Warhammer 40.000 – Wrath & Glory Starterset

Das erfolgreiche Tabletop-Franchise „Warhammer 40.000“ erfährt mit „Wrath & Glory“ die nächste Inkarnation als Rollenspiel. Ein neuer Lizenznehmer, Ulisses Spiele, will für frischen Wind in der finsteren Zukunft des 41. Jahrtausends sorgen. Mit dem Starterset liegt nun eine Einsteigerbox in deutscher Version vor.

von André Frenzer

Der ehemalige Lizenznehmer, Fantasy Flight Games, veröffentlichte seine „Warhammer 40.000“-Rollenspiele in getrennten Modulen. Jedem Spiel lag ein ähnlicher Regelkern zugrunde, der jedoch je nach dargestellter Fraktion leicht abgewandelt wurde. So wurden in „Dark Heresy“ Akolythen der Inquisition spielbar gemacht, während „Only War“ imperiale Soldaten an der Front darstellen wollte. „Wrath & Glory“ will hier andere Wege beschreiten und die doch recht unterschiedlichen, spielbaren Charaktere – vom Imperialen Soldaten bis zum Space Marine – entsprechend ausbalancieren. Mit dem „Starterset“ liegt nun eine gute Gelegenheit vor, sich einen ersten Überblick über die neue Spielbalance zu verschaffen.

Die Starterbox enthält eine ansehnliche Fülle unterschiedlichen Spielmaterials. Enthalten sind ein 72-seitiges Einstiegsregelheft, ein 36-seitiges Abenteuerheft sowie sechs vierseitige Charakterbögen mit vorgefertigten Charakteren. Außerdem gibt es doppelseitig bedruckte Battlemaps und in der physischen Variante Spezialwürfel und Marker, um die Kämpfe plastischer darzustellen. In der mir zu Rezensionszwecken vorliegenden PDF-Versionen fehlen natürlich entsprechend die Würfel und Marker.

Das Einstiegsregelheft

Das Setting von „Wrath & Glory“ ist – analog zu dem „Warhammer 40.000“-Tabletop – fortgeschrieben worden. Mittlerweile teilt ein Warpriss das Imperium in zwei Hälften. Auf der von Terra abgewandten Seite, dem sogenannten „Dunklen Imperium“, kämpfen die Überreste der imperialen Obrigkeit darum, Kontakt zu Terra herzustellen und die Ordnung aufrechtzuerhalten. Diese besondere Konstellation erklärt auch hintergrundgetreu, warum sich nun Spielgruppen mit recht unterschiedlichen Charakteren zusammentun können und ein Space Marine Seite an Seite mit einem Ekklesiarchie-Priester und einer imperialen Kommissarin in den Kampf zieht.

Auch regelseitig hat sich einiges getan. Das ursprüngliche Prozentsystem, das die Vorgängerversionen verwendeten, wurde über Bord geworfen. „Wrath & Glory“ setzt stattdessen auf ein Pool-System und sechsseitige Würfel. Wie so oft verfügen Charaktere über körperliche und geistige Attribute sowie eine Reihe von Fertigkeiten, deren Kombination den Würfelpool bestimmt. Wurfergebnisse von vier oder mehr gelten als Erfolg und die Anzahl gesammelter Erfolge bestimmt den Ausgang einer Probe. Überschüssige Erfolge können in zusätzliche Positiv-Effekte umgewandelt werden. Eine kleine Besonderheit ist der andersfarbige Zornwürfel, der – sofern er beim Wurf ein Ergebnis von sechs zeigt – weitere Effekte auslösen kann.

„Wrath & Glory“ wäre wohl kein „Warhammer“-Rollenspiel, wenn es nicht ein besonderes Augenmerk auf den Kampf legen würde. Kein Wunder also, dass das Kapitel mit Kampfregeln ordentlich viel Platz in Anspruch nimmt. Hier wurde viel Wert auf Details gelegt und es gibt zahllose Kampfaktionen, mit denen dem Gegner mehr oder minder beeindruckend der Garaus gemacht werden kann. Auch die Nähe zum Tabletop wird hier deutlich, denn ein Einsatz von Battlemap und Markern bietet sich unbedingt an, will man die unterschiedlichen Optionen ausreichend nutzen. Sogar eine Abweichungsschablone für fehlgeworfene Granaten gibt es, die ohne Battlemap schon sehr viel Abstraktionsvermögen von den Spielenden abverlangt. Trotz der Detailfülle wird hin und wieder auf das eigentliche Grundregelwerk verwiesen, welches offensichtlich noch weitere Kampfoptionen beinhaltet.

