Vagant 2: Arglist

„Manchmal muss ein Mädchen tun, was einem der Vater verbietet.“ So mutet die vage Idee des Vaganten-Sprösslings an. Klau das Schwert deines Vaters, nimm eine Mission an, für die du nicht geeignet bist, und rette dann irgendwie die Welt. – Solange eine Ziege dabei ist, wird’s schon klappen.

von Lars Jeske

Der zweite Teil der „Vagant“-Trilogie setzt über eine Dekade nach dem Ende der Geschichte des ersten Bandes ein. Das Verbindende ist nach der Eingangssequenz neben der gleichen Welt das kleine Mädchen aus dem ersten Band. Vesper ist nun nicht nur größer und abenteuerlustig geworden, sondern ist es auch leid, ein langweiliges Leben zu führen, wie es ihr Vater und Onkel Harm bevorzugen zu leben. Sie will in die große weite Welt hinaus, um all die Wunder und Orte zu sehen, die ihr bislang nur aus den Geschichten bekannt sind.

Also kommt es, wie es kommen muss, als sie eines Tages von den Geräuschen des Schwertes angelockt wird und „die Arglist“ erstmalig erblickt, jenes sagenumwobene Schwert, welches selbst dem Usurpator Respekt abgerungen hat. Auch nach all der Zeit, nachdem dessen erste rechtmäßige Trägerin, die Seraphritterin Gamma als glorreiche Ikone und eine der Sieben am Bruch scheiterte, kann dieses noch den Untergang der Brut bewirken. – Von alledem weiß Vesper selbstverständlich nichts und will im Prinzip nur ihre Neugier befriedigen und dabei sogar Gutes tun, während sie mit einer kleinen Lüge die nachfolgende Romanhandlung in Bewegung setzt.

Gut gemeint ist dabei das Gegenteil von gut gemacht. Um ihrem Vater nicht erneut die Bürde aufzwingen zu lassen, als Held in die Welt zu ziehen, was dieser offensichtlich ebenso wenig will, wie es invers dazu ihr persönliches Drängen ist, schnappt sie sich einiges Tages das Schwert. Nur um einmal kurz zu sehen, wie es so ist und sich anfühlt. Als ihr dann ein kleines Ziegenböckchen folgt, ist quasi die Reisegesellschaft komplett und die drängende Queste von Genner ihr herzlich willkommen.

Der Band „Arglist“ von Peter Newman als zweiter Roman der Vagant-Trilogie greift (leider) das gängige Klischee auf und präsentiert eine Story nach Schema F. Die junge, ahnungslose Protagonistin verwickelt sich unwissend in das Weltgeschehen und muss an der Erfahrung wachsen, dass nur sie es sein können wird, die das anstehende Unheil, welches über die Welt hereinbrechen wird beziehungsweise bereits ist, verhindern kann. Ich hätte mir lieber gewünscht, dass der interessantere Charakter des Vaganten ein weiteres Mal eine Mission annimmt, die ihn dazu veranlasst, trotz Widerwillen das Richtige zu tun oder an diesem Dienst an der Allgemeinheit zu scheitern.

Stattdessen ist es nunmehr seine Tochter, die sich all den Abenteuern stellen darf, welche sie schon immer gern gehört hat und nun endlich selbst erlebt. Doch gleich zu Beginn läuft die einfache Reise auf der Mission „Reise zum Bruch und versiegele ihn“ schief. Kein Wunder, hat Vesper doch gar keine Kontrolle oder Kommunikationsmöglichkeit mit dem geflügelten, magischen Schwert. Hat man sich erst einmal von dieser Enttäuschung der „falschen Protagonistin“ erholt und akzeptiert, dass der Titel der Trilogie (der auch im britischen Original „Vagant“ lautet) eher eine Gesinnung, als eine konkrete Person betrifft, kann man jedoch gut in die Story eintauchen.

