Splitterdämmerung 7: Die Verlorenen Lande

Zwanzig Jahre sind seit dem Verrat des ehemaligen Reichserzmarschalls Helme Haffax vergangen. Endlich zieht das Mittelreich gegen den letzten Heptarchen, den großen Feind und Stachel in der Ordnung des Raulschen Reiches. Haffax soll aus Tobrien vertrieben und das besetzte Herzogtum befreit werden. Während des kaiserlichen Schwertzugs müssen die Helden und die drei Kaiserlichen Heere große Herausforderungen in den Verlorenen Landen lösen, ehe sie Haffax’ Hauptstadt Mendena erreichen.

von Ansgar Imme

Kurz vor Erscheinen der neuen fünften Edition von „Das Schwarze Auge“ schließt der Ulisses Verlag seinen Zyklus um die „Splitterdämmerung“ mit den verbundenen Bänden „Die Verlorenen Lande“ und „Der Schattenmarschall“ ab. Diese bilden eine Einheit und sollten am besten hintereinander auch gespielt werden, da die Handlung eng zusammenhängt. Der Zyklus selbst entwickelte in mehreren voneinander weitestgehend unabhängigen Abenteuerbänden die sogenannten „Schwarzen Lande“ weiter und klärte das Schicksal der Splitter der sogenannten „Dämonenkrone“.

Die beiden letzten Bände wurden von mehreren Autoren geschrieben, wobei für „Die Verlorenen Lande“ gleich elf Autoren tätig waren, die alle schon durch vorherige Publikationen mehr oder weniger bekannt sind. Mehrere größere Spielhilfen oder Abenteuer wurden in der Vergangenheit durch Katja Reinwald, Michael Masberg, Dominic Hladek und Daniel Simon Richter veröffentlicht.

Handlungsüberblick

Mit 192 Seiten bringt „Die Verlorenen Lande“ noch einmal ein richtiges Schwergewicht für Leser und Spieler auf die Waage. Neben einem umfangreichen Einleitungskapitel, welches Hintergründe und Vorgeschichte klärt und die Person Helme Haffax charakterisiert, gibt es fünf Kapitel, die den Weg der drei Heere Rohajas (unter Führung des tobrischen Herzogs Bernfried von Ehrenstein, des Marschalls Alrik vom Berg und der Kaiserin Rohaja selbst) von der Heerschau in Gallys bis vor die Tore der Fürstkomturenstadt Mendena und die Schlacht um dieselbe beschreiben. Am realistischen ist dabei die Variante, dass die Spieler mit ihren Helden eines der Heere begleiten und für besondere Aufgaben ausgesandt werden. Alternativ schlagen die Autoren vor, die Helden mittels Magie, alter Trollpfade oder Dschinnen zwischen den Heeren springen zu lassen, sodass sie einen Großteil der Herausforderungen erleben können.

Die Handlung beginnt mit der kaiserlichen Heerschau zu Gallys oder der herzöglichen Heerschau zu Perainefurten. Der Beginn der Heerzüge wird jeweils sowohl durch Agenten des Gegners mit Sabotageakten als auch durch profane Probleme gestört und sogar erheblich verzögert, wenn die Helden nicht eingreifen und die Situation bereinigen. Zudem können Allianzen geschmiedet und unerwartete Verbündete gewonnen werden. Während des Zuges der drei Heere werden die Helden für besondere Aufgaben von den Heerführern herangezogen: Dazu gehören beispielsweise die Infiltration einer Festungsstadt zur Vermeidung der Belagerung durch das Heer, der Schutz eines Prinzen während einer Schlacht oder die Befreiung eines Draconiterhortes aus den Händen von Haffax’ Schergen und damit die Sicherung des Vorankommen des Heeres. Aber auch diplomatische Aufgaben zur Vermeidung von Kämpfen, die Erforschung von Traumbildern und anschließende Auseinandersetzung mit einem hochrangigen Kirchenvertreter, das Auskundschaften der fürstkomturischen Flotte und die Rückeroberung der tobrischen Feste Wolfenstein werden an die Helden herangetragen. Als die Heere mit den Helden vor den Toren Mendenas stehen, kommt es zur Schlacht mit den Verteidigern, die noch einige üble Tricks parat haben. Als der Kampf geschlagen scheint, hat Haffax jedoch noch ein letztes Ass im Ärmel, welches bei den Adligen des Reiches und der Kaiserin für Entsetzen sorgt.
 
