von Ye Olde Jedi-Master
Der siebzehnjährige Karr (im Text gelegentlich unpassend noch als „Kind“ bezeichnet) leidet unter einer seltsamen „Krankheit“. Manchmal, wenn er Dinge anfasst, bekommt er furchtbare Kopfschmerzen und erlebt in Visionen einen Teil der Vergangenheit dieser Gegenstände. Andeutungen seiner Großmutter (mittlerweile verstorben) zufolge, ist er empfänglich für die Macht. Doch was für ein Ding ist das eigentlich? Und was hat es mit den Jedi auf sich, die zur Zeit der Alten Republik der heiße Scheiß in der Galaxis waren, seit dem Aufstieg des Imperiums aber systematisch aus der Historie getilgt wurden und jetzt, mit dem Aufkommen der Ersten Ordnung, nur noch Legenden sind? Karr will Antworten. Zum Glück lernt er das rebellische Mädchen Maize kennen, die mit ihm das Raumschiff ihres Vaters, eines hohen Tiers in der Ersten Ordnung, klaut und kurzentschlossen ins All startet. Es wird eine Reise in die Vergangenheit der „Star Wars“-Galaxis – und zugleich eine Reise in Karrs eigene Vergangenheit.
Vielmehr kann man über die Handlung des Romans „Der Sammler“ (auf Englisch etwas aussagekräftiger „Force Collector“) eigentlich nicht sagen – nicht weil dann die Gefahr von Spoilern gegeben wäre, sondern weil mehr einfach nicht in diesem Abenteuer passiert. Zwei unangepasste Jugendliche gehen mit einem typisch exzentrischen Droiden (man kennt diese Art von schrägen Blechkameraden schon aus diversen anderen „Star Wars“-Abenteuern) auf galaktische Tour, wobei sie verschiedene Planeten anfliegen, Artefakte sammeln und so Stück für Stück über die Jedi und ihre Historie zusammensetzen, was eigentlich jeder Fan weiß, der die Prequels und die klassische Trilogie gesehen hat. (Und wenn man bedenkt, dass es erst wenige Jahre her ist, dass Luke Skywalker zusammen mit Leia Organa eine neue Jedi-Akademie gegründet hat, sollte auch die Galaxis mehr darüber wissen, aber die Geschichtsvergessenheit in der Neuen Republik ist ein ganz eigenes Problem der Sequel-Film-Zeit.)
In superkurzen Flashbacks lernt man so jedenfalls Anakin Skywalker, Obi-Wan Kenobi und Sifo-Dyas kennen. Ansonsten liegt der Fokus sehr auf den Welten und Figuren der neuen Disney-Ära. So gibt es unter anderem Cameos von Unkar Plutt auf Jakku und Maz Kanata auf Takodana. Außerdem besuchen wir natürlich Batuu, diese grüne Welt am Allerwertesten der Galaxis, die vor ein paar Jahren noch gar nicht (im Kanon) existierte, mittlerweile aber durch gezielte Maßnahmen der neuen Lizenzinhaber selbst Tatooine den Rang als wichtiger Treffpunkt aller Helden und Schurken abläuft. (Muss ja so sein, schließlich ist Batuu der Schauplatz der „Star Wars“-Themenwelt in Disneyland; dieser Planet muss also geil sein, sonst will ja keiner dorthin pilgern, um harte Dollars auszugeben.)
Da der Roman im Rahmen der Multimedia-Offensiver „ Journey to Star Wars: Der Aufstieg Skywalkers“ erschienen ist, war natürlich interessant, zu sehen, welche Vorweise auf den zugehörigen Film gegeben wurden. Doch leider enttäuscht er da ähnlich wie seine Vorgänger zu den anderen Filmen. Ein kurzer und nichtssagender Besuch auf einer Welt, die im Film vorkommt, das ist alles. Nicht mal einen passenden Cameo der Figuren, die auf dieser Welt aktiv sind, gab es.
Kevin Shinick mag ja Emmy-Preisträger sein, wie auf dem Buchcover groß geworben wird. Aber innerhalb der engen Grenzen, die man ihm bei diesem Roman offensichtlich gesetzt hat, kann er sein Talent nur durch seinen flotten und stellenweise sehr gelungen humorvollen Stil ausspielen. Die Handlung an sich ist zu keinem Zeitpunkt wirklich spannend, sieht man von der Frage ab, wohin Karrs Reise führt und was sie noch ergeben mag – und selbst das kann man sich schon bald zumindest grob denken (und, ja, diese Ahnung bestätigt sich dann). Die Jugendlichen geraten niemals wirklich in Bedrängnis. Jeder Halunke und jeder Soldat der Ersten Ordnung bellt nur, beißt aber nicht. Als Coming-of-Age-Geschichte von Karr funktioniert das ganz gut. Als „Star Wars“-Roman (wir erinnern uns: „Star Wars“ hat seine Wurzeln in überlebensgroßen Pulp-Serial-Abenteuern) bleibt das Ganze jedoch ziemlich blass, handzahm – und für den Kanon regelrecht bedeutungslos.
Fazit: Ein Abenteuer auf „Fünf Freunde“-Niveau. Zwei Kids, ein Droide, ein Raumschiff und eine Handvoll exotischer Planeten, auf denen alle Bösewichte gar nicht so schlimm sind. Raumkämpfe, Verfolgungsjagden, Blasterduelle oder überhaupt irgendwelche gefahrvollen Szenen: Fehlanzeige. Junge Leser, die gerade selbst dabei sind, „Star Wars“ (und seine mittlerweile 40-jährige Geschichte) für sich zu ergründen, mögen sich im Protagonisten dieses „Young Adult“-Werks wiederfinden (die zahlreichen Querverweise verstehen sie allerdings nur, wenn sie zuvor Episode I bis VII geschaut haben). Kenner erfreuen sich vielleicht an ein oder zwei Cameos. Aber unterm Strich bleibt es ein für die Saga ausnehmend nebensächliches und folgenloses Werk; nicht der erste „Star Wars“-Roman der Disney-Ära, dem man das attestieren muss. Schade. (Bei den Comics funktioniert das komischerweise viel besser mit der Action und dem Drama. Warum auch immer …)
Star Wars: Der Sammler: Journey to Star Wars: Der Aufstieg Skywalkers
Film/Serien-Roman
Kevin Shinick
Panini Books 2019
ISBN: 978-3-8332-3831-4
320 S., Paperback, deutsch
Preis: EUR 15,00
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