von Frank Stein
Um das Buch „Star Wars – Raumschiffe und Fahrzeuge (Neuausgabe)“ richtig einordnen zu können, muss etwas ausgeholt werden. Es gehört der Reihe der sogenannten Risszeichnungsbände an, die seit 1998 besteht, angefangen mit „Star Wars: Die Risszeichnungen“. Diese darf man nicht mit den „Lexika der Raumschiffe und Fahrzeuge“ verwechseln, die parallel existieren und kleinformatiger in eher kürzeren Beiträgen mehr Schiffe vor allem mit Filmfotos vorstellen, während die Risszeichnungsbände großformatig(er) ausgewählte Schiffe in (teils) verschwenderischem Detail präsentieren.
Von diesen „Risszeichnungsbänden“ (die mittlerweile ihren erklärenden Zusatz verloren haben – auch im Englischen heißen sie nicht mehr „Incredible Cross Sections“, sondern etwas irreführend „Complete Vehicles“) gibt es mittlerweile eine unüberschaubare Fülle. Im englischsprachigen Raum existieren sogar noch mehr Bände als auf Deutsch. Während jahrelang vor allem zu den Prequels Einzelbände erschienen, wurde 2007 das erste „Kompendium“ vorgelegt, das 2014 eine um wenige Seiten ergänzte Neuausgabe unter dem Titel „Star Wars: Raumschiffe und Fahrzeuge – Alle technischen Details im Aufriss“ erfuhr. Das war damals das Nonplusultra-Werk in Sachen Risszeichnungsbände. Für „Das Erwachen der Macht“ sowie „Die letzten Jedi“ wurden jeweils wieder Einzelwerke produziert, die nur in Großbritannien einen jährlich aktualisierten „Complete Vehicles“-Band zur Folge hatten. In Deutschland sah Dorling Kindersley dafür anscheinend keinen ausreichend großen Markt, eine Einschätzung, die ich tatsächlich teilen würde.
So wurde erst letztes Jahr, 2020, die nächste Ausgabe der „Raumschiffe und Fahrzeuge“ vorgelegt, die mit 264 Seiten vollständigste Risszeichnungssammlung überhaupt (im Vergleich zum deutschen Vorgänger wurden ganze 56 Seiten ergänzt). Dabei wurden nicht nur die zwei Einzelbände zu „Episode VII“ und „Episode VIII“ integriert, sondern auch die Risszeichnungen aus „Star Wars: Rogue One: Die illustrierte Enzyklopädie“ und – erstmals und für Besitzer der Sequel-Einzelausgaben „leider“ exklusiv in diesem Band erhältlich: sieben neue Vehikel aus „Der Aufstieg Skywalkers“. Die Autorenriege liest sich (mittlerweile) wie ein Who-is-Who der „Star Wars“-Sachbuchverfasser mit Pablo Hidalgo, David West Reynolds, Curtis Saxton, Ryder Windham, Kerrie Dougherty und Jason Fry. Die großartigen Illustrationen stammen von Richard Chasemore, Hans Jenssen, John R. Mullaney, Kemp Remillard und Jon Hall.
Das Buch folgt, da es in weiten Teilen eine Kompilation von bestehendem Material ist, natürlich dem Stil aller bisherigen Risszeichnungsbände. Nach einem Vorwort und einer kurzen Einleitung ist es in drei große Blöcke unterteilt: die „Ära der Republik“, die „Ära des Imperiums“ und die Zeit des „Aufstieg[s] der Ersten Ordnung“. Dort werden dann jeweils auf Doppelseiten die einzelnen Schiffe vorgestellt: X-Flügler, TIE-Jäger, AT-AT, ARC-170-Jäger, MG-100-Bomber, Sternenzerstörer, Jango Fetts Slave 1, Kylo Rens Finalizer … die Auswahl lässt kaum Wünsche offen (mehr dazu unten).
Die gezeigten Vehikel werden jeweils so präsentiert, dass dabei viele Teile der Außenhaut offengelegt sind, damit man Blicke „unter die Haube“ werfen kann. So werden technische Details, wie der Motor eines X-Flüglers, ebenso präsentiert, wie das Innere von Jabbas Segelbarke. Das sieht absolut fantastisch aus und lädt geradezu zum Suchen und Entdecken ein. Informativer Begleittext lässt das Gesehene noch realistischer werden, wenn Trägheitskompensatoren, Ionisierungskammern, Navigationssysteme und elektrostatische Abweiser benannt und verortet werden. Leider funktioniert das Konzept zunehmend schlechter, je größer die Schiffe werden. Während die Illustration von Lukes Landgleiter noch vor Details strotzt, muss man bei einem Sandkriecher der Jawas schon sehr genau hinschauen – wobei nicht verschwiegen werden soll, dass der Strich der Zeichner wirklich extrem fein ist, also selbst dort erkennt man noch sehr viel. Kaum noch sinnvoll nutzbar werden dann die Zeichnungen von Großkampfschiffen wie die einer Nebulon-B-Fregatte oder gar die von Sternenzerstörerklassen wie der Finalizer. Hier sieht man bloß noch angedeutete Deckstrukturen sowie hier und da einen großen Block wie den „Nebenreaktor“.
