Schattenjäger – Grundregeln

In „Schattenjäger“, dem „Warhammer 40.000“-Rollenspiel basierend auf dem Hintergrund des Tabletop-Spiels von Games Workshop, übernehmen die Spieler die Rollen von Akolythen im Dienste der Inquisition. Ihre Aufgabe ist es, den geheimnisumwitterten Calixis-Sektor vor der Verderbtheit der Ketzerei, dem Einfluss bösartiger Xenos und chaosverseuchten Mutanten zu bewahren. Für wirkliche Heldentaten ist an diesem Ort kein Platz. Man opfert sich selbst oder man wird geopfert.

von Dominik Cenia

Der Hintergrund

Lange Jahre war es nur ein Gerücht. „Warhammer 40.000“ tatsächlich als Rollenspiel? Kaum vorstellbar, da sich das „40.000“-Universum vor allem durch seine schier endlose Größe auszeichnet und ein einzelnes Leben darin mehr als unbedeutend erscheint. Wie also dieses Problem lösen? Ganz einfach: Man beschränkt die Aktivitäten der Spieler auf einen einzelnen Sektor und gibt ihnen eine klare und vorher fest definierte Aufgabe: Dienst in der Inquisition des Imperiums!

Das „Schattenjäger“-Rollenspiel beschränkt sich also nur auf einen einzigen Sektor. Doch natürlich kann man mit etwas Fingerspitzengefühl und einigen Veränderungen durchaus das Spiel auch auf eine andere beliebige Welt innerhalb des Imperiums verfrachten. Doch bleibt dabei dann natürlich das überaus umfangreiche Hintergrundmaterial zum Calixis-Sektor auf der Strecke. Aber auch dieser Teil der Galaxis bietet mit Dutzenden von Welten wohl mehr als genug Schauplätze für viele abwechslungsreiche Abenteuer und Ideen. Und die Prophezeiung um einen „Tyrannenstern“ sollte außerdem mehr als genug Zündstoff für einen sektorweiten, umfassenden Metaplot bieten.

Der nächste Punkt ist die Frage nach den Spielercharakteren. Was kann man im Universum von „Warhammer 40.000“ spielen? Soldaten der Imperialen Armee? Zu geringe Lebenserwartung. Space Marines? Das wäre so, als ob man bei „D&D“ sofort mit einem Level-20-Charakter anfangen würde. Vielleicht Eldar oder Tau? Zu fremdartig für einen Einstieg in ein völlig neues Rollenspiel. Was also tun? Doch genau dieses Problem wurde bei „Schattenjäger“ durch einen recht geschickten Schachzug gelöst. Die Spieler übernehmen die Rolle von Akolythen der Inquisition. Freie Ermittler, die mal verdeckt und mal ganz offen im Auftrag ihres Inquisitors versuchen, den Calaxis-Sektor vor allerlei Gesindel zu säubern. Die Auswahl der Charaktere reicht dabei vom verstaubten Adepten des Administratums bis hin zum Arbitrator, Psioniker oder Techpriester des Maschinenkultes. Innerhalb einjeder Karriere gibt es dabei verschiedene Ränge, die wiederum Wahlmöglichkeiten bei der Ausrichtung des Charakters bieten. So kann sich etwa ein Adept im Laufe seiner Karriere noch besser in den Verwaltungsapparat des Administratums einarbeiten oder lieber als Logister auf rein taktischer Ebene groß angelegte Schlachten und Feldzüge beraten. Ein eiskalter logischer Geist, dessen Entscheidungen wie ein Skalpell wirken können.

Die Regeln

Das „Schattenjäger“-Rollenspiel basiert auf dem gleichen Regelgerüst, wie schon die zweite Edition des „Warhammer Fantasy“-Rollenspiels. Es kommt ausschließlich der W10 zum Einsatz. Bei den meisten Fertigkeitsproben kommt der W100 beziehungsweise W% ins Spiel. Der jeweilige Fertigkeitswert muss unterwürfelt werden, wobei es je nach Umstände und Schwierigkeit noch einen Malus oder Bonus gibt. Der Schaden von Schuss- und Nahkampfwaffen wird ausschließlich über den W10 abgewickelt. Fast alle Waffen haben also 1W10 als Grundschaden, wobei ein gewisser Bonus, Waffeneigenschaften oder andere Besonderheiten diesen Schaden noch weiter modifizieren können.

