Théahs Nationen – Der Westen

„Théahs Nationen – Der Westen“ ist das erste von zwei Quellenbüchern, die sich mit der Welt von „7te See“ (zweite Edition) auseinandersetzen. In einem vollfarbigen, 200 Seiten starken Hardcover findet der Leser ausführliche Beschreibungen über vier der wichtigen Länder von Théah.

von Amel

Das Buch ist stabil und wunderhübsch. Ich mag die Aufmachung der aktuellen Auflage von „7te See“ sehr. Layout und Bebilderung sind modern, gut anzusehen und vermitteln jeweils die angestrebte Stimmung. Das Buch ist vollfarbig. Das Layout ist vorbildlich: schlicht, übersichtlich, mit gut lesbaren Schriftarten in angenehmer Größe. Der Seitenhintergrund ist dezent farbig und die Bilder sind großartig. So soll ein modernes Rollenspielbuch aussehen. Auf dem vorderen und hinteren Vorsatz sind jeweils Karten von den vier beschriebenen Ländern zu finden. Die Karten entsprechen nicht so sehr meinem Geschmack, sind aber übersichtlich.

Das Buch beginnt mit einer Kurzgeschichte. Ich habe nie den Drang verstanden, Kurzgeschichten an den Anfang von Rollenspielbüchern zu setzen, aber sie liest sich ganz gut und stört nicht. Dann folgt die „Einführung“. Wie üblich wird darin beschrieben, was den Leser im Buch erwartet. Gleich hier auf den ersten anderthalb Seiten zeigt der Band, was er kann. Unter der Überschrift „Zustand der Dinge“ findet der Leser eine Zusammenfassung der derzeitigen Lebenssituation in den vier später näher beleuchteten Ländern. Gleich hier geht es mit der Handlung los. Es wird nicht darauf hingewiesen, dass Avalon den britischen Inseln sehr ähnlich ist und Auen und Moore die Inseln überziehen. Nein, hier wird der aktuelle Konflikt beschrieben, der die Inseln beherrscht. In nur wenigen Zeilen wird Stimmung, Handlung und „Abenteuer“ zusammengefasst, sodass der Leser sofort ein spannendes Bild erhält und direkt losspielen möchte. Um es gleich vorwegzunehmen: Dieser Stil wird gehalten.

Bei der Entwicklung von Fantasyrollenspielwelten kommt manchmal die Frage auf, ob man lieber in der Realität bleiben oder die Länder komplett erfinden soll. „7te See“ geht einen Mittelweg. Die Landkarte ist erfunden, genauso wie die Länder selbst. Dennoch ist der Bezug zur Realität überdeutlich. Sowohl Lage als auch Form der Länder sind ihren Vorbildern zumindest ähnlich. Geschichte, Namen, Konflikte und Legenden sind so nah an der Realität, dass man sich fragen kann, warum nicht gleich Europa als Spielwelt gewählt wurde. Warum das Rad neu erfinden? Ich denke, ich verstehe, warum John Wick seinerzeit für die erste Edition diesen Mittelweg gegangen ist. So kann er sich an Bildern orientieren, die ohnehin schon im kollektiven Spielerbewusstsein verankert sind. Er kann die coolsten Geschehnisse und Legenden heraussuchen, Bilder und Geschichten, von denen er meint, dass die Spieler sie besonders spannend finden. Théah ist eben nicht Europa im Jahr 1680. Es ist das fiktive Abbild eines Idealbilds von Europa – ideal für Helden auf der Suche nach Abenteuern jedenfalls.

Jedes Land bekommt jeweils um die 45 Seiten. Avalon ist das erste. Avalon ist die Entsprechung der britischen Inseln. Königin Elaine einte die Inseln, nachdem sie im Feenreich war und den Gral mit sich brachte. Seitdem altert sie nicht mehr. Sie schloss einen Pakt mit den Sidhe, die immer mehr in die Welt der Sterblichen eindringen, um mit ihnen gemeinsam die Insel zu bevölkern. Das macht vielen Menschen Angst. Königin Elaine ist quasi eine weibliche Version des König Artus’ der Legenden. Die beiden anderen Inseln Inismore (Irland) und die Hochlandmarschen (Schottland) haben jeweils andere Herrscher und eine eigene Stimmung. Inismore wird von einem Mann regiert, der zunehmend unberechenbar und verrückt erscheint und die Hochlandmarschen würden sich eigentlich gern wieder von Avalon abspalten. All das zusammen mit der Magie, den magischen Wäldern und idyllischen Dörfchen, den Mooren, Hügeln und Küsten ergibt ein Land, in dem ich gern Abenteuer erleben würde.

