Am Rande der Verdammnis

Die Redaktion Phantastik erweist sich ein ums andere Mal als zuverlässiger Verlag. Denn nicht nur für „Private Eye“ erscheint pünktlich rund um die SPIEL neues Material, sondern auch für das per Crowdfunding finanzierte „FATE“-Rollenspiel „Seelenfänger“. Mit „Am Rande der Verdammnis“ liegt nun ein neuer Abenteuerband vor.

von André Frenzer

Im Vergleich zum Vorgängerband, „Ein Licht im Nebel“, hat „Am Rande Verdammnis“ ein paar Seiten mehr spendiert bekommen – 48 sind es an der Zahl. Gefüllt werden diese Seiten mit drei ausgearbeiteten Szenarien – sofern man bei „FATE“ davon sprechen kann – sowie einem Abenteuerschauplatz. Bevor ich mich an die weitere Vorstellung mache, ist – wie so oft – die obligatorische Spoilerwarnung für Spieler angebracht. Ich werde sicherlich das eine oder andere Handlungselement vorstellen, damit sich interessierte Spielleiter ein Bild machen können. Spielern sei daher angeraten, diese Rezension nicht zu lesen.

Das erste Abenteuer trägt den Titel „Pestilenz“. Wer sich bereits ein wenig im „Seelenfänger“-Setting auskennt, wird sich hier gleich heimisch fühlen. Denn das Dörfchen Neugrund hat gleich mehrere schwerwiegende Probleme. Nicht nur, dass in der Vergangenheit weite Teile der Bevölkerung durch Krankheiten dahingerafft wurden und das Täuscherland mit seinen tückischen Nebeln und gefährlichen Kreaturen bedrohlich nahe liegt; nein, nun hat sich auch noch ein ehemaliger Bewohner des Dorfes dem Täuscher angeschlossen und peinigt seine ehemaligen Nachbarn und Freunde mit einer neuen Pestilenz. Hier kommt alles zusammen, was im „Täuscherland“ so schieflaufen kann – verblendete Freunde, finstere Verräter, verschiedene Geister und tödliche Krankheit.

Auch das zweite vollwertig ausgearbeitete Abenteuer, „Das Dorf am Rande der Verdammnis“, führt die Abenteurer in ein einsam gelegenes Dörfchen. In Styrntrop erwarten die Charaktere jedoch völlig andere Schwierigkeiten. Das Dorf liegt nahe einer Küste, in der Meerhexen ihr Unwesen treiben. Zu allem Unglück sind einige der Dorfbewohner einen verhängnisvollen Handel mit diesen finsteren Kreaturen eingegangen. Nun brauchen sie Menschenopfer und ein jeder im Dorf – ob durchreisender Fremder oder ungeliebter Nachbar – könnte der nächste sein …

Im dritten Abenteuer, „Erwachen“ verschlägt es die Seelenfänger in den Süden des Reiches. Hier stoßen sie offensichtlich auf die Spuren eines Totenmagiers, denn Tote verschwinden und erscheinen später als wandelnde Leichname. Es gilt es, in einer Fehde zwischen zwei Dörfern zu vermitteln, den verschwundenen Leichnamen nachzuspüren und die tatsächlich sehr reale Gefahr zu bannen.

Abgerundet wird der Band durch den kurzen Schauplatz „Seyfahrts Seelenbank“, der eine Art Gasthaus mit angeschlossener Datenbank für Seelenfänger ist. Doch auch hier ist natürlich nicht alles so, wie es zu sein scheint … Neben dieser gelungenen Ergänzung wurde außerdem jedem Abenteuer eine Gruppe von fünf vorgefertigten Charakteren spendiert. Die Zusammenstellung der Charaktere untereinander ist unterschiedlich ausgefallen, fügt aber stets zusätzliches Konfliktpotenzial hinzu.

Wie auch schon im Vorgängerband atmen alle Abenteuer die Düsternis des Settings. Die Menschen sind hoffnungslos, die Seelen der Toten finden keine Ruhe und auch unter den vermeintlichen Verbündeten gibt es kaum hehre Lichtgestalten. Und ebenso wie im Vorgängerband ist – ganz „FATE“-typisch – auf eine konkrete Handlungsabfolge verzichtet worden. Stattdessen liefern die Abenteuer Szenen, Schauplätze und Protagonisten und überlassen ansonsten alles weitere den Spielern – und natürlich der Improvisationsfreude der Spielleitung. Wer mit der Aufbereitung von „FATE“-Abenteuern bisher nicht glücklich wurde, wird auch hier zu meckern haben. Wer etwas Flexibilität mitbringt, wird streckenweise wirklich reich belohnt. Mein persönlicher Favorit ist im Übrigen „Das Dorf am Rande der Verdammnis“, welches ein tolles Setting ausbreitet und sich in alle möglichen Richtungen entwickeln kann – vorbildlich.

Das Buch ist auf einem angenehm hohen Niveau illustriert, aber leider finden sich nur wenige Zeichnungen auf den Seiten wieder. Das Layout setzt wieder auf dunklen Hintergrund und helle Schrift, was sicherlich Geschmackssache ist. Gut lesbar ist der Text aber allemal. Lektorat und Korrektorat haben saubere Arbeit abgeliefert. Technisch gibt es damit eigentlich nichts zu meckern.

Fazit: „Am Rande der Verdammnis“ bietet flexible, leicht einsetzbare Abenteuer im Täuscherland, die für jeden Spielleiter mit ein wenig Erfahrung in „FATE“ geeignet sein sollten. Allerdings erfordern die Abenteuer volle Flexibilität von der Spielleitung.

Am Rande der Verdammnis

Abenteuerband
Jörg Köster, Oliver Kersting, Christof Kalusche u.a.
Redaktion Phantastik 2021
ISBN: 978-3946759782
48 S., Softcover, deutsch
Preis: EUR 8,00

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