Star Wars: Han Solo – Kadett des Imperiums

Dass Han Solo eine unrühmliche Vergangenheit als imperialer Kadett hat, ist schon seit guten alten George-Lucas-Zeiten etabliert. Im Kinofilm „Solo – A Star Wars Story“ wurde den Fans immerhin verraten, wie der im Herzen so rebellische Charakter zum Imperium kam – und wie er wieder von dort Abschied nahm. Dazwischen klafft eine erzählerische Lücke. Es wäre nicht zwingend nötig gewesen, sie zu schließen, aber der vorliegende Comic versucht es trotzdem.

von Frank Stein

Der Comic von Robbie Thompson beginnt mit einem kurzen, hektischen Prolog auf Solos Heimatwelt Corellia, während dem wir – wichtig für den Rest der Story – Qi’ra kennenlernen, Hans große Jugendliebe und Antrieb für sein ganzes späteres Handeln. In einer Bildmontage, die ohne Kenntnis des Kinofilms „Solo“ kaum zu verstehen ist, springt die Handlung dann bis zu dem Punkt vor, an dem Han und Qi’ra am Raumhafen von Coronet City getrennt werden. Unmittelbar danach setzt das Comic-Abenteuer ein. Han befindet sich an Bord eines Shuttles, das zur Flottenakademie auf Carida unterwegs ist und natürlich eckt er direkt an, weil er keine Nummer sein will, sondern immer wieder seinen Namen nennt.

Auch während der Ausbildung bleibt Han ein Querulant und – nomen es omen – ein Einzelgänger. Eigentlich will er nur fliegen, damit er irgendwann nach Corellia zurückkehren kann. Stattdessen sieht er sich Drill und Schleiferei ausgesetzt, schreiende Unteroffiziere und aggressive Mitkadetten inklusive. Was auf diesen Seiten passiert, kennt man bereits aus zahlreichen Militärgeschichten. Die Klischees sind immer die gleichen. Da gibt es den arroganten Klassenbesten, der alle schikaniert, damit er an der Spitze bleibt. Es gibt den (hier sind es Zwillinge) Witzbold. Es gibt die taffe Soldatin, die sich in einer Männerwelt durchsetzt. Und es gibt den harten Ausbilder, der trotzdem eine gewisse Verbindung zum eigenwilligen Han verspürt, weil er selbst auch mal jung und rebellisch war – bevor er sich der Ordnung des Imperiums unterworfen hat.

Trotz aller Widrigkeiten bleibt Han aber immer obenauf. Er mag mal in eine Schlägerei verwickelt sein und er mag mehrfach im Knast sitzen (Aussicht auf Hinrichtung inklusive), doch sein Draufgängertum und seine frechen Sprüche verliert er dabei nie. Hier beschönigt der Comic, wenn man so will, die Situation deutlich mehr als es berüchtigte Antikriegsfilme wie etwa „Full Metal Jacket“ tun. Allerdings fehlt auch das glorifizierende Pathos von „Top Gun“. Es ist einfach eine Ausbildung, deren Mühsal man eher erahnt als wirklich erlebt. Dramatischer wird es da schon gegen Ende, wenn es für die Kadetten heißt, in den echten Einsatz zu ziehen. Hier zeigt sich, was es heißt, ein Soldat das Imperiums zu sein. Und hier ist die Geschichte auch am stärksten.

Von der grafischen Seite gewinnt der Comic leider keinen Sabacc-Pott. Leonard Kirk hat einen ruppigen, rauen Strich, was durchaus zum Setting passen mag. Allerdings trifft er selbst die einzige bekannte Figur – Han Solo – nicht besonders gut. Weder Alden Ehrenreich noch der junge Harrison Ford sind in diesem Han zu erkennen. Auch sonst sind Gesichter, die Helme von Sturmtruppen und der ein oder andere Tie-Jäger merklich verzerrt. Wirklich gut gelingen Kirk nur die Actionsequenzen, die sehr dramatisch in Szene gesetzt werden. (Ich denke da vor allem an den Luftkampf um die Stadt Howlan, der auch episch mit einem doppelseiten Panel eingeleitet wird.)

Angehängt an die Hauptstory wird noch ein von Gerry Duggan geschriebener One-Shot um Tobias Beckett, jenen im Film „Solo“ von Woody Harrelson verkörperten Revolverhelden, der kurze Zeit für Han eine Art Mentor ist. Wir erleben hier, wie Beckett und seine zwei Halunkenfreunde Val und Rio Durant einen Diebstahljob für den Gangsterboss Dryden Vos durchziehen (zumindest glauben sie das). Der One-Shot funktioniert großartig, um den Nebenfiguren des Films „Solo“ noch ein wenig die Bühne zu bereiten, wenngleich er leider viel zu kurz ist, um inhaltlich wirklich zu packen. Visuell wurden die drei kurzen Kapitel, die in ihrer Präsentation an einen Spaghetti-Western erinnern, von gleich drei Künstlern verantwortet, wobei Edgar Salazar, Marc Laming und Will Sliney alle einen soliden Job hinlegen. Qualitativ würde ich dieses Einzelwerk über dem vorhergehenden Fünfteiler einordnen.

Abschließend stellt sich mir noch eine Frage: Wer sollen eigentlich der lustige kleine Roboter, der Bith und die violetthaarige Schönheit sein, die auf dem Cover des Sammelbands abgebildet sind? Keiner der drei taucht auch nur in einem Panel der Comic-Mini-Serie auf. Nicht einmal in der kurzen Casino-Szene. Schade, die sehen aus, als hätten sie zusätzliche Farbe in die Handlung gebracht.

Fazit: „Star Wars: Han Solo – Kadett des Imperiums“ schließt eine zeitliche Lücke, die der Film „Solo – A Star Wars Story“ belassen hatte. Ich sage hier absichtlich „zeitliche“ und nicht „inhaltliche“, weil das, was Han im Dienst des Imperiums erlebt, bevor er Mimban im Film erreicht, jetzt nicht so spannend ist, dass man es unbedingt hätte wissen müssen. Der Zusammenprall Han und Imperium verläuft ziemlich genau wie erwartet – mit vielen dummen Sprüchen und Tagen im Arrest. Dazu gesellen sich ein paar Standardsituationen aus gängigen Militärakademiegeschichten, etwa der arrogante Überfliegerkadett oder der knurrige Ausbilder. Ebenso wie der angehängte Beckett-One-Shot als Begleitwerk zum Kinofilm absolut lesbar, aber grundsätzlich eher unterhaltsames Mittelfeld als Highlight.

Star Wars: Han Solo – Kadett des Imperiums (Sonderband 115)
Comic
Robbie Thompson, Leonard Kirk, Gerry Duggan u.a.
Panini Comics 2019
ISBN: 978-3-7416-1413-2
156 S., Softcover, deutsch
Preis: EUR 20,00

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