von Frank Stein
„The Warp“ ist ein 4X-Strategiespiel (englisch: explore, expand, exploit, exterminate; deutsch: auskundschaften, ausbreiten, ausbeuten, auslöschen) für 1 bis 4 Spieler von Thomas Snauwaerth, der für sein Debüt mit dem belgischen Spieleverlag Jumping Turtle Games zusammenarbeitete. Das Spiel erblickte im November 2020 auf Kickstarter das Licht der Welt. Im Januar 2021 folgte dann eine deutsche Kampagne in der Spiele-Schmiede, wo das Spiel vom deutschen Partnerverlag Grimspire angeboten wurde. Im Frühjahr 2023 wurde das Spiel dann ausgeliefert und ist seitdem – zusammen mit einer Erweiterung für 5-6 Spieler und einer (heillos überteuerten) Mini-Erweiterung mit 6 weiteren Alienspezies – im Handel erhältlich.
Die Grundbox schlägt mit einem UVP von knapp 100 Euro zu Buche und wirkt damit auch relativ teuer, vor allem, wenn man sieht, dass sie in einer kleinen Standardbox von 30x30x7 cm daherkommt. Zum Vergleich: Schwergewicht „Eclipse – Das zweite galaktische Zeitalter“ liegt beim UVP bei ca. 190 EUR, die Box ist aber mit 30x45x14 cm gleich dreimal so groß. Abgesehen davon bekommt man „Eclipse“ mühelos 50 EUR billiger am Markt, bei „The Warp“ sind (aktuell) gerade mal 10 EUR drin. Preislich steht es damit übrigens in direkter Konkurrenz zu „Twilight Imperium 4. Edition“, das zwar einen UVP von ca. 170 EUR hat, aber mühelos für knapp unter 100 EUR zu finden ist und in seinen Dimensionen auf „Eclipse“-Niveau spielt. Randvoll sind übrigens alle Boxen, also niemand kauft Luft, der sich eins dieser Spiele zulegt.
Der Schnapperpreis kann also nicht der Grund sein, sich „The Warp“ zuzulegen. Was aber dann? Schauen wir uns das Spiel mal genauer an.
Spielaufbau zu viert - für meinen Tisch nicht optimal ...
Beim Auspacken fällt einem das schöne, vielfältige Spielmaterial auf. Auf dem modularen Spielplan zeigen Illustrationen, wozu die einzelnen Distrikte (Felder) genutzt werden können – vor allem kann man Goldminen und Energieraffinerien bauen, was gut ist, denn Gold und Energie sind die zwei relevanten Währungen im Spiel. Die Abbildungen der Alienspezies sind fantasievoll und abwechslungsreich. Goldnuggets und Energiemarker kommen als kleine Plastik-Steinchen daher, außerdem gibt es acht Gebäude/Einheiten als Plastik-Miniaturen in vier Farben für die vier Spieler. Die sind zwar etwas schlicht in der Anmutung, dafür aber sehr robust. Ein Dutzend Würfel, stabile Pappmarker und Spielkarten mit Leinenveredelung runden das positive Bild ab. Ich würde den Inhalt jetzt nicht der Luxusklasse zuordnen (dafür ist die Qualität der Minis dann doch etwas zu einfach und die Menge an Illustrationen zu gering), aber auf jeden Fall im gehobenen Mittelfeld.
So wird’s gespielt
Bei „The Warp“ übernimmt jeder Spieler zwei Alienfraktionen, die gemeinsam von einem Startfeld aus beginnen, das verheerte Yortar für sich zu erschließen. Sechzehn asymmetrische Kulturen stehen zur Verfügung, das ergibt eine wirklich satte Menge an Kombinationsmöglichkeiten. Dabei weist jede Spezies eine individuelle, dauerhafte Fähigkeit auf, und eine weitere, die man meist freischalten muss. Clever: Die nicht (via Draft) ausgewählten Spezies können noch zwei weitere Rollen im Spiel einnehmen. So werden zwei von ihnen zu „Verbannten“ (hierzu wird die Alienspezieskarte einfach umgedreht, dort findet sich dann der passende Spieleffekt). Verbannte sind ein nettes Konzept, denn sie bevölkern in Form zunächst verdeckt ausliegender Plättchen die Distrikte (Spielfelder) auf Yortar. Ein bis drei Einheiten können sich unter so einem Plättchen verbergen. Sie dienen gewissermaßen als Nichtspielergegner, die man besiegen muss, wenn man die Welt für sich erobern will. Außerdem wird eine Spezies als „Warpwächter“ deklariert. Sie bewacht das titelgebende Warp-Tor und muss besiegt werden, wenn man richtig Punkte absahnen will. Damit das nicht zu leicht ist, bekommt die Spezies ihre zugehörige Warpwächter-Karte, die ihre Kampfstärke abbildet (und die ist in der Regel nicht zu verachten).