Leider gibt es keine verkürzten Regeln zur Charaktererschaffung, sodass Spieler mit den sechs vorgefertigten Charakteren vorliebnehmen müssen. Die Bandbreite ist dafür gut gelungen. Durch die sehr verschiedenen Charaktere werden gleich noch einige weitere Sonderfertigkeiten eingeführt, die das Spiel ergänzen. Abgerundet wird das Einstiegsregelheft durch die Spielwerte einiger typischer Gegner.

Das Abenteuerheft

Das Abenteuerheft enthält das Abenteuer „Flucht vom Brokkn“. Hier wird das Raumschiff der Charaktere von Ork-Piraten geentert und zu einem Raumschifffriedhof verschleppt, den es nun zu verlassen gilt. „Flucht vom Brokkn“ ist leider kaum mehr als ein Übungsszenario für die unterschiedlichen Kampfregeln. Zwar finden sich in dem Raumschifffriedhof einige interessante Schauplätze in Form niedergegangener imperialer Schiffe wieder; auch geben sich die Autoren redlich Mühe, unterschiedliche Optionen für den Verlauf des Abenteuers anzubieten. Schlussendlich läuft es jedoch darauf hinaus, verschiedenen Orkbossen und ihren Boyz den Schädel einzuschlagen, um eine Flucht zu ermöglichen. Für ein Einstiegsabenteuer mag das in Ordnung sein, jedoch bietet der vielschichtige „Warhammer 40.000“-Hintergrund in meinen Augen schlicht deutlich mehr Optionen für Abenteuer. Gerade settingseitig lernen neue Spieler hier eher wenig kennen, und damit verschenkt „Flucht vom Brokkn“ eine große Chance.

Aufmachung

Beide Hefte und auch die doppelseitigen Charakterbögen sind vollfarbig und reich illustriert. Im Vergleich zu den Vorgängerversionen hat man sich bei Ulisses für ein etwas weniger verspieltes Design entschieden; vor allem die breiten Zierrahmen an den Rändern der einzelnen Seiten sind verschwunden.

Die verwendeten Illustrationen sind allesamt auf einem ordentlichen Niveau. Leider unterscheiden sie sich jedoch in Stil und Details von den gewohnten „Warhammer 40.000“-Illustrationen. Es sind oft nur Nuancen, die hier den Unterschied machen; Kenner des Settings und der opulenten Bildgewalt, mit der Games Workshop ihre Spiele zu präsentieren pflegt, werden hier jedoch von mancher Illustration enttäuscht sein.

Kritik

Letzten Endes lässt mich das „Starterset“ ein wenig zwiespältig zurück. Zum einen bietet es reichlich Material, um einen guten Eindruck von „Wrath & Glory“ zu erhalten. Insbesondere das schon recht umfangreiche Einstiegsregelheft zeigt gut auf, wie das Spiel funktioniert. Auf der anderen Seite bietet das „Starterset“ aber eben nicht genug Material, um deutlich mehr damit anzustellen. Ohne Charaktergenerierungsregeln und ohne weiterführende Setting-Informationen ist es ein teurer Schnupperkurs mit einem einzelnen, in meinen Augen eher weniger gelungenen, Abenteuer.

Auch regelseitig spricht mich das System kaum an. Zwar kann ich Poolsystemen durchaus etwas abgewinnen, und vor allem stellt es eine elegante Möglichkeit dar, um die unterschiedlichen Kräfteverhältnisse zwischen den Charakteren etwas gerade zu rücken. Allerdings sind die erschlagende Optionsvielfalt und die komplexe Ergebnisermittlung in meinen Augen zu viel des Guten. Taktiker und Regelliebhaber kommen hier allerdings natürlich voll auf ihre Kosten.

Fazit: „Wrath & Glory“ bietet ein komplexes Regelwerk mit einem Schwerpunkt auf den Kampf. Wer einen Eindruck davon erhalten möchte, ohne gleich ins Grundregelwerk zu investieren, erhält hier einen guten Einstieg in die Kernregeln. Als „Starterset“ erscheint mir das „Starterset“ jedoch zu dünn – ohne Charaktergenerierung und ohne Settinginformationen ist der Wieder- oder Weiterspielwert des Sets einfach zu gering.

Wrath & Glory Starterset
Regelwerk
Ross Watson, Owen Barnes u. a.
Ulisses Spiele 2019
ISBN: 978-3963311499
72 S. und 36 S., Softcover, deutsch
Preis: EUR 39,95

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