Star Wars – Die Hohe Republik: Die Versuchung der Macht

Jedi sollen nicht lieben – so hieß es mehr oder weniger dogmatisch zu „Star Wars“-Prequel-Zeiten. Liebe führt zu Abhängigkeit, Eifersucht, Besitzansprüchen, Überfürsorge, Verlustängsten und letzten Endes zur Dunklen Seite der Macht. Vorgelebt wurde uns das an Anakin Skywalker, wobei das Beispiel zumindest fragwürdig ist, denn der Junge hatte noch eine Menge andere Probleme. In diesem Buch nun definiert Tessa Gratton das Thema Liebe für die Jedi neu – neben zwei, drei anderen Dingen.

von Frank Stein

Das Cover zeigt die zwei Jedi-Meister Avar Kriss und Elzar Mann. Früher waren sie ein Dreigestirn, gemeinsam mit Meister Stellan Gios, doch der hatte sich am Ende von Phase I des Großprojekts „Die Hohe Republik“ beim tragischen Fall der Starlight-Station heroisch geopfert. Dennoch geistert sein Name immer wieder durch die Seiten dieses Buchs, das gut eineinhalb Jahre später angesiedelt ist und zur zweiten (mittleren) Welle der abschließenden Phase III gehört, etwa immer dann, wenn sich Avar und Elzar daran erinnern, was für ein Vorbildjedi er doch war. Ihnen selbst fällt es schwer, sich als solche zu fühlen. Beide sind seit Monaten schwer bepackt mit dem eigenen Versagen während der Nihil-Krise, den Fehlern, die sie im Kampf gegen den diabolischen Marchion Ro begangen haben. 

Dazu kommt, dass sie sich lieben. Irgendwie haben sie sich schon immer geliebt. Aber Liebe ist so ein Tabuthema unter den Jedi. Liebe erzeugt Abhängigkeit, Eifersucht und eine Menge anderer emotionaler Verwicklungen und Probleme, die, passt man nicht auf, schnurstracks auf den Pfad zur Dunklen Seite führen. Und für die ist Elzar Mann ohnehin anfällig, nicht ganz so sehr wie Anakin Skywalker, aber seine emotionale, auch wütende Seite hat eine gewisse Ähnlichkeit. Dennoch: Avar und Elzar lieben sich, sie brauchen sich, gerade in Zeiten wie diesen, um sich Halt und Kraft zu geben. Und so verwendet Autorin Tessa Gratton viele Seiten, um uns Leser ebenso gefühlvoll wie beharrlich zu überzeugen, dass Liebe im Kern eben doch etwas Gutes ist, auch für die Jedi. Dass Liebe für Licht und Leben steht, Harmonie in sich birgt und man gemeinsam stärker ist als allein. Und so zeigt sich, was eigentlich klar ist: Nicht die Liebe an sich ist das Problem für einen Jedi, sondern die Art und Weise, wie er sie lebt. 

Doch bevor jetzt mancher zurückschreckt: „Die Versuchung der Macht“ ist deswegen keine Weltraum-Soap-Opera. Es passiert noch viel mehr und das mit einer überbordenden, fast zu großen Darstellerriege. Da wäre beispielsweise der Wookiee-Jedi Burryaga, der mit seinem Freund Bell Zettifar am Rand der Okklusionszone unterwegs ist, um Nihil aufzuhalten, den wieder aufgetauchten Drengir nachzuspüren und das Rätsel der verheerenden Plage zu lüften, die auf immer mehr Planeten auftaucht und dort alles Leben auslöscht, ein grauer, wuchernder „Schimmelfraß“, der nur Staub zurücklässt und damit auf unheimliche Weise an die macht-fressenden Namenlosen erinnert, die sich Marchion Ro hält, um seine Jedi-Feinde zu töten. Da wäre beispielsweise der alte Jedi Porter Engle, der geradezu besessen Generalin Viess, eine von Ros Lakaien, nachjagt, die seit Jahrzehnten seine Erzfeindin ist, weil sie ihm und seiner Schwester (im Comic „Die Hohe Republik: Die Klinge“) einst Leid zugefügt hat. Nebenbei erhalten Kanzlerin Lina Soh, Cair San Tekka und sein Mann Xylan Graf, die ehrgeizige Nihil-Ministerin Ghirra Starros und ihre entfremdete Tochter Avon sowie Jedi-Ritterin Vernestra Rwoh ihre „Screentime“, sodass die 560 Seiten Buch gut gefüllt sind.

