von KaiM
Bevor ich böse Kommentare bekomme: Es sind natürlich Leitern und keine Treppen. Das ist mir schon klar, aber sonst hätte das Wortspiel in der Einleitung nicht funktioniert. Dieses Spiel startet denkbar einfach mit einer 3D-Pyramide und ein paar Figuren, die tatsächlich nur eine einzige Aufgabe haben: das Gebäude zu erklimmen. So einfach, wie es sich anhört, ist es zunächst auch, daher geht die Altersempfehlung von acht Jahren schon in Ordnung. Theoretisch kann man das Spiel auch mit zwei bis drei Personen oder gar solo spielen, aber man merkt schon, dass es für vier entwickelt wurde. Daher würde ich dringend empfehlen, der Box mindestens im Trio zu Leibe zu rücken. Die Spielzeit von 45 Minuten ist wie immer etwas untertrieben, insbesondere, da man auch noch einen gewissen Verwaltungsaufwand hat, wie bei Legacy-Spielen üblich.
Wem diese Art Spiel bisher nicht untergekommen ist: In Legacy-Spielen verändert sich das Spielmaterial. Es kommen Regeln und weiteres Material hinzu und tatsächlich wird das Spiel auch verändert, indem Dinge beklebt, zerschnitten oder gar zerrissen werden. Zudem erlebt man zumeist eine Geschichte, die über mehrere Kapitel erzählt wird und meist einen schönen Spannungsbogen und überraschende Wendungen bereithält. Wie viele andere Spiele dieser Art, ist auch „Ziggurat“ kooperativ, wir versuchen als gemeinsam das Ziel zu erreichen und gewinnen beziehungsweise verlieren auch gemeinsam. Da ich nicht spoilern möchte, werde ich im Folgenden nur auf die Dinge eingehen, die man vor dem ersten Spiel erledigen muss. Wem auch das noch zu viel ist, der muss leider direkt zum Fazit springen.
Das Material
Wenn man die Box öffnet, findet man jede Menge Umschläge mit Regelbuch, ein paar Stanzbögen und die bereits fast zusammengebaute Pyramide. Auch im weiteren Verlauf des Spiels erweist sich das Inlay als sehr praktisch, was sich beim Auf- und Abbau sehr bezahlt macht. Die Regeln sind einfach geschrieben und die erste Partie schnell gestartet, ohne dass sich jemand lange vorher mit dem Spiel auseinandersetzen musste. Wie aus anderen Legacy-Spielen bekannt, sind im Regelbuch auch noch eine Menge Lücken, die von Kapitel zu Kapitel aufgefüllt werden.
Sehr schön ist die anfängliche „Charaktererschaffung“. Da sich jeder eine Figur aussucht und ihr einen Namen gibt, identifizieren sich die Spielenden direkt mit den Personen und der Handlung. Da hilft die schöne Gestaltung natürlich zusätzlich. Die Spielfiguren hingegen erinnern spontan an Spiele, die vor längerer Zeit auf den Markt gekommen sind (um es vorsichtig auszudrücken). Auch sonst sind sie hin und wieder ein Ärgernis, da sie gerne mal die Stufen der Pyramide hinunter purzeln. Die Karten in meinem Exemplar waren leider ein wenig in Mitleidenschaft gezogen und einige hatten Druckstellen und kleine Knicke. Da wir mit dem Spielen nicht warten konnten oder wollten, haben wir darüber hinweggesehen und es war am Ende des Tages auch wirklich kein Problem. Natürlich waren wir zunächst etwas verärgert, aber mit Sicherheit hätte Schmidt hier auf Anfrage hin Abhilfe geschaffen.
Der Spielablauf und das Spielgefühl
Der Spielablauf ist denkbar einfach. Alle haben immer eine Karte, die ausgespielt werden muss, wenn man dran ist. Ziel des Spiels ist es, auf der Spitze der Ziggurat anzukommen. Es endet, wenn das entweder alle geschafft haben und die Partie gewonnen wurde oder alle gemeinsam verlieren. Denn kleine Elementargeister wandeln ebenfalls auf der Ziggurat umher und verbrennen uns bei Kontakt, was natürlich kein gutes Ende nehmen kann. Auf jeder Karte sind Aktionen, die einerseits unsere Charaktere, aber eben auch die Geister bewegen. Da alle immer nur eine Karte haben, besteht die Herausforderung also darin, sich gut über die gemeinsamen Ziele abzustimmen und die Aktionen möglichst sinnvoll einzusetzen. Alle haben dabei eine andere Perspektive auf die Ziggurat, die durch den 3D-Aufbau verhindert, dass man alles sehen kann. Ob dies als Spielelement so gewollt war, sei dahingestellt, wir empfanden das stellenweise aber als ein wenig lästig.
Aber alles in allem haben wir mit unseren Karten immer etwas zu diskutieren gehabt und es wurde nie langweilig. Die Partien sind kurzweilig und es gibt keinen Ballast durch unnötig komplexe neue Regeln. Auch später, so viel sei verraten, sind die zusätzlichen Regeln so einfach gewählt, dass man den Familienspielsektor eigentlich nie verlässt. Aber trotzdem bringt jeder Umschlag genug mit sich, um das Spiel interessant zu halten. Zudem kann eine voreilige Entscheidung auch schnell dazu führen, dass eine Partie verloren geht, es ist also zwingend erforderlich, dass alle die Gefahren des Spielbretts im Blick haben, was zu spannenden Situationen mit am Ende knappen Siegen oder Niederlagen führt.
Ein Faktor, den ich persönlich zu Beginn vollkommen unterschätzt hatte, der aber einen großen Einfluss auf unser Spiel hatte, waren Errungenschaften. Durch besonders waghalsige Aktionen, wie dem Sprung über einen Elementargeist, oder auch einfach durch Glück oder Pech werden Titel verliehen, die man sich auf den Charakterbogen kleben kann. Es war erstaunlich, wie stark insbesondere die Jüngeren unter uns von diesen Anreizen beeinflusst wurden. Auf jeden Fall haben diese Ablenkungen die Diskussionen am Tisch belebt und dafür gesorgt, dass trotz aller Kooperation und dem großen Ziel vor Augen, auch immer eine gewisse Konkurrenz zu spüren war. Umso erstaunlicher, da diese Titel wirklich keinerlei Einfluss auf die Spielregeln haben. Insgesamt waren wir alle überrascht, mit welchen einfachen Mitteln hier ein immersives und schönes Familienspielerlebnis geschaffen wurde.
Fazit: Erstaunlich einfach, aber trotzdem fesselnd und spannend. Die Kommunikation am Tisch bestimmt den Spaß, zu dem alle etwas beitragen können. Ein Familienspiel, perfekt für Urlaube, Ferien und schlechtes Wetter.
Ziggurat
Brettspiel für 2 bis 4 Spieler ab 8 Jahren
Matt Leacock, Rob Daviau
Schmidt Spiele 2025
EAN: 4001504494575
Sprache: Deutsch
Preis: 49,99 EUR
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