Wenngleich der Roman etwas an Intensität nachsteht, kann man „Arglist“ ebenso wie das Debüt als abgeschlossenes Werk sehen. Mit den Vorkenntnissen aus „Vagant“ werden jedoch dem Leser gegenüber absichtlich vorenthaltene Informationslücken endlich gestopft und es entwickelt sich ein vollständiges Bild, da die offenen Fragen des ersten Bandes geklärt werden. Denn parallel zu den Abenteuern von Vesper wird erneut in Einschüben mehr über die Entstehung der heutigen Verhältnisse offenbart. Was bisher nur angedeutet war oder komplett ausgespart, erfährt in der zusammengefassten Lebensgeschichte der Mechanikerin Massassi endlich faktische Untermauerung.

Neben dieser erzählstrukturtechnischen Äquivalenz, hat der Autor ebenso inhaltlich einiges für Leser des ersten Romans vorbereitet. Ebenso sind Ziege, Schwert und Verbündete bereits auf dem Cover deutlich, welches erneut perfekt zum Roman passt. Ohne großartig zu spoilern, ist das Abenteuer von Vesper eine Reise rückwärts, bezogen auf den ersten Band. Einige Orte haben sich zwar im Laufe der Zeit veränderte, jedoch gibt es, eher für den Leser als der Protagonistin, da diese damals noch zu klein war, auch ein Wiedersehen mit bekannten Charakteren. Aber zum Glück sind die Beschreibungen nicht bloße Wiederholungen aus dem ersten Band, schließlich fanden auch dort Entwicklungen in der verstrichenen Zeit statt.

All dies trägt neben den 2,5 weiblichen Hauptpersonen diesen Roman und eben auch an den Ziegen-Sidekick wurde gedacht. Kurzweilige 500 Seiten für zwischendurch, die eine beinahe glaubwürdige Geschichte verewigen. Zusätzliche Spannung kommt durch die aufstrebenden Nachfolger des Usurpators auf, die illustre Namen wie das Rückwärtige Kind, Gossengesicht, Nietnagel oder Lord Todesläufer tragen. All diesen Existenzen ist es gemein, dass sie bereits so viel der Essenz beherbergen und kontrollieren, dass sie sich bereit sehen, die Führung in dieser neu geschaffenen Welt zu übernehmen. So entsteht im wahrsten Sinne des Wortes ein Wettlauf, von dem Vesper noch nicht einmal etwas ahnt.

Erneut wird der Roman von einem omnipräsenten und allwissenden Erzähler vorgetragen. Jedoch etwas weniger mit Wortbildern agierend, was dem Roman zu Gute kommt. Dass ein Navigationsgerät trotz monatelanger Benutzung nie aufgeladen werden muss oder die Protagonistin diese charakterlich starke Entwicklung durchmacht, kann man gern in den Fantasyteil des Romans einordnen und stört nicht extrem. Auf die technologische Vorgeschichte der Welt wird in der Haupthandlung nur marginal eingegangen, da es fokussiert um die Herausforderung für Vesper und Duett geht und jene im Gegensatz zum ersten Band nun keine großartige Relevanz für die Story per se hat.

Fazit: Der Titel der Romanreihe „Vagant“ ist leider nicht Programm. Dennoch ist „Arglist“ ein kurzweiliger klassischer Fantasy-Roman (unerfahrene Protagonistin hat die Aufgabe, die Welt zu retten) mit geringen technologischen Mitteln, die die Überbleibsel einer anderen Epoche sind. Die beiden starken weiblichen Hauptfiguren harmonieren sehr gut und schaffen es die Erzählung glaubhaft werden zu lassen. Hineininterpretieren kann man gut die Lehren, wie sich das Verhalten ändert, wenn das wohlbehütete Leben auf die knallharte Realität trifft und Entscheidungen anstehen, die den eigenen Charakter formen. Die gebührende Reflexion des Lesers kann folgen. Der Stil der Übersetzung ist gelungen und es bestand eine lektorale Betreuung, wodurch sich das Buch auch schnell wegliest und einem mit einem guten Gefühl entlässt. Kein Must Have, aber definitiv ein Nice To Read.

Vagant 2: Arglist
Fantasy-Roman
Peter Newman
Cross Cult 2018
ISBN: 978-3-95981-497-3
520 S., Paperback, deutsch
Preis: EUR 16,00

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