Das Kapitel bietet fast 50 Seiten mit Konflikten und Spannung. Nach einem Überblick werden die wichtigsten Figuren vorgestellt, allen voran Königin Elaine. Dann folgt ein Abschnitt, der beschreibt, was die verschiedenen Geheimgesellschaften von Théah dort so treiben, bevor die wichtigsten Orte vorgestellt werden. Natürlich Avalon, die Hauptstadt (London, sozusagen), aber auch Orte wie Donega, die Hauptstadt von Inismore, oder die Shannagary-Inseln, die eine strategisch wichtige Barriere bei der Annäherung an die avalonischen Reiche bilden. Die Texte, die sich nicht direkt mit Abenteuern und Konflikten befassen, sind erfreulich kurz und „auf den Punkt“. Ebenfalls enthalten ist ein langer Abschnitt über Glamour, die spezielle Magie Avalons, die natürlich direkt mit den Sidhe zusammenhängt. Hier werden das erste Mal Regeln erwähnt, wenn auch nicht viel. Abschließend findet der erfreute Leser noch ein paar Kreaturen.

In diesem Stil geht es weiter. In Castillien herrscht die Inquisition mit harter Hand. Tradition steht über allem anderen. Die fünf Ducados (Provinzen) bilden gemeinsam auf dem Papier zwar ein Land, doch sind sie viel zu sehr in ihren Traditionen verhaftet, um alte Feindschaften ruhen zu lassen. Der Drang nach Macht von Kardinal Verdugo macht es unmöglich, in Frieden zu leben, und selbst der König gerät deshalb in große Schwierigkeiten (die hier nicht genannt werden sollen). Die Stimmung des Landes wird mit der gleichen Aufteilung wie im avalonischen Kapitel eingefangen und Konflikte dargestellt. Möglichkeiten für Abenteuer gibt es wie im gesamten Buch in rauen Mengen. Mit Alquimia (Alchemie) gibt es sogar eine neue Spielart der Magie.

Die Montaigne ist das Gegenstück zum Frankreich des Sonnenkönigs. Das Land ist ausgelaugt vom Krieg, doch die Aristokratie hört nicht auf die leisen Rufe der leidenden Bevölkerung, viel zu sehr ist sie mit sich selbst beschäftigt. Korruption und Kriegsmüdigkeit, zu großer Reichtum und ebenso große Armut beherrschen das Land. Ich persönlich finde die Montaigne weniger greifbar als Avalon, was aber nichts daran ändert, dass auch dieses Kapitel hervorragend geschrieben ist. Besonders die Legenden des Landes – wie auch die Legenden der anderen Länder bieten sie jede für sich einen eigenen Aufhänger für Abenteuer – haben es mir angetan.

Vestenmennavenjar, das letzte beschriebene Reich des Westens, ist nicht ganz so klar einer weltlichen Kultur zuzuordnen wie die anderen drei. Es bietet eine Art Mischung aus dem Holland der entsprechenden Zeit und den Wikingern. Das Land liegt hoch im Norden, durch eine Art Nord- und Ostsee und hohe Berge vom Rest getrennt. Die Menschen sind die Kälte gewöhnt und von prinzipiell kriegerischer Natur. Bärte und Zöpfe, Kälte und Schnee, Schiffe und Plünderungen: Alles, was man von guten Wikingern erwartet. Im Gegensatz dazu ist die Vendelsche Liga eine friedliche wirtschaftliche Großmacht, die mit den Menschen lieber Handel treibt, anstatt sie zu überfallen und zu ermorden. Die Liga beherrscht das Land, und so liegen die Plünderungen größtenteils in der Vergangenheit und Vestenmennavenjar ist ein friedliches Land voller Reichtum und Sicherheit, in dem die Vendelsche Liga das Ruder in der Hand hat. Galdr ist Runenmagie, die ein eigenes Kapitel erhält.

Den Abschluss des Buches bilden ein paar Seiten mit neuen Hintergründen und Vorteilen.

Fazit: Mir hat „Théahs Nationen – Der Westen“ sehr gut gefallen. Auf jeweils unter 50 Seiten beschreibt das Buch vier Nationen, die vor Konflikten und Abenteuer nur so strotzen. Die jeweilige Stimmung ist gut eingefangen. Das Buch sieht hübsch aus, ist leicht zu lesen und gut organisiert. So muss eine Weltbeschreibung sein.

Théahs Nationen – Der Westen
Quellenbuch
Danielle Lauzon, Leonard Balsera, Michael Curry
Pegasus Spiele 2017
ISBN: 978-3-95789-129-7
200 S., Hardcover, deutsch
Preis: EUR 24,95

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