Und dann ist da noch Marchion Ro selbst. Dessen Part ist ebenso erfreulich und ärgerlich, wie schon in „Das Auge der Finsternis“. Erfreulich nenne ich ihn, weil Ro schon ein faszinierender Bösewicht ist. Irgendwie wirkt er wie ein gelangweilter Teenager, der gewalttätig gegen die Welt (hier: die Galaxis) austeilen will, obwohl er selbst nicht so genau weiß, warum. Macht, Einfluss, Reichtum, das alles interessiert ihn nicht. Er hat den Sturmwall errichtet und sein Nihil-Reich aus den Randterritorien geschnitten, aber eigentlich kann er damit nichts anfangen. Die große Show, der große Schock, dafür lebt Ro. Der ungeliebte Außenseiter (aus einem ungeliebten Außenseiter-Volk) will allen den Stinkefinger zeigen, immer wieder. Die Hyperraumkatastrophe von Hetzal, der Angriff auf die Republik-Schau von Valo, die Zerstörung der Starlight-Station und schließlich die Aktivierung des Sturmwalls – das waren Momente voller Brutalität und Chaos, die ihm gefallen haben. Im vorliegenden Buch nun wendet er seine ganze Aufmerksamkeit der Plage zu, dieser absoluten Massenvernichtungswaffe. Sie zu kontrollieren, ist sein größter Wunsch, dem er sich mit bemerkenswerter Experimentierfreude annähert. Dafür lässt er alles andere stehen und liegen. Die Nihil und ihre Ziele spielen für ihn kaum noch eine Rolle, denn letzten Endes ist die Okklusionszone für Ro doch nur ein selbst errichtetes Gefängnis voller Stagnation.

Das ist dann der ärgerliche Part. Denn mehr denn je ist der Feind, dem die Jedi und die Republik gegenüberstehen, eigentlich lachhaft, wenn man länger darüber nachdenkt. Die Zahlen der Nihil sind viel zu gering und ihr Handeln viel zu konfus, um ihr Territorium zu halten. Der Sturmwall wird immer löchriger, teilweise sogar ganz durchbrochen. Schließlich muss sogar Ros Schiff, die Gaze Electric, die Energieversorgung des Walls übernehmen, was sie seltsamerweise nicht daran hindert, sich frei durch den Republikraum zu bewegen, viele Lichtjahre vom Äußeren Rand entfernt (in meinen Augen eindeutig ein Plotfehler). Würden die Jedi und die Streitkräfte der Republik den Kampf gegen die Nihil nur ein bisschen ernst nehmen – also: nicht nur ernst darüber reden, sondern auch handeln –, wäre er schon längst vorbei. Die Bojen des Sturmwalls wären zerschossen. Die Namenlosen durch Kampfdroiden getötet. Und Ros Schiff wäre einer Flotte von RVK-Kreuzern zum Opfer gefallen.

Aber nein. Einmal mehr gelingt dem Bösen am Ende ein fataler Coup, weil die Guten aus dramaturgischen Gründen dumm sein müssen. Ja, ihnen gelingt es zeitweise, den Sturmwall zu knacken. Aber warum bei der Macht fliegen sie dann mit weniger als einem halben Dutzend Kampfschiffen hindurch, statt eine Flotte zu entsenden? Ja, die Jedi erkennen, dass sie gegen die Namenlosen hilflos sind. Sie reden sogar darüber! Und dennoch ziehen sie nach wie vor ständig allein los, statt in kombinierten Einsatztrupps mit normalen Soldaten und Kampfdroiden. In gleich zwei Konfrontationen kommen Jedi dabei fast um. Nichts davon wäre passiert, wenn sie ihre eigenen Erkenntnisse umsetzen würden. Und schließlich das Finale: Ja, ich weiß, es sollte passieren, weil es dramatisch ist. Aber eigentlich wissen die Guten, was Marchion Ro kann und will (Stichwort: Vernestra Rwoh). Und dennoch lassen sie ihn so nah an sich heran, dass er ihnen die Katastrophe praktisch direkt ins Wohnzimmer trägt. Da kann man nur den Kopf schütteln.

Fazit: Es bleibt im Fazit im Grunde so, wie ich es schon zum Vorgängerroman schrieb. Tessa Grattons Roman ist kurzweilig, gar keine Frage. Er hat ein paar tolle Spannungsmoment – gerade der Kampf um Naboo in der Mitte – und vor allem viele schöne Charakterszenen. Das Ensemble ist vielleicht etwas groß, aber so entsteht zumindest ein gutes Gefühl von galaktischer Tragweite. Und das Thema Liebe wird auf schöne Weise aus unterschiedlichen Richtungen erforscht. Ärgerlich bleibt, dass die Bösen erfolgreich sind, weil die Guten zu dumm sind, um effektiv zu handeln. Das ist ein Meta-Ebene-Problem, an dem die Phase III schon zuvor gekrankt hat. Natürlich sollen die Guten erst am Ende siegreich sein. Aber wenn die Bedrohung das über zig Bücher hinweg eigentlich gar nicht hergibt, dann bleibt ein etwas schaler Beigeschmack. Hier hätte das Team um „Die Hohe Republik“ meines Erachtens sorgfältiger planen müssen.

Star Wars – Die Hohe Republik: Die Versuchung der Macht
Film/Serien-Roman
Tessa Gratton
blanvalet 2025
ISBN: 978-3-7341-6407-1
560 S., Paperback, deutsch
Preis: 16,00 EUR

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