Der Statusmonitor zeigt den Fortschritt der eigenen Ausbaubemühungen.
Der Spielaufbau gestaltet sich je nach Spieleranzahl mehr oder weniger knifflig. Während man zu zweit oder dritt leidlich klarkommt, weil immer eine Seite am Tisch frei bleibt, um die allgemeinen Spielmaterialien zu platzieren, wird es zu viert oder noch mehr Spielern kompliziert. Denn das Spiel sieht vor, dass man einen Teil des eigenen Spielerbereichs verdeckt hält. Das ist kaum möglich, wenn man sich nicht an einem großen Tisch weiträumig an zwei langen Seiten auseinandersetzt oder sich an kleineren Tischen auf vier Seiten aufteilt. In dem Fall aber muss das allgemeine Spielmaterial unpraktisch in freie Ecken und Nischen gequetscht werden. Größeren Spielergruppen empfiehlt sich also dringend ein entsprechend dimensionierter Tisch, sonst muss man sehr aufpassen, dass die Kollegen einem nicht (absichtlich oder unbeabsichtigt) in die Auslage mit Ressourcen und Truppen spähen.
Gespielt wird in Runden, in denen Spieler im Uhrzeigersinn am Zug sind. Jeder Zug hat drei Phasen. In der Einkommensphase erhält man Ressourcen (Gold und Energie) gemäß den eigenen Goldminen und Energieraffinerien. Alternativ werden in Kommandozentralen Truppen rekrutiert. Danach darf man bis zu drei Handkarten (Archivkarten) für Ressourcen verkaufen und außerdem zwei neue ziehen, wobei das Limit bei acht Handkarten liegt. Die Archivkarten sind eine Mischung aus gelben Entwicklungskarten und blauen Kampfkarten, erlauben also den (Aus)Bau der eigenen Gebäude/Einheiten und unterstützen bei Kämpfen.
In der Aktionsphase hat man die Wahl aus drei Aktionen. Man kann eine Entwicklungskarte spielen und entweder etwas neu konstruieren (von der Kommandozentrale über die stationäre Laserbatterie bis hin zu Angriffsschiffen) oder ein bestehendes Objekt aufwerten. Die Anzahl der Objekte multipliziert mit ihrer Stufe (1-3) werden auf dem Statusmonitor festgehalten und entscheiden über die Anzahl an Ressourcen, Truppen und eventuelle Boni. Alternativ kann man auch einen Terrashift vornehmen. Jeder Bezirk, also jedes Gelände, hat ein Höhenlevel, von 1 bis 4. Je höher man sich befindet, desto höher ist der Kampfvorteil. Bei einem Terrashift kann man das eigene Feld um +1 erhöhen (oder aus strategischen Gründen um -1 verringern). Der Wert eines Nachbarfelds wird entsprechend verringert oder erhöht. Man baggert also gewissermaßen die Landschaft um. Schließlich kann man noch angreifen, entweder „Verbannte“ oder auch Mitspieler.
Praktisch: Der Sichtschirm erklärt auch Symbole und Spielzug.
Eine interessante Eigenart von „The Warp“ ist, dass Mitspieler nie völlig passiv zuschauen müssen. Bei den Aktionen „Entwicklung“ oder „Terrashift“ können sie mit einsteigen und selbst davon profitieren, zahlen allerdings einen Preis an die Person, die am Zug ist. Im Kampf wiederum können sie – sofern Verbannte das Ziel sind – die Verteidiger mit einer Kampfkarte unterstützen. Oder sich vom Angreifer dafür bezahlen lassen, die Karte eben nicht zu spielen.
