Star Wars Marvel Comics-Kollektion 50: Doktor Aphra – Schlimmste unter Gleichen

Es geht abwärts und immer nur abwärts für Dr. Chelli Lona Aphra. Eben ist sie einem imperialen Gefängnis entronnen, nun findet sie sich als Teil eines perversen Experiments wieder. Der psychopathische Dr. Evazan hat sie und Triple-Zero mit implantierten Bomben aneinandergefesselt und dann ausgesetzt. Durch die Augen des Droiden beobachtet er nun ihr Schicksal – und erhofft sich eine hübsche Tragödie. Erneut beginnt der Kampf ums Überleben …

von Frank Stein

Der vorliegende, 162 Seiten umfassende Hardcoverband versammelt die US-Comic-Bände „Star Wars: Doctor Aphra #26-31“, die zwischen November 2018 und April 2019 erschienen sind und den mehr oder weniger in sich abgeschlossenen Sechsteiler mit dem englischen Titel „Worst Among Equals“ erzählen. Außerdem ist das „Annual 2: Winloss und Nokk“ aus dem September 2019 enthalten. Auf Deutsch ist die Sammlung bei Panini bereits im Februar 2020 als Softcover- und limitierter Hardcover-Sonderband herausgekommen. Autor der Story ist erneut Simon Spurrier, gezeichnet wurde das Ganze von dem Team Caspar Wijngaard, Emilio Laiso und Andrea Broccardo.

Der Comic beginnt mit dem Annual, das zeitlich etwas aus dem Rahmen fällt, denn es zeigt Aphra noch solo und anscheinend in bester schurkischer Archäologen-Form. Wobei es eigentlich erstmal nur die beiden Monsterjäger Winloss und Nokk zeigt, ein ungleiches Ehepaar aus plapperndem Menschen und harter Trandoshanerin. Das Markenzeichen des Mannes ist ein fetter Ausrüstungsrucksack, aus dem Roboterglieder ragen, sie ist merklich die anführende Jägerin. Und obwohl sich die beiden ständig zanken, merkt man zugleich, wie heillos sie einander verfallen sind. Ein schönes, ungewöhnliches Paar, das in Aphras Auftrag in einen unterirdischen Tempel vordringt – und dort einige Überraschungen erlebt. Natürlich endet die Beziehung der beiden zu Aphra schließlich mehr als angespannt. Als Leser denkt man am Ende: Schön, das war jetzt unterhaltsam, aber auch ein bisschen bedeutungslos. Dem ist zum Glück nicht so, denn Winloss und Nokk spielen noch eine Rollen in der folgenden Hauptstory.

Diese führt uns nach Milvayne, einen Planeten, der als Vorzeigewelt des Imperiums in Sachen Gesetz und Ordnung gilt. Just dorthin verschlägt es Aphra und Triple-Zero. Denn nachdem sie alle gerade erfolgreich einem imperialen Gefängnis entkommen waren, hat der Arzt und Geisteskranke Dr. Evazan sie überwältigt und Aphra und Triple-Zero mit implantierten Bomben aneinandergekettet. Einfach so zum Spaß. Weil er wissen will, wie lange sie es miteinander aushalten, obwohl Aphra Trip seit jeher misstraut und der sie töten will, weil sie ihm seine Erinnerungen vorenthalten hat. Ihre einzige Chance: Der persönliche Kybernetiker von Tam Posla, einem fanatischen Ordnungshüter von Milvayne, mit dem Aphra eine Weile zusammengearbeitet hat (und der jetzt tot ist – musste ja so kommen).

