The Walking Dead 5: Die beste Verteidigung

Es könnte so einfach sein – ist es aber nicht. Wenn sich eine magere Hoffnung nicht nur zerschlägt, sondern in einen Albtraum verwandelt, dann ist man zweifelsohne zurück in der Welt von „The Walking Dead“.

von Lars Jeske

Nahtlos knüpft der 5. Sammelband der Comic-Serie „The Walking Dead“ an die bisherigen Ereignisse an. Nicht nur dass, geht doch jetzt der nächste Abschnitt des Überlebens nach der Findungsphase von Freunden und einem Ort zum Leben los. Rick versucht als ehemaliger Sheriff die Überlebenden der Zombie-Epidemie zusammenzuhalten und eine Gemeinschaft zu beschwören. Durch Glück hatte er seine Frau Lori und seinen kleine Sohn Carl wiedergefunden, was ihm zusätzliche Kraft gibt. Nach vielen Irrungen und Wirrungen, menschlichen Verlusten und neuen Freunden hat diese Gemeinschaft frei nach der Devise des Zweckoptimismus sich in einem ehemaligen Gefängnis einen halbwegs sicheren Ort eingerichtet.

Nun ist Lori sogar erneut schwanger und für alle steht somit eine neue Herausforderung bevor. Eines der Puzzleteile, um unter den geänderten Umständen wieder ein normales Leben aufzubauen – was auch immer nunmehr normal ist. Es wird gelacht, geliebt, gearbeitet und geflucht. Leben eben. Innerhalb des Stacheldrahtes ist die Welt so gut es geht in Ordnung und friedlich. Aber wo es Menschen gibt, ist auch immer Missgunst und Neid. Da in der Gruppe mehr oder minder alle schlimmen Streitereien geschlichtet sind, kommt die neue Gefahr von außen. Denn Friede, Freude, Eierkuchen ist selbst im Comic langweilig. Somit bleibt es bei „Die beste Verteidigung“ nicht lange friedlich, und wie es dazu kommt, ist sogar einleuchtend.

Es begann alles damit, dass ich einen heftigen Schnupfen bekam … – ach nein, das war etwas anderes. Auf einer routinemäßigen Erkundungstour sehen Glenn, Rick und die mittlerweile in die Gemeinschaft aufgenommene Michonne einen Hubschrauber über ihnen fliegen. Sogleich entfacht sich die in jedem geheim lodernde Glut der Hoffnung erneut und bläst sich zu einer überlebensgroßen Phantasie auf. Andere Menschen. Zivilisiertes Leben. Wasser, Strom und Technik. Ihre Hoffnung währt jedoch nur kurz, da der Hubschrauber Probleme hat und unweit von ihnen abstürzt. Geschockt aber willig zu retten begeben sich die drei zur Unglücksstelle und damit nimmt das Verhängnis seinen Lauf.

Denn wie schon damals das Schicksal der Indianer eine tragische Wendung nahm, als der erste Konquistador vor ihnen stand, ergeht es den Überlebenskünstlern von Robert Kirkmans Comic-Reihe, als sie Philip begegnen. Nun besser bekannt als „der Gouverneur“ und Herr über den gesicherten Ort Woodbury. Dieser nette Mann ist der Anführer einer weiteren Gruppe Überlebender, die es ihrerseits geschafft hat, eine nahegelegene Stadt zu befestigen und dort in Ruhe zu leben. Relativ schnell entdecken die drei bisherigen Protagonisten jedoch, dass es für alles einen Preis gibt und Menschen selten besser sind als ihr Ruf.

Während also die eine Hälfte der wichtigsten Charaktere ein einschneidendes Erlebnis hat, gibt es immer wieder Blenden zu den Geschehnissen im Gefängnis. Hier geht das Leben weiter, mit allen Arten von kleinen und großen Dramen, die ihren einflussreichen Schatten schon einmal andeuten.

Gekonnt gelingt es auch im neuesten Sammelband den drei Schöpfern dieser Comic-Reihe die Leser zu fesseln. Erstmalig wird zwischen der Leichtigkeit im Gefängnis und dem Schrecken in Woodbury direkt umgeschaltet, wodurch das Storywriting (sofern man das für einen Comic verlangen darf) interessanter wird. Eigentlich lose Szenen passen dadurch besser zusammen und das große Bild fügt sich. Mittlerweile ist man in dieser Welt auch schon einiges an Schrecken gewohnt; haufenweise Gewalt, Tötungen und Blut (selbstverständlich in schwarz-weiß, wie die gesamte Geschichte) gehören zum Tagesgeschäft. Dennoch gibt es immer wieder neue Abgründe zu entdecken und Perversionen der menschlichen Veranlagung, die sich Bahn brechen. Es gibt Ekel, die einem lieber erspart bleiben sollten. Somit bleibt diese intensive Serie weiterhin nichts für schwache Gemüter.

Abstriche gibt es jedoch in der B-Note. Es wird leider bislang nicht deutlich, wodurch der Gouverneur der Anführer ist und ebenso wenig, warum er so viel Macht und Einfluss auf die Leute, deren Leben und alle Entscheidungen im Ort hat. Wenn schon erstmalig ein einzelner menschlicher Anführer als Gegner aufgebaut wird, dann sollte es verständlicher und damit glaubhafter geschehen. Positiv gesehen kann es auch ein Teaser sein, dass man zukünftige Bänden weiterlesen muss, um eine rationale und plausible Erklärung dafür angeboten zu bekommen. Aber es wirkt eben aktuell nur verstörend und wie die schönen Explosionen im Popcornkino: Solange das Feuerwerk abgebrannt wird, denkt man nicht über dessen Logik oder Sinnhaftigkeit nach. – Vielleicht sind Menschen einfach so, wenn man sie auf ihren Kern reduziert. Dennoch fehlt hier (bislang) einfach die Substanz.

Fazit: Immer wenn man denkt, erahnen zu können, wie die Handlung weitergeht, gibt es eine neue Überraschung bei „The Walking Dead“. So auch in „Die beste Verteidigung“. Der jetzt eingeführte, nunmehr personalisierte Antagonist der positiv besetzten Gemeinschaft wird leider nicht mit Struktur versehen. Er bleibt zwar nicht farblos, jedoch unnötig nebulös und ohne Charisma, was Abstriche an der Glaubwürdigkeit mit sich bringt und die geplante Wirkung auf den Leser reduziert. Hier wurde bislang Potenzial verschenkt, aber noch ist die Reihe lange nicht am Ende. Da die aktuellen Geschehnisse erst so richtig ins Rollen gekommen sind, wird man den nächsten Band „Dieses sorgenvolle Leben“ sofort verschlingen wollen, um zu wissen wie es weitergeht.


The Walking Dead 5: Die beste Verteidigung
Comic
Robert Kirkman, Charlie Adlard, Cliff Rathburn
Cross Cult 2016
ISBN: 978-3-86425-807-7
132 S., Softcover, deutsch
Preis: EUR 8,99

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