Abenteuer in Übersreik

In Übersreik erwarten die Abenteurer einige Gefahren und Herausforderungen. Ein Bauprojekt wird immer wieder gestört und ein Mord muss geklärt werden. Ein kleiner Ort scheint dem Wahnsinn anheim gefallen zu sein und es gilt, die Ursache zu finden. Bei einem Aufenthalt in einem Wohnhaus werden die Abenteurer plötzlich aufgrund einer Seuche eingesperrt. Wenn dann noch ein anerkannter Stadtwächter mit einer Wunde aufgefunden wird, die unerklärlich ist, haben die Abenteurer keine Wahl, als endlich einzugreifen.

von Ansgar Imme

Mit der vierten Auflage von „Warhammer Fantasy“ Anfang 2020 begeisterte Cubicle 7 die „Warhammer“-Fans. Als Ulisses Spieler bekannt gab, die Lizenz in Deutschland zu übernehmen, war auch hier die Freude groß. Leider ist der Verlauf der Veröffentlichungen eher schleppend, und die Spieler warten nach dem deutschen Grundregelwerk immer noch auf die Einsteigerbox, die dieser Tage endlich erschienen ist. Zur Überbrückung brachte Ulisses überraschend bereits vor einigen Wochen den vorliegenden Abenteuerband als PDF heraus, welcher ebenso aktuell als Hardcoverband erscheint. Mit Dave Allen ist (wie im Fall von Graeme Davis im vorherigen Abenteuerband) erneut ein Veteran des „Warhammer“-Rollenspiels als Autor an Bord.

Der Anthologie-Band, der auch als Kampagne genutzt werden kann, enthält sechs Abenteuer in der Einsteigerregion Übersreik, die in der „Einsteigerbox“ genauer vorgestellt wird. Die enthaltenen Abenteuer wurden ursprünglich in der Entwicklung der neuen Edition geschrieben und als PDF veröffentlicht. Sie wurden aber so stark nachgefragt, dass man sich von Verlagsseite zusätzlich für eine gedruckte Publikation entschied und dort zusätzliche Hinweise zur Kombination als Kampagne sowie Hintergrundinformationen einbaute. Zu jedem Abenteuerszenario gibt es zudem „Designers Notes“ mit weiteren Ideen, um das Szenario aufzuwerten oder komplizierter zu machen.

Der Inhalt

Den Auftakt bildet das beim Ringboten bereits rezensierte Abenteuer „Wenn Blicke töten können“. Zur Vermeidung von Dopplungen wird auf die dortige Rezension ver wiesen.

Im zweiten Szenario „Die Wahnsinnigen von Gotheim“ verschlägt es die Abenteurer in das Dorf Gotheim. Doch bei ihrer Ankunft müssen sie feststellen, dass das Dorf in Trümmern liegt und viele Gebäude zerstört wurden. Die Einwohner sind teils nicht aufzufinden oder gebärden sich wie Irre und scheinen wahnsinnig geworden zu sein. Die Abenteurer müssen nicht nur die wenigen Überlebenden beruhigen, sondern auch das Übel finden und aufhalten.

Dagegen werden die Charaktere in „Herz aus Glas“ bei einem Besuch der Stadt Übersreik gebeten, bei der Aufklärung eines Mordes an einem bekannter Wächter zu helfen. Die mysteriösen Umstände des Todes mit einem apfelgroßen Loch mitten in der Brust führen die Abenteurer zu Ermittlungen, bei denen sie in Kreise gelangen, mit denen sie vermutlich nie zu tun haben wollten. Doch hinter der Chaos-Fassade gibt es noch mehr zu entdecken.

Noch mehr im Mittelpunkt als sonst stehen die Charaktere beim „Gemetzel in Speichelfeld“. Bei einem Besuch in einem Armenhaus in den Elendsvierteln von Übersreik werden sie plötzlich im Gebäude eingeschlossen, in dem sich anscheinend eine Seuche verbreitet und nach und nach dessen Bewohner ansteckt. Von der Garde eingesperrt und von allein Seiten schwer bewacht, müssen sie schnell die Ursache finden, ehe auch sie an der Seuche sterben.

Das vorletzte Szenario „Hexenköder“ verwickelt die Figuren in der Stadt in das komplexe Geflecht von Kopfgeldjägern und ihren Jagdzielen. Eine Apothekerin bittet die Charaktere um Hilfe, da sie um einen Freund fürchtet, der magische Kräfte besitzt und das Ziel der Kopfgeldjäger zu sein scheint. Doch auch eine abtrünnige Hexenjägerin hat ihre Hände in der Geschichte im Spiel, und es wird immer schwerer zu durchschauen, wem man trauen kann.

Den Abschluss des Bandes bildet „Ein Haufen Schuldiger“, ein Szenario, welches in der Stadt Übersreik beginnt und Richtung Altdorf führt. Ein Gasthaus und die dort abfahrenden Kutschen werden immer wieder das Ziel von Sabotageakten. Der Eigentümer vermutet eine rivalisierende Kutschenlinie als Auftraggeber. Ein Ermittler heuert die Charaktere an, um die Überfälle aufzuklären. Doch verschiedene Herausforderungen erwarten sie – verbunden mit einem ganz ungewöhnlichen Ende.

