei kleine Abenteuerideen.

Sonstiges

Zu den bereits vorgestellten Inhalten gesellen sich noch ein paar Hinweise der Artdirektion zusammen mit verschiedenen Stadien der Illustrationen, die in den Hauptbüchern des Crowdfundings verwendet wurden.

Fazit: Bis auf das Abenteuer „Jagdsaison“ konnten die enthaltenen Abenteuer vom reinen Lesen her überzeugen. Für erfahrene HeXXenmeisterinnen klingt vor allem „Flötenspiel in Hameln“ spannend. Die Kurzgeschichten sind alle kurzweilig, zum Teil mit interessanten Wendungen und laden zum Erfahren der Welt ein. Der Quellenteil ist durchaus inspirierend, aber auch speziell. Ob davon etwas für die eigene Runde interessant ist, muss jede HeXXenmeisterin selbst entscheiden.

HeXXen 1733: Archiv des Wächterbundes 2
Quellenband
Mirko Bader u. a.
Ulisses Spiele 2019
ISBN: 978-3-96331-216-8
120 S., Hardcover mit Kunstleder-Einband, deutsch
Preis: 29,95 EUR

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