Star Wars Marvel Comics-Kollektion 73: Darth Vader – Das dunkle Herz der Sith

Darth Vader, der Dunkle Lord der Sith, der Vollstrecker des Imperators und unbarmherzige Jäger der Rebellenallianz: Dieser Mann war lange Zeit wie eine Festung, schwarz gepanzert, dunkel dräuend, eine unheilvolle, unheimliche, mächtige Präsenz. In den Prequels machte George Lucas ihn zum liebenswerten Kind und später zum wankelmütigen Jugendlichen mit Verlustängsten. Schon da bekam der Mythos Vader Risse. Hier werden sie vertieft, denn Darth Vader geht auf den Nostalgie-Trip.

von Ye Olde Jedi-Master

Im 73. Band der „Star Wars Marvel Comics-Kollektion“ geht die Comic-Reihe „Darth Vader“ von Marvel in die zweite Staffel. Wir befinden uns jetzt zwischen „Das Imperium schlägt zurück“ und „Die Rückkehr der Jedi-Ritter“. Zum Einstieg gibt es eine Kurzgeschichte aus dem Band „Empire Ascendant #1“, danach folgen die Ausgaben #1 bis #5 von „Darth Vader“, die zwischen Februar und September 2020 in den USA erschienen sind, zwischen Dezember 2020 und März 2021 auf Deutsch als Comic-Doppelausgaben bei Panini herauskamen, im September gleichen Jahres dann bereits als Sammelbände im Soft- und Hardcover nachgeschoben wurden – und jetzt eben als Reprint vorliegen.

Im Prolog geht es um einen imperialen Sergeant, der den Sieg um jeden Preis lehrt, und um einige namen- und gesichtsloser Todestruppler, die diese Lehren konsequent wörtlich nehmen. Ich nehme an, das soll uns zeigen, was für harte Hunde Todestruppler sind, die im Folgenden dann auch als Leibgarde Vaders dienen, genau genommen hätte es diesen Comic aber nicht gebraucht, denn viel mehr als Staffage sind die schwarzen Burschen später nicht. Ein Vader will eben stets das ganze Rampenlicht.

Der befindet sich in seinem ersten Abenteuer unter Federführung von Greg Pak in einer Sinnkrise. Gerade erst hat ihm Luke Skywalker, sein Sohn, in der Wolkenstadt von Bespin sehr deutlich zu verstehen gegeben, dass er lieber sterben würde als an der Seite eines so verkorksten Vaters die Galaxis zu beherrschen. Doch statt aus Frust ein paar Leute zu erwürgen, wie er es sonst ganz gern tut, wenn etwas nicht nach Plan verläuft, stürmt Vader nach der erfolgreichen Flucht des Millennium Falken von der Brücke seines Flaggschiffs Executor und begibt sich schnurstracks zu seiner Raumfähre, um ebenfalls abzuhauen. Den auf einen Bericht wartenden Imperator lässt er einfach in der Leitung hängen.

Vaders etwas seltsames Ziel: Er will alle finden, die den Jungen vor ihm versteckt und ihn „schwach“ gemacht haben – und sie vernichten. Veteranen wissen: Die Mühe könnte er sich sparen. Alle Beteiligten – die Lars-Familie, Obi-Wan Kenobi, Bail Organa – sind Dank imperialer Gründlichkeit schon tot. Eigentlich müsste Vader das auch wissen, denn er war schon in „Star Wars Marvel Comics-Kollektion 6: Darth Vader – Schatten und Geheimnisse“ auf Tatooine und hat sich in den Ruinen der Lars-Feuchtfarm herumgetrieben. Trotzdem fliegt er erneut dorthin und wandert durch die Trümmer, begleitet von einem schwatzhaften Forensik-Droiden, der rekonstruiert, was über Lukes Vergangenheit bekannt ist.

Doch schon dort merkt man: Vaders martialische Aussage ist nur Show. In Wahrheit denkt er nämlich ständig an die Vergangenheit. In rötlich eingefärbten Panels erinnert er sich an seine Kindertage, vor allem an die Begegnung mit Padmé. Und an die Zeit mit seiner Mutter, speziell an ihren Verlust. Dann wird mal kurz ein Kampf eingeschoben, damit sich Vader abreagieren kann und damit wir Leser über so viel gefühlvolle Introspektion nicht vergessen, dass der Dunkle Lord eine geile Kampfmaschine ist.