Der Kampf ist relativ simpel gehalten und eine Mischung aus Glück und Taktik. Von einem Ausgangsfeld können bis zu drei Truppen in ein Zielfeld vorrücken. Ihre Kampfstärke entspricht ihrer Anzahl in sechsseitigen Würfeln, multipliziert mit dem Kampfvorteil. Drei Truppen könnten zu einem Würfelwurf von 2, 5 und 3 führen, was zusammen 10 ergibt und bei einem Höhenniveau/Kampfvorteil von 3 einen Angriffswert von 30 bedeuten würde. Dazu kann man noch je eine Kampfkarte von der Hand spielen, die Effekte hat, um etwa Würfel zu manipulieren und so bessere Werte zu erringen – sofern man sie mit Ressourcen bezahlen kann. Siege erweitern dabei nicht nur das eigene Territorium, sondern bringen auch Trophäen ein, die man gegen Ressourcen oder Truppen eintauschen kann – oder man spart sie an, um die zweite Sonderfähigkeit einer seiner Alienspezies freizuschalten.
In der Endphase werden Truppen bewegt, Einheiten von Verbannten in benachbarten Bezirken enthüllt und man kann Missionen nachkaufen, sofern man keine drei mehr vor sich liegen hat. Diese Missionen (von denen ein Teil offen ausliegt für die Endwertung und ein Teil verborgen hinter den Spielersichtschirmen) sind das Kernelement von „The Warp“. Denn man baut natürlich nicht zum Spaß Einheiten oder Gebäude oder erobert Gebiete. Alles dreht sich darum, Missionen, die man aus den drei Bereichen „Wohlstand“, „Fortschritt“ und „Eroberung“ zieht, zu erfüllen, denn das gibt Siegpunkte. Und wer zuerst 9 Siegpunkte hat, läutet das „Endgame“ ein, drei letzte Runden, nach denen es zur Endwertung kommt. Diese ist schnell vollzogen. Man zählt einfach alle Siegpunkte zusammen, die man aus erfüllten persönlichen Missionen, am Ende gewerteten „Pioniermissionen“ und gesammelten Punkten aus der Kontrolle über den Warp erhalten hat. Sieger ist die Person mit den meisten Punkten.
Zwei-Spieler-Partie. Man kommt sich kaum in die Quere, wenn man nicht will.
Der Solomodus
Es gibt auch einen Solomodus, der sich tatsächlich ein wenig anders spielt als eine Partie gegeneinander. Hier tritt man gegen einen von 11 Rivalen an (die gegnerischen Alienspezies; die übrigen 5 stehen einem selbst zu Beginn zur Auswahl). Diese – so heißt es – geben jeweils einem Droiden Befehle, Yortar zu erobern beziehungsweise zu erschließen. Die Wahl des Rivalen bestimmt, wie der Gegner aufgebaut wird, welche Befehlskarten er erhält und wie er Siegpunkte erringt. Die Befehlskarten wiederum bestimmen, was der Gegner in jeder Runde macht. Dabei arbeitet der „Droide“ stur die Anweisungen von oben nach unten ab und blockiert sich auch mal selbst, weil er zum Beispiel ohne Angriffsbefehl keine Truppen mehr bewegen kann oder aber einen Angriff gegen eine überlegene Gruppe Verdammte durchführt, einfach weil das die ihm vorgegebene Stoßrichtung ist.
Im ersten Moment wirken manche Bedingungen, um Siegpunkte zu erringen, echt fies. So bekommen die „Archivare von Zeta“ etwa jedes Mal 2 bis 3 Siegpunkte, wenn man als Spieler zu Zugbeginn 3 Karten auf der Hand hält. (Also direkt in der ersten Runde, weil man halt mit einer Starthand anfängt.) ABER: Dadurch, dass man sieht, wie sie zu gewinnen versuchen, und auch ihre jeweiligen Stärken pro Zug offen ausliegen, kann man sie leidlich gut ausmanövrieren, wodurch ein Sieg dann wieder fast zu einfach anmutet, zumal der Droide halt nicht gezielt versucht, offene Missionen zu bewältigen (anders als man selbst). Obwohl das Ganze übrigens als Kampagne mit 11 Missionen angepriesen wird, handelt es sich schlicht um 11 mögliche Gegner. Es gibt keine Erzählung und keine echte Entwicklung über die Partien hinweg. Dennoch eine nette Abwechslung, bei der vor allem die Frage reizt, wie man den jeweiligen Rivalen ausmanövrieren und blockieren kann.