Auf Milvayne ist das Chaos vorprogrammiert, denn während Aphra eher auf Bestechung und Tricksereien setzt, kennt der sadistische Folterdroide Triple-Zero nur brutale Gewalt – und die bringt sie auf einer Welt voller Ordnungskräfte schon auf Seite drei des Comics in arge Bedrängnis. Gejagt von der Polizei, rachsüchtigen Monsterjägern und einem wahnsinnigen Machtpilz und außerdem im ständigen Konflikt mit sich selbst, müssen Aphra und Trip irgendwie zusammen überleben, wenn sie nicht in einem spektakulären Knall – zur Unterhaltung Evazans und einer ganzen Welt – ihr Leben aushauchen wollen.

Ich gestehe, dass mich der Comic zwiegespalten zurücklässt. Auf der einen Seite bietet er natürlich eine hervorragende Geschichte: düster, wendungsreich, tragisch, auch brutal. Man möchte wirklich nicht in Aphras Haut stecken, die nicht nur mit dem Dämon in Droidengestalt an ihrer Seite klarkommen muss, sondern auch von ihren inneren Dämonen beinahe aufgefressen wird, als ihr immer klarer wird, was für ein selbstsüchtiges, verantwortungsloses und ihren „Freunden“ den Tod bringendes Miststück sie eigentlich ist. Das geht so weit, dass Triple Zero sie deswegen beinahe mag – und das will was heißen! Wer ein intensives Vordringen bis an den seelischen Tiefpunkt Aphras mag, ist hier genau richtig.

Auf der anderen Seite wird es auch langsam schal. Dass Aphra eine miese Verräterin ist, die ihr Umfeld nur ins Unglück stürzt (und dann deswegen weint), das wissen wir nun schon seit zwei Sammelbänden. Irgendwann ist sie mal als dreiste Schurken-Archäologin an den Start gegangen. Davon ist praktisch nichts mehr übrig geblieben. Aktuell drehen sich ihre Geschichten nur noch um sie und ihre kaputten Beziehungen zu einem Reigen kranker Charaktere wie Triple-Zero, der Ein-Mann-Armee im R2-Gehäuse Beetee, dem Wookiee-Gladiator Black Krrsantan oder der imperialen (Ex)Inspektorin Magna Tolvan. Liebe, Hass, Verrat, Bedauern – auf dieser Klaviatur spielt Autor Simon Spurrier. Galaktische Archäologie hat da nur noch eine Nebenrolle.

Optisch wird gute bis sehr gute Kost geboten. Nicht jeder Gesichtsausdruck mag sitzen, aber die Bilder sind detailreich und dynamisch und trotz aller Tristesse aufregend bunt. Es wird einiges fürs Auge geboten, überwiegend in kleinen, vollen Panels, gelegentlich aber auch in umso eindrucksvolleren Halb- und Ganzseitern. Da gibt es nichts zu meckern.

Das Drumherum entspricht der „Star Wars Marvel Comics Kollektion“. Das Vorwort lässt bisher Geschehenes Revue passieren, um den Einstieg in diesen hier zu erleichtern. Begleitet wird der Text von einem Cover von „Doctor Aphra Annual #2“. Die Cover-Galerie am Ende bietet die 6 Cover auf 3 Seiten jeweils relativ klein. 3 der 6 findet man immerhin auf dem Cover, dem hinteren Umschlag und hinter dem Inhaltsverzeichnis in groß.

Fazit: Das Chaos in Aphras Leben geht auch im neuen Sammelband weiter. Der Kampf ums Überleben wird wendungsreich und voller Dramatik geschildert, gleichzeitig tauchen wir praktisch bis zum finsteren Grund von Aphras Seele hinab. Einzig wer sich mehr Archäologie und leichtherzige Schurkenstücke erhofft hat, wird von dem Band erneut enttäuscht. Die Handlung konzentriert sich voll und ganz auf Aphra und ihre kaputten Beziehungen.

Star Wars Marvel Comics-Kollektion 50: Doktor Aphra – Schlimmste unter Gleichen
Comic
Simon Spurrier, Kev Walker u. a.
Panini Comics 2023
ISBN: 978-3-7416-3249-5
162 S., Hardcover, deutsch
Preis: 16,99 EUR

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