von Frank Stein
„Die Vernichtung“, geschrieben von Lydia Kang, die hiermit ihr „Star Wars“-Romandebüt gibt, ist der Erwachsenenroman der zweiten Welle der Phase II des Literatur-Großprojekts „Die Hohe Republik“. Der Roman schließt einerseits an die Geschehnisse aus Zoraida Córdovas „Die Verschwörung“ an, andererseits an „Die Schlacht von Jedha“ von George Mann. Außerdem läuft er zeitlich parallel zu Cavan Scotts Young-Adult-Roman „Der Pfad der Rache“ sowie Tessa Grattons Jugendroman „Auf der Suche nach Planet X“. Letzteren muss man nicht gelesen haben, um die Geschehnisse im vorliegenden Buch zu verstehen, aber die übrigen Bände empfehlen sich als Vorab-Lektüre, das gilt nicht zuletzt für „Der Pfad der Rache“, denn darin passieren Dinge, die hier oft nur angedeutet werden und ansonsten als verwirrende Informationslücken wahrgenommen werden könnten.
Die Handlung beginnt mit einer etwas durchsichtigen, aber zunächst dennoch wirkungsvollen Intrige. Binnot Ullo, ein Schurke an der Seite der Mutter beim Pfad der Offenen Hand und hier sehr überzeugend als absoluter Fiesling und Antagonist etabliert – die Mutter selbst ist bei Cavan Scott gebunden –, macht zufällig Bruch mit seinem Raumschiff auf dem Mond zwischen Eiram und E’ronoh. Ebenso zufällig findet man in seinem Laderaum einen biologischen Kampfstoff, der Eirams Meere verheeren könnte. Natürlich dauert es nicht lange, bis die ohnehin noch misstrauischen und zornigen Planetenbevölkerungen wieder über sich herfallen, allen Bemühungen der friedliebenden Thronerben zum Trotz. Um Eiram und E’ronoh endlich Ruhe und Stabilität bringen zu können, müssen die Drahtzieher der Intrige ermittelt werden.
Parallel dazu beschäftigt Jedi-Ritterin Gella Nattai noch immer der Verrat des Kanzlerinnensohns Axel Greylark. Dieser hatte die Hochzeit von Xiri und Phan-tu buchstäblich im Chaos versinken lassen. Nun sitzt er im Gefängnis, aber Gella will Antworten, sodass sie sich mit Jedi-Meister Orin Darhga zu ihm auf den Weg macht. An wieder anderer Front, auf Coruscant, machen sich Meister Yoda und Kanzlerin Greylark Sorgen um den Zustand der Galaxis, sodass sie die Jedi Creighton Sun und Aida Forte nach Dalna schicken, um Nachforschungen anzustellen. Gleichzeitig werden sie von Meisterin Yaddle und ihrem widerspenstigen Padawan Cippa kontaktiert werden. Yaddle kommt in diesem Roman irgendwie aus dem Nichts und entwickelt sich später zu einem Joker auf Dalna, denn sie tut und lässt einfach, was ihr gefällt – was die Macht ihr sagt – und das mit ziemlicher Effizienz. Und dann sind da noch die Jedi Char-Ryl-Roy und Enya Keen, die erst zwischen Eiram und E’ronoh vermitteln helfen sollen – und sich dann auch nach Dalna auf den Weg machen.
Schließlich landet eine Unmenge an Einzelgrüppchen rund um die Anlage des Pfads der Offenen Hand – und dann kommt es zum gewaltigen Finale, das sich – in diesem Fall – im Wesentlichen oberirdisch abspielt und zwischen Pfadanhängern und Kampfdroiden auf der einen sowie Jedi und Dalna-Kolonisten auf der anderen Seite ausgetragen wird.
Auch über diesem Roman hängen zwei große Themenkomplexe: die Unfähigkeit der Leute zu Kommunikation und die mangelnde Koordination innerhalb des Jedi-Ordens. Die Kommunikationsprobleme sind einerseits ständig und überall sabotierten Funkbojen geschuldet, gewissermaßen die Hauptwaffe des Pfads der Offenen Hand (und der Autorin), um zu verhindern, dass das Problem schnell aus der Welt geschafft wird (und der Roman ein schnelles Ende findet). Und dann liegt es natürlich auch an den Persönlichkeiten: Axel kann nicht mit seiner Mutter reden, Eiram nicht mit E’ronoh, bei den Jedi scheint sowieso jeder sein Ding zu machen, sodass sie regelmäßig überrascht sind, wenn einer plötzlich unerwartet auf den anderen trifft. Wie viele Jedi-Teams am Ende in der Anlage des Pfads und in den Höhlen darunter unabhängig voneinander unterwegs sind, das grenzt schon an Satire.
Den Endkampf, den Lydia Kang inszeniert, kommt dabei erstmals in die Nähe von etwas, das man später „Night of Sorrow“ nennen könnte, denn dadurch, dass die Einwohner von Dalna (zumindest einem Dorf um die Ecke; mehr Zivilisation scheint es auf dem Planeten nicht zu geben) in den Konflikt einbezogen werden – und durch den schier endlosen Nachschub an Kampfdroiden auf Seiten des Pfads –, kommt es zu ziemlich vielen Toten. Das obligatorische Unwetter, das während der ganzen Schlacht tobt, tut das seine, den Geschehnissen einen übernatürlichen Schreckensanstrich zu verleihen.
Das Ende fühlt sich angenehm rund an, denn es bietet allen (überlebenden) Protagonisten eine Perspektive, während auf der Seite der Antagonisten keine Fäden offen bleiben – wenn man denn das Buch „Der Pfad der Rache“ bereits kennt. Ansonsten fragt man sich mit Fug und Recht, wo in diesem ganzen Roman eigentlich die Mutter, Marda Ro oder deren Schiff, die Gaze Electric, geblieben sind. Denen widmet Kang nämlich kaum einen Satz. Hier wäre eine etwas bessere Absprache zwischen den Autoren wünschenswert gewesen.
Fazit: „Die Vernichtung“ bringt, zusammen mit „Der Pfad der Rache“, die Phase II zu einem runden Abschluss. Dabei hat der Roman inhaltlich gar nicht so viel zu bieten. In einer langen Exposition werden alle Schachfiguren über Umwege auf Dalna in Stellung gebracht, dann kracht es über lange Seiten nur noch bis der neue Morgen über dem Planeten anbricht. Ein bisschen schmälert das die Spannung insgesamt, und das auffällige Fehlen einiger Personen mag ebenso irritieren. Stark ist einmal mehr die Charakterzeichnung des verdorbenen Kanzlerinnensohns Axel Greylark. Die Menge auftretender Jedi verhindert dagegen ein wenig die feste Bindung des Lesers. Gerade Enya Keen und Char-Ryl-Roi hätte es in meinen Augen nicht gebraucht. Dennoch unterm Strich eine Lektüre, die gut unterhält und in jedem Fall mehr zum übergeordneten Handlungsbogen der „Hohen Republik“ beiträgt als etwa die beiden Jugendromane.
Star Wars – Die Hohe Republik: Die Vernichtung
Film/Serien-Roman
Lydia Kang
blanvalet 2024
ISBN: 978-3-7341-6379-1
544 S., Paperback, deutsch
Preis: 16,00 EUR
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