Lob und Kritik
„The Warp“ glänzt für mich gleich in mehreren Punkten. Durch die Kombination an verwendeten Alienspezies muss man jede Partie etwas anders angehen. Schön auch, dass das Spiel keine Strategie spürbar bevorzugt. Man kann mit Eroberungen genauso Punkte sammeln, wie mit dem Ausbau der eigenen Infrastruktur oder der Konzentration aufs schnelle Missionenlösen. Auch gefällt mir, dass man nicht zum Kampf Spieler gegen Spieler gezwungen ist. Friedlichere Naturen können den Wettbewerb auch ohne direkte Konfrontation ausspielen und sich auf die Verbannten konzentrieren. Obendrein ist die Einstiegshürde gering. Die Regeln sind nicht zu lang und oder zu komplex, sodass man hier gewissermaßen von einem „4X Light“-Spiel sprechen kann, was sich auch in einem verringerten Zeitaufwand widerspiegelt. „The Warp“ kann man – wenn man nicht gerade zu sechst am Tisch sitzt – an einem Nachmittag spielen, „Eclipse“ eher nicht. Zu guter Letzt gefällt mir, dass man auch in Gegnerzügen agieren kann und somit keine längere Downtime hat.
Aufbau des Solomodus. Links der "Droide".
Drei Wermutstropfen gibt es für mich. Zum einen sind die Regeln bei aller Kürze auch etwas löchrig. So gibt es viele Symbolkombinationen auf Spielkarten, die man sich erstmal erschließen muss. Das haben auch die (englischen) Macher erkannt, weswegen sich im Internet als ergänzende Dokumente ein „Strategy Guide“ und eine „Mission List“ findet. Außerdem kann man den „4X Light“-Aspekt natürlich auch kritisch sehen. So gibt es zum Beispiel keine unterschiedlichen Kampfeinheiten, der Technologieausbau ist mit seinen je drei Stufen recht abstrakt und simpel gehalten und echte Erkundung findet kaum statt, weil das ganze Spielfeld schon zu Beginn aufgebaut ist. Man weiß bloß nicht, welche Verbanntentruppen sich unter den Markern aufhalten. Und schließlich wäre da (erneut) der Preis. Den finde ich für das Gebotene zu hoch. 60 Euro hätten „The Warp“ gut zu Gesicht gestanden, vielleicht auch 70 Euro. Aber für 100 Euro erwartet man irgendwie etwas Größeres. Spiele wie „Marvel Zombies“ oder „Bloodborne“ kosten nicht so viel mehr, haben aber doch eine ganz andere Tischpräsenz, vor allem im Bereich der Miniaturen.
Fazit: „The Warp“ ist ein kurzweiliger Spaß, sowohl gegeneinander als auch solo gegen das Spiel. Die Regeln sind eingängig, die Mechanismen nicht zu komplex, aber dennoch mit Raum für taktische Planung, die Spielzeit ist angenehm. Ein 4X-Spiel in der Light-Version, für Leute, die keine Lust haben, ein ganzes Wochenende in eine Partie zu investieren. Einzig der Preis erscheint mir zu hoch für das Gebotene. Daher meine Empfehlung: Wenn euch Spiele wie „Eclipse“ oder „Twilight Imperium“ zu massiv sind, ihr aber gern „etwas in der Art“ spielen mögt, haltet mal Ausschau nach Rabatten. Vielleicht findet ihr das Spiel ja mal reduziert. Dann lohnt es sich auf jeden Fall!
The Warp
Brettspiel für 1 bis 4 Spieler ab 14 Jahren
Thomas Snauwaert
Jumping Turtle Games/Grimspire 2023
EAN: 7436950022039
Sprache: Deutsch
Preis: 99,99 EUR
bei spiele-offensive.de bestellen