Kritik – Lob und Tadel

Auch der zweite größere Abenteuerband setzt den grundsätzlich wirklich guten Eindruck der „Warhammer 4“-Veröffentlichungen fort. Vom Äußerlichen her gibt es ein übersichtliches Layout, gute Lesbarkeit und Übersicht in den Texten durch zusätzliche Textboxen, klare Überschriften, Werteboxen der Figuren oder Tabellen. Dazu finden sich wieder gute bis teils herausragende Illustrationen, viele Porträts von Nichtspielerfiguren (die für das Spiel einen guten Eindruck für die Spieler vermitteln) und im Gegensatz zu einem bekannten deutschen Rollenspiel des gleichen Verlages ausreichend Karten zur Orientierung und Übersicht.

Aber auch inhaltlich kann der Band überzeugen, ohne jedoch komplett zu überragen. Nun kann nicht jede Publikation immer auf dem höchsten Standard sein. Doch bisher zeigt sich „Warhammer 4“ durchgehend auf einem sehr hohen Niveau. Die sechs Kurzabenteuer sind spannend, abwechslungsreich, teilweise wirklich düster und die Stimmung von „Warhammer“ gut einfangend. Dazu sind die Hintergründe mal einfacher zu durchschauen und mal etwas verworrener. Auch die Antagonisten unterscheiden sich und bieten sowohl menschliche Niederungen als auch die Herausforderung düsterer Kreaturen.

Mit „Die Wahnsinnigen von Gotheim“ und „Gemetzel in Speichelfeld“ hat man zudem zwei ideale Zwischenabenteuer, die man in viele Kampagnen einbauen kann und die gut auch an allen möglichen Orten zu spielen sind, ohne viel am Hintergrund ändern zu müssen. Aber auch die anderen, etwas komplexeren Abenteuer haben den Vorteil, örtlich und zeitlich recht variabel zu sein, wenngleich das letzte Szenario anfangs mit einem gewissen festen Hintergrund spielt und das Ende klar auf die Fortsetzung durch eine bekannte Kampagne fokussiert ist. Aber selbst dies lässt sich ohne viel Aufhebens abändern. Das ermöglicht Spielleitern einerseits, alle Szenarios am Stück in einer Gegend (vor allem natürlich Übersreik, für die sie entworfen wurden) zu spielen, aber sie andererseits mit wenig Aufwand in andere Gegenden des Imperiums zu verlegen.

Lobenswert sind erneut die Ausarbeitungen der Nichtspielerfiguren. Durch die Porträts geben sie dem Spielleiter wie auch Spielern schnell eine bildliche Vorstellung, und auch die Beschreibungen geben einen guten Eindruck zu deren Auftreten und Verhalten, ohne umfangreich zu sehr in die Tiefe zu gehen und Platz zu verschwenden. Schnell nutzbar, leicht verständlich, alle notwendigen Spielwerte zur Hand – so kann man diese leicht auch noch einmal einsetzen.

Bleibt auch ein Tadel, wo sich bisher alles so gut anhört? In kleinen Abstrichen finden sich ein paar Verbesserungsmöglichkeiten. Der Zusammenhang einer Kampagne wirkt eher künstlich, da die Abenteuer doch wenig miteinander zu tun haben, außer dass sie in der gleichen Region spielen. Die einzelnen Szenarios sind durch die begrenzte Menge an Seiten natürlich eher linear mit wenigen Wendungen (was der Rezensent aber durchaus positiv sieht). Das letzte Szenario hat ein eher unbefriedigendes Ende, da es unbedingt einen Anschluss zum ersten Teil von „Der Innere Feind“ herstellen soll. Hier muss der Spielleiter eine andere Lösung finden, sofern er eben nicht mit der genannten Kampagne fortsetzt. Dazu wirken einige der Gegner, vor allem die Kreaturen, recht herausfordernd angesichts der genannten Erfahrung als Voraussetzung für das jeweilige Szenario.

Fazit: Auch dieser Abenteuerband weiß mit wenigen Abstrichen sehr zu überzeugen. Der Band ist gut gestaltet, hat schöne und für das Spiel hilfreiche Illustrationen, Beschreibungen und Karten sowie schnell und meist mit wenig Aufwand in vielen Regionen des Imperiums einsetzbare Abenteuer. Selbst Nicht-„Warhammer“ -Spieler könnten die meisten Szenarions in anderen Fantasy-Welten mit wenig Änderungsaufwand einsetzen. So bleibt erneut nahezu nur Lob und die Empfehlung zum Kauf.

Abenteuer in Übersreik
Abenteuer-Anthologie
Dave Allen, Andy Law, u.a.
Ulisses Spiele 2021
ISBN: 978-3-96331-710-1
128 S., Hardcover, deutsch
Preis: EUR 34,95

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