Grundlegend besteht jeder „Schattenjäger“-Charakter aus einer Reihe von Werten (Kampfgeschick, Ballistische Fertigkeit, Stärke, Widerstand, Gewandtheit, Intelligenz, Wahrnehmung, Willenskraft und Charisma), Grund- und Ausbaufertigkeiten und Talenten. Während die Grundwerte definieren, wie schnell, stark oder intelligent ein Charakter ist, definieren die Grund- und Ausbaufertigkeiten etwa, mit welchen Waffen er umgehen kann, welche technischen Geräte er beherrscht oder ob er ein guter Redner und Ermittler ist. Talente dagegen sind so etwas wie die „Feats“ aus „D&D“. Sie unterstützen sowohl die Grundwerte als auch die Fertigkeiten oder geben einem Charakter ganz außergewöhnliche neue Fähigkeiten wie Furchtlosigkeit, unerschüttlicher Glaube, verstörende Stimme usw.

Anhand des gewählten Karrierepfades eines Charakters und seiner gewonnenen Erfahrungspunkte, lassen sich im Spielverlauf all diese Werte entsprechend verbessern oder neu erlernen. Hinzu gewinnen Akolythen mit zusätzlicher Erfahrung mehr Befugnisse innerhalb der Inquisition, erhalten zusätzliche Geldmittel oder Zugriff auf bessere Ausrüstung.

Was für Fantasy-Rollenspiele die Magie ist, ist für Science-Fiction-Rollenspiele selbstverständlich die Psi-Kraft. Ähnlich wie schon im „Warhammer Fantasy“-Rollenspiel ist aber deren Einsatz eine recht gefährliche Sache. Während mal in der Alten Welt noch den Verlockungen des Chaos erliegen konnte, drohen in „Schattenjäger“ jedem Psioniker Gefahren aus dem Warp, eine unberechenbare Sphäre zwischen den Welten. Daher sind Psi-Kräfte zu Beginn des Spiels eher harmlose kleine Zaubereffekte. Überlebt ein Psioniker jedoch diese erste Phase seines Daseins, hat er gute Chancen eine der überaus mächtigen Psi-Disziplinen (Biomantie, Prophetie, Pyromantie, Telekinese, Telepathie) zu erlernen.

Das Kampfsystem von „Schattenjäger“ zeichnet sich, wie schon beim „Warhammer Fantasy“-Rollenspiel, durch einen bestimmten Grad der Abstraktion und Vereinfachung aus. Gewisse Annäherungen an das Tabletop-Spiel sind dabei auch nicht ganz zu leugnen, aber soweit gut getarnt. Das Kampfsystem unterstützt die Verwendung von taktischen Spielplänen (Battlemat, Flip-Mat), gibt aber alle Reichweiten und Längen auch in Metern und nicht nur in „Kästchen“ an. Das Kampfsystem von „Schattenjäger“ ist schnell und brutal. Großkalibrige Schusswaffen sind wirklich tödlich und eine Reihe von umfangreichen Tabellen für kritische Treffer sorgen für reichlich Blutvergießen. Spielercharaktere haben den Vorteil, dass sie mit Hilfe von Schicksalspunkten den ein oder anderen Würfelwurf wiederholen oder sogar dem Tod selbst umgehen können. Gerade die Schicksalspunkte unterscheiden die Akolythen vom Rest des Calixis-Sektors. Und allen Spielern sei geraten, sehr gut auf eine kostbare kleine Menge an Schicksalspunkten aufzupassen.

Regeländerungen gegenüber dem „Warhammer Fantasy“-Rollenspiel

Trotz identischer Grundregeln, bietet „Schattenjäger“ einige auffällige Änderungen gegenüber den Spielregeln des „Warhammer Fantasy“-Rollenspiels. So gibt es kein Sekundärprofil mehr. Dies läuft jetzt immer direkt über die Zehnerstelle der Grundwerte. Im Prinzip fast nur eine kosmetische aber durchaus sinnvolle Veränderung. Der „kritische Wert“ bei kritischen Treffern und Verletzungen addiert sich jetzt immer auf. Auch können Charaktere in „Schattenjäger“ sehr viel schneller schwere Verletzungen ansammeln und über ein neues System von Erschöpfungsstufen zusätzliche Belastung erleiden. Schicksalspunkte regenerieren sich nun auch langsamer.

