von Ye Olde Jedi-Master
Wir nähern uns dem Ende der „Star Wars Marvel Comics-Kollektion“ – was tragisch ist, denn natürlich gehen die Geschichten ja alle weiter, und wenn man vom Schlusspunkt der Kollektion zum aktuellen Ist-Stand aufholen will, darf man erstmal einen guten Schwung Comics nachkaufen. Aber das nur am Rande. In Ausgabe 76 geht es noch einmal um Vader. Der muss in den hier gesammelten Ausgaben #6 bis #11 seiner Comic-Reihe (US-Hefte von Oktober 2020 bis April 2021; deutsche Hefte von März bis August 2021; deutsche Sammelbände im Soft- und Hardcover Februar 2022) eine harte Lektion lernen: Leid führt zu Zorn, Zorn führt zu Hass, Hass führt zur Macht – und Trauer geht für einen Sith gar nicht!
Um das zu verdeutlichen, greift Imperator Palpatine zu ziemlich krassen Methoden. Erst brutzelt er Vader mit Blitzen gar, dann reißt er ihm die mechanischen Glieder aus, schließlich lässt er ihn zerschmettert genau dort auf Mustafar liegen, wo er ihn einst nach dem schicksalhaften Duell mit Obi-Wan Kenobi gefunden hatte. Diesmal soll sich Vader aber allein aus dem Dreck ziehen, sich wieder aufbauen, aufrichten und seine alte Form wiederfinden – und dass ohne jeden Einsatz der Macht. Sollte er schummeln, will ihn sein liebender Boss töten. Um dem Ganzen noch die Krone aufzusetzen, hetzt Palpatine Vader zusätzlich den Sith-Attentäter Ochi von Bestoon auf den Hals. Und im Weltraum über dem Planeten wartet Administratorin Sly Moore mit drei Sternenzerstörern nur darauf, Vader den Rest zu geben, sollte er es irgendwie doch weg von der Oberfläche schaffen. Ein No-Win-Szenario?
Mitnichten. Wissen wir ja alle, die wir den Film „Die Rückkehr der Jedi-Ritter gesehen“ haben (der Comic spielt in der Zeit davor), denn dort ist Vader ja noch quicklebendig. Aber wir wissen ja auch, dass die dortige Beziehung zwischen dem Dunklen Lord der Sith und seinem Meister nicht mehr die Beste ist. Luke wird es erfolgreich gelingen, seinen Vater dem giftigen Einfluss Palpatines zu entziehen. Dieser Bruch zwischen den beiden Fieslingen bahnt sich schon seit dem letzten Comic der „Vader“-Reihe an, und es wird sehr deutlich, dass die Fixierung auf seinen Sohn und der Aufstand gegen seinen Boss die zwei zentralen Themen für Vader zwischen „Das Imperium schlägt zurück“ und „Die Rückkehr der Jedi-Ritter“ sein dürfte.
Obwohl Vader natürlich heil davonkommt, ist sein Überlebenskampf ausgesprochen dramatisch beschrieben. Die Herausforderungen erscheinen extrem, doch mit der wütenden Entschlossenheit eines Profi-Boxers, der immer wieder im Ring aufsteht, peitscht sich Vader von einer Prüfung zur nächsten und überwindet Hindernisse, die seine Feinde in Staunen versetzen. Dass er dabei mit kruden Bauteilen alter B2-Superkampfdroiden geflickt wurde, lässt ihn nur noch unzerstörbarer und brachialer wirken.
Netterweise beschränkt sich Autor Greg Pak nicht nur auf Vaders Gang durchs Feuer, sondern er flicht – zugegeben etwas holprig – ein großes Geheimnis ein, dass uns Filmeguckern erst in „Der Aufstieg Skywalkers“ präsentiert wurde. Denn durch ein Verplappern von Ochi (auch der übrigens eine Leihgabe aus besagtem Film) bekommt Vader Hinweise darauf, dass sein Meister irgendwas in den Tiefen des Weltraums treibt, ein Projekt gewaltigen Ausmaßes auf einer geheimen Welt durchführt (und gemeint ist nicht der zweite Todesstern, dessen Bau weiter sträflich von der Handlung ignoriert wird). Hier werden Verbindungslinien zwischen den Film-Trilogien geknüpft, ebenso wie durch die Nebenfiguren Mas Ameda und Sly Moore (beide aus „Die Rache der Sith“), die schon Kanzler Palpatine dienten und auch 20 Jahre später noch an seiner Seite stehen. Man wundert sich. Eigentlich verschleißt der alte Obersith sein Personal schneller.
Am Team fürs Visuelle hat sich nichts geändert. Die Zeichnungen stammen von Raffaele Ienco und die Farben von Neeraj Menon. Die liefern erneut rundum Sehenswertes ab, vor allem der gepeinigte, halb zerstörte Körper von Vader wird eindrucksvoll in Szene gesetzt. Man spürt regelrecht, mit welch grimmiger Entschlossenheit er sich von Panel zu Panel kämpft, dabei stets getaucht in das feurige Rot und Gelb von Mustafar, ein veritables Inferno für diese gequälte Seele.
Bei der Covergalerie hat Panini einmal mehr an Platz gespart. Sechs Cover auf einer Seite, das hat schon was von Ölsardinen in einer Dose. Drei davon findet man immerhin im Umschlag-Umfeld in groß, aber das ginge eindeutig besser.
Fazit: Vader ist beim Imperator in Ungnade gefallen und wird dafür durch die Hölle geschickt. Der Comic „Ins Feuer“ setzt das eindrucksvoll in Szene und zieht darüber hinaus Verbindungslinien zum Palpatines Treiben in „Episode IX“. Ich bin ja eigentlich jemand, der ganz gern kritisch auf Fehltritte jüngerer Disney-„Star Wars“-Werke blickt, aber hier gibt es praktisch nichts zu meckern. Abgesehen davon, dass der „Vader“-Comic-Reihe nach wie vor eine deutliche Ein-Mann-Show bleibt (vom Treiben des Imperiums als Ganzes bekommt man nichts mit), und abgesehen davon, dass das Überleben von Mas Ameda und Sly Moore über 20 Jahre an der Seite von Palpatine nur schwer glaubhaft ist, bietet „Ins Feuer“ eine starke, intensive Geschichte, die zeigt, dass Vader wirklich fast unbesiegbar ist.
Star Wars Marvel Comics-Kollektion 76: Darth Vader – Ins Feuer
Comic
Greg Pak, Raffaele Ienco, Neeraj Menon u.a.
ISBN: 978-3-7416-3789-6
130 S., Hardcover, deutsch
Preis: 16,99 EUR
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