Gefühle und Gewaltausbrüche – das wird auch die nachfolgenden Teile des Comics prägen. Vader erzählt etwas davon, der Spur über Padmé folgen zu wollen, was erneut keinen Sinn ergibt, denn er weiß bereits, dass Obi-Wan den Jungen vor ihm versteckt hat. Aber die Jagd ist natürlich eine gute Ausrede, um seiner verstorbenen Liebe auf Coruscant, Naboo und anderen Orten nachzuspüren, immer reichlich in Gedanken, gefolgt von blinder Zerstörungswut. Ja, Trauer ist schon so ein Problem, selbst für einen Sith-Lord.

Dass er zwischendurch ein paar alte Mitstreiter von Padmé trifft, ist ein netter Cameo. Auf tragische Weise lustig mutet auch der Gag an, dass diese Anakin Skywalker immer wieder als ihren Helden preisen, den es zu rächen gilt. In diesem Punkt erhält Vaders Zerrissenheit fast groteske Züge, denn er scheint nie genau zu wissen, ob er diese Leute, die im Grunde Feinde des Imperiums sind, umbringen oder sich mit ihnen auf der Suche nach Padmés „Mördern“ verbünden soll. Hier merkt man spätestens, wie fadenscheinig der ursprüngliche Reisegrund war. Davon, sich an den Leuten zu rächen, die Luke „schwach“ gemacht haben, redet niemand mehr. Es geht nur noch um Padmé – der Vader auch 22 Jahre nach ihrem Tod noch ziemlich krass nachzutrauern scheint.

Wäre der Comic der Beitrag zu einer Deutsch-Klausur, wäre ich als Lehrer verführt, „Thema verfehlt“ drunterzuschreiben, und das aus zwei Gründen. Zum einen finde ich, dass die Vergangenheitsbewältigung viel zu spät passiert. Ja, die Konfrontation mit dem eigenen Sohn mag nochmal alte Gefühle hochkochen lassen, aber die Suche nach Spuren von Padmé wäre im ersten Jahr von Anakins neuem Leben als Vader viel plausibler untergebracht gewesen als 22 Jahre (!) danach. Zum anderen mag diese Emo-Trip zwar vielleicht der Figur Vader psychologische Tiefe verleihen, aber er lenkt völlig von der eigentlich interessanteren Frage ab, was das Imperium in der Zeit zwischen „Das Imperium schlägt zurück“ und „Die Rückkehr der Jedi-Ritter“ getrieben hat.

Die Zeichnungen von Raffaele Ienco und die Farben von Neeraj Menon ergänzen sich gut. Vader ist sehr gelungen getroffen, und auch die anderen Figuren, Raumschiffe und Kreaturen haben einen hohen Wiedererkennungswert. Beklagenswert ist dagegen der Zustand der Covergalerie am Schluss. Fünf Cover auf eine Seite gepresst zu sehen, das schmerzt schon. Immerhin sind aber drei der fünf Cover auf dem Umschlag beziehungsweise neben der Einleitung (fast) ganzseitig abgebildet. Ein Trost.

Fazit: „Darth Vader – Das dunkle Herz der Sith“ ist ein Comic, der zu spät erscheint. Inhaltlich wäre die Handlung sehr viel besser in der ersten Staffel „Darth Vader“ aufgehoben gewesen, und auch innerhalb des Settings hätte es mehr Sinn ergeben, wenn sich Vader gute 20 Jahre früher auf seinen Emo-Trip begeben hätte. So bleibt ein Comic, der zwar auf nette Weise Prequel-Geschehnisse mit der Imperiums-Ära verknüpft und dabei auch wirklich gut aussieht, aber alles in allem zur falschen Zeit angesiedelt ist und eigentlich interessantere Fragen beiseite lässt.

Star Wars Marvel Comics-Kollektion 73: Darth Vader – Das dunkle Herz der Sith
Comic
Greg Pak, Raffaele Ienco, Neeraj Menon u.a.
ISBN: 978-3-7416-3786-5
128 S., Hardcover, deutsch
Preis: 16,99 EUR

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