Im Gegenzug sind viele Talente deutlich machtvoller und stärker geworden. Schusswaffen kann man ausweichen (sonst hat man wohl gar keine Chance), und die Tabellen mit Schuss- und Nahkampfwaffen wurden deutlich überarbeitet.

Im Gegensatz zum „Warhammer Fantasy“-Rollenspiel gibt es bei „Schattenjäger“ natürlich auch deutlich mehr Ausrüstung und Spielereien aller Art. Unterschiedliche Munition, zahlreiche Granaten, Energiewaffen, Bolter und Panzerungen, bionische Prothesen und Transplantate geben über kurz oder lang ein jedem Charakter ein extrem düsteres Aussehen.

Das Spiel

Die Welt von „Schattenjäger“ ist ein düsteres und finsteres Gebilde. Eine mittelalterlich anmutende Science-Fiction-Welt mit gigantomanischen Städten, Raumschiffen und Weltraumgrüften. Eine Welt, in der es nur wenige wirklich strahlende Helden gibt und alle Dinge einen maschinenhaften Beigeschmack haben. Alles wirkt irgendwie fatalistisch, abergläubisch und erdrückend. Und das ist wohlgemerkt nur jene Seite, für die die Charaktere während all ihrer Abenteuer ihr Leben aufs Spiel setzen. Auf der anderen Seite stehen die Ketzer, Mutanten, Dämonen und Xenos. All jene Bedrohungen, denen sich die Spieler in ihrer Rolle als Akolythen stellen müssen.

„Schattenjäger“ ist damit vor allem ein düsteres Rollenspiel. Und mit Sicherheit ist die finstere Welt des 41. Jahrtausends auch nicht ganz so leicht darzustellen. Egal ob Makropolwelten, Urzeitwelten, Bergbau- oder Fabrikwelten oder riesige xenosverseuchte Raumschiffe (Space Hulks). Alles ist von einer gewissen, schwer zu greifenden Größe erfüllt. Doch macht genau dies so sehr den Reiz des „40.000“-Universums aus.

Das Buch

Hardcover, 429 Seiten, Vollfarbe. Dies sind die Fakten von „Schattenjäger“. Das Buch verfügt über ein überaus gelungenes Layout mit massiven Textenblöcken, tollen Illustrationen, zahlreichen Tabellen und Listen und vielen übersichtlichen Diagrammen. Gut die Hälfte des Buches enthält die Spielregeln, die andere Hälfte wird von den Hintergrundinformationen über die Inquisition und den Calixis-Sektor eingenommen. Gerade der Teil mit den Hintergrundinformationen ist sehr gut gelungen und lässt das Herz von so manchen „Warhammer 40.000“-Fans höher schlagen. Nicht nur für Rollenspieler, sondern auch für Tabletop-Spieler durchaus lesenswert.

Es gibt ein paar Rechtschreibfehler, einige inkonsequente Bezeichnungen für ein und den selben Begriff und ein paar falsche oder fehlende Querverweise zu einzelnen Tabellen. Alles Kleinigkeiten, die sich aber auf dem üblichen „Fehlerniveau“ der heutigen Rollenspielpublikationen befinden und angesichts des Gesamtumfangs des Buchs durchaus zu verschmerzen sind.

Mit dem beigefügten Abenteuer „Erleuchtung“ kann man auch sofort losspielen. Und auch wenn das Abenteuer einen recht ordentlichen Eindruck macht, so empfinde ich die barbarische Agrarwelt Iocanthus für ein erstes Einstiegsabenteuer schon fast als zu ungewöhnlich.

Fazit:
„Schattenjäger“ ist eine großartige und detailverliebte Umsetzung des „Warhammer 40.000“-Universums. Das Regelwerk wurde gegenüber dem „Warhammer Fantasy“-Rollenspiel auf sinnvolle Weise vereinfacht und verbessert. Und das Buch selbst ist ein umfangreiches Nachschlagewerk, dessen Informationsfülle fast schon erschlagend wirkt. Insgesamt mit Sicherheit kein Rollenspiel zum schnellen und sofortigen Losspielen, durchaus aber ein Spiel, in das sich die Einarbeitungszeit lohnt.


Schattenjäger – Grundregeln
Rollenspiel-Grundregelwerk
Owen Barnes, Kate Flack, Mike Mason
Feder&Schwert 2008
ISBN: 978-3-86762-036-9
429 S., Hardcover, deutsch
Preis: EUR 49,95

bei amazon.de bestellen