Dennoch – so als kurzes Zwischenfazit – ist der Informationsgehalt enorm, nicht zuletzt Dank zahlreicher Beschriftungen, Datenbank-Kästen und der genannten Begleittexte. Wer die Vehikel aus „Star Wars“ mag und so ein Buch noch nicht sein Eigen nennt, kann absolut bedenkenlos zugreifen. Stundenlanges Schmökern und Staunen sind garantiert. Selbst wenn man den Vorgängerband aus dem Jahr 2014 besitzt, lohnt sich die Anschaffung, zumindest wenn man ein echter Fan ist, denn der Mehrwert ist schon ordentlich. Grenzwertig wird die Entscheidung, wenn man auch die Begleitbände zu „Episode VII“, „Episode VIII“ und „Star Wars: Rogue One: Die illustrierte Enzyklopädie“ besitzt. Dann nämlich reduzieren sich die Neuheiten auf sieben Schiffe aus „Episode IX“ sowie Landos Millennium Falken aus „Solo – A Star Wars Story“.
Hier klafft übrigens eine bedauerliche Lücke auf. Während noch der letzte Buzz-Droide aus den Prequels eine Doppelseite erhalten hat, fehlen fast alle Vehikel aus dem „Solo“-Film, also etwa der 20-T-Raupenzug-Conveyex-Transporter, die Transportfähre der Gaunertruppe um Beckett oder die Luxusyacht von Dryden Vos. Auch fehlen alle Schiffe aus TV-Serien – und zwar nicht nur den brandneuen wie „The Mandalorian“ oder „Bad Batch“, sondern auch die aus der alten „Clone Wars“-Serie, aus „Rebellion“ oder „Resistance“. Hier hätte man wirklich einige schöne Schiffe noch hinzufügen können. Aber das hätte wohl den Rahmen gesprengt. Daher weist der Umschlag gleich darauf hin, dass nur die „Filme“ berücksichtigt wurden.
Im Vergleich zum unmittelbaren Vorgängerband von 2014 fallen drei größere Unterschiede auf. Zum einen wurde auf fast allen Seiten ein kleines Filmfoto eingespart, um Platz für den neuen Datenbank-Eintrag zu gewinnen. Diese Blöcke waren 2014 noch komplett in einen Anhang ausgelagert. Die neue Lösung ist etwas übersichtlicher – und spart Platz. Zum Zweiten wurde auf einige „Überblicksseiten“ verzichtet, die 2014 noch eingestreut waren, etwa zum Thema „Republikanische Streitkräfte“ oder „Die Schlacht von Yavin“. Das war nettes Bonusmaterial, aber der Verlust ist verschmerzbar, denn diese Seiten passten halt nie völlig zum Konzept der Zeichnungen. Etwas bedauerlicher ist dagegen der Verlust der großformatigen Ausklappseiten, von denen es im 2014er-Band zugegebenermaßen auch nur vier gab: für das Droidenkontrollschiff, das Republikanische Kanonenboot, das Flaggschiff von General Grievous und den Todesstern. Es mag konsequent sein, diese Sonderbehandlung fast beliebiger Schiffe diesmal wegzulassen (der Sternenzerstörer hatte nie eine Ausklappseite, obwohl er viel größer ist als das Kanonenboot). Dass nun etwa das Droidenkontrollschiff in der Mitte einfach geteilt trotzdem auf vier Seiten präsentiert wurde, ist dennoch ein wenig hässlich. Trotzdem besser, als wenn die Zeichnung auf zwei Seiten verkleinert worden wäre.
Ein zweiseitiges Glossar sowie ein vierseitiges, alphabetisch sortiertes Register schließen den Band ab.
Fazit: Das Buch ist nicht perfekt. Noch immer vermisst der echte Fan schmerzlich einige Schiffe, gerade aus den TV-Serien (ich sage nur: die Ghost von Hera Syndulla). Trotzdem ist „Star Wars – Raumschiffe und Fahrzeuge“ ein fantastisches Nachschlagewerk und die Neuausgabe angesichts drei zusätzlich integrierter Einzelbände und acht neuer Vehikel sehr willkommen. Auch der Preis von mittlerweile knapp 30 Euro geht noch vollkommen in Ordnung. Aktuell eines der besten Begleitwerke zum Thema „Star Wars“, in dem selbst der versierteste Kenner der Materie noch nette kleine Details entdecken wird.
Star Wars – Raumschiffe und Fahrzeuge (Neuausgabe)
Sachbuch
David West-Reynolds, Curtis Saxton u.a.
Dorling Kindersley 2020
ISBN: 978-3-8310-4099-5
264 S., Hardcover, deutsch
Preis: EUR 29,95
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