von André Frenzer

Die Bezeichnung „klassisches Szenario“ gilt dabei natürlich nur für die lange Geschichte, die „Ultima Ratio“ bereits auf dem Buckel hat. Denn inhaltlich ist das Szenario alles andere als gewöhnlich. Aber der Reihe nach.

„Ultima Ratio“ ist eine „echte“ Fan-Veröffentlichung. Autor Carsten Pohl schrieb dieses Szenario auf Anregung eines Kurzabenteuerwettbewerbs hin. Zwar wurde es nicht im Rahmen des Wettbewerbs eingereicht, doch die Frage, wie viel Handlung sich in gerade mal einer Stunde Spiel unterbringen ließe, blieb. So entstand „Ultima Ratio“, das in der Folge mehrere Dutzend Testspiele mit unterschiedlichsten Gruppen überstehen musste, bevor es erstmals in der Fan-Zeitschrift „Cthulhus Ruf“ veröffentlicht wurde. Nachdem „Cthulhus Ruf“ eingestellt war und das Material in der deutschen Lovecraft-Gesellschaft aufging, wurde auch „Ultima Ratio“ ein weiteres Mal aufgelegt, dieses Mal im Rahmen des neuen Magazins „Lovecrafter“. Die „FHTAGN“-Redaktion hatte hier bereits ihre Tentakel im Spiel und das Spiel wurde auf das hauseigene System umgeschrieben. Nun also wird „Ultima Ratio“ ein drittes Mal publiziert, dieses Mal als eigenständiges Werk und komplett neu layoutet und mit neuem Kartenmaterial versehen.

Worum aber geht es nun eigentlich genau? Dies ist ohne Spoiler kaum zu erklären, weswegen ich Spielern dringend anrate, den weiteren Text zu überspringen. „Ultima Ratio“ ist als One-Shot für drei vorgefertigte Charaktere angelegt. Als Hintergrund dient der tragische Absturz des Luftschiffs Hindenburg, der hier einen cthuloiden Hintergrund erhält. Denn an Bord des Zeppelins befindet sich eine Geheimwaffe der Thule-Gesellschaft, die es unbedingt auszuschalten gilt. Neben dem geschickt gewählten Hintergrund ist es vor allem die Handlungsführung, die „Ultima Ratio“ zu etwas Besonderem macht.

Denn die Spieler, oder eher die Charaktere, erwachen orientierungslos und mit einem saftigen Blackout in einer Umgebung, die sie nicht zuordnen können. Dann entdecken sie eine Bombe, die in nicht einmal einer Stunde explodieren wird. Sie entschärfen das tödliche Utensil, nur um in den nächsten Ärger zu geraten: Kultisten der Thule-Gesellschaft werden auf die drei aufmerksam. Sie entdecken die Geheimwaffe der Gesellschaft – einen an Bord geschmuggelten Shoggothen. Während der Ermittlungen erhalten die Charaktere immer wieder Flashbacks – bis ihnen gewahr wird, dass sie selbst die Bombe vom Beginn des Szenarios gelegt haben, um die Thule-Gesellschaft aufzuhalten. Während der Zeppelin zum Landeanflug ansetzt, muss die Gruppe eine bittere Entscheidung treffen …

„Ultima Ratio“ ist kurz, knackig und absolut dramatisch. Der Autor empfiehlt dringend den Einsatz von „Props“, um das Spielerlebnis noch zu intensivieren. Doch auch ohne den Einsatz von haptischen Elementen spielt die Handlung gnadenlos mit den Gefühlen der Spieler. So entstehen eine absolut einmalige Atmosphäre und ein enormer Druck auf die Spieler. Wer sich auch nur ein wenig mit dem Gedanken an einen kurzen One-Shot anfreunden kann, der sollte hier unbedingt zugreifen. In der nun veröffentlichten dritten Inkarnation des Szenarios finden sich auch viele hilfreiche Karten und Querschnitte des Zeppelins ebenso wieder wie wirklich wunderschön gemachte Charakterbögen. Ich möchte soweit gehen, die dritte Auflage als „ultimative“ Edition zu bezeichnen.

Fazit: „Ultima Ratio“ ist ein genialer One-Shot, der in keiner cthuloiden Sammlung fehlen sollte. Wer bereits eine der Vorgänger-Editionen besitzt, wird hier inhaltlich nicht viel Neues finden – doch alleine die tollen Charakterbögen und Karten (die im Übrigen auch einzeln als pay-what-you-want erhältlich sind) sind einen Blick wert. Empfehlenswert.

Ultima Ratio
Abenteuerband
Casten Pohl, Volker Rattel u. a.
Deutsche Lovecraft Gesellschaft 2020
ISBN: na .a.
24 S., PDF, deutsch
Preis: $ 4,80

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