Kritik: Aufmachung, Layout, Inhalt

Mit dem vorletzten Band der „Splitterdämmerung“ wird noch einmal ein echter Brocken von 192 Seiten veröffentlicht. Allerdings sind darin fast 40 Seiten Einleitung inklusive Personenbeschreibungen und Informationen zu den Heeren sowie ein 30-seitiger Anhang mit Kampfwerten der Heeresteile und besonderer Einheiten sowie Scharmützelregeln enthalten. Als Ergänzung finden sich im Band an den jeweiligen Stellen (leider nicht noch mal gesammelt im Anhang) Karten vor allem zu wichtigen Städten, als Übersicht zum Verlauf des jeweiligen Heerzugs und zu zwei einzelnen größeren Festungen. Das ist befriedigend, aber auch nicht mehr, da wenigstens an der einen oder anderen Stelle eine Karte noch das Spielgeschehen verdeutlicht und erleichtert hätte (Bsp. Amazonenfestung). Zudem wäre bei der hohen Seitenanzahl ein Index eine schöne Sache gewesen und ein Personenverzeichnis im Anhang eigentlich ein Muss – aus unerfindlichen Gründen wurde darauf verzichtet (vielleicht Zeitmangel, da die „Splitterdämmerung“ ja unbedingt vor dem Erscheinen der neuen Edition abgeschlossen werden sollte). Vollkommen zufrieden kann man dagegen mit der Aufmachung sein. Auch wenn das Cover etwas statisch und langweilig ist, so ist es von sehr guter Qualität, was durch die Illustrationen im Inneren des Bandes unterstützt wird.

Der Inhalt selbst in Form der Handlung bietet durchaus einige Freiheiten für die Spieler und Helden. Natürlich ist es klar, dass die Heere gen Mendena ziehen und dort auch ankommen sollen. Aber die Art und Weise und wie vollständig diese ankommen, wird durch das Handeln der Helden bestimmt beziehungsweise soll dadurch bestimmt werden. Die Ergebnisse der Handlungen der Helden führen zwar dazu, dass die Heere keine, mehr oder weniger Verluste erleiden und gegebenenfalls Zeit verlieren oder schneller vorankommen – leider hat dies nahezu keine Auswirkungen auf die Schlacht vor Mendena beziehungsweise wird dem Spielleiter als Verantwortung zugeschoben. Richtig freie Handlungen der Helden sind begrenzt vorgesehen, das Abenteuer wird vor allem durch Aufträge der Heerführer oder bekannter Persönlichkeiten bestimmt. Innerhalb dieser Aufträge und Situationen haben die Helden und damit auch die Spieler allerdings oft hohe Freiheiten und Handlungsoptionen. Sehr lobenswert im Aufbau ist zudem die sehr genaue Aufteilung der Truppenteile im Heer mit all ihren Eigenarten und Spielwerten – leider wird dies jedoch nahezu nicht genutzt und oft nicht mal erwähnt, welche Teile gerade im Spielgeschehen eingebunden, sodass hier wieder Arbeit auf den Spielleiter wartet. In einem Abschnitt, in dem eine Golemarmee das Heer aufhält wird beispielsweise die Anzahl der Verluste nicht mal in hoch, mittel oder niedrig aufgeteilt (geschweige denn Zahlenwerte), sondern auch mit schwammigen Worten komplett an den Spielleiter delegiert.

Die Helden werden vor allem immer wieder als kleiner Handlungstrupp ausgeschickt, um spezielle Situationen zu klären. Häufiger handelt es sich dabei auch eher um Nebenschauplätze, die nur wenig mit der Haupthandlung zu tun haben oder es wird gewollt versucht, eine Relevanz für den Heerzug herbeizudichten (Klärung von ritterlichen Streitigkeiten, Diplomatieversuche mit unwichtigen Adligen etc.). Dies passt für unerfahrenere Heldengruppen, aber nicht für die gewünschten Expertenhelden in der Angabe des Abenteuers. Aber es gibt glücklicherweise auch größere Szenarien, die wirklich Expertenhelden erfordern und Spannung wie Dramatik versprechen. Sauer stößt allerdings auf, dass dann alles auf die Helden abgewälzt wird und Fähigkeiten von Nichtspielercharakteren gar nicht beachtet werden. Die drei Heere werden von unzähligen Zauberern und Geweihten begleitet, die zum Teil selbst ebenso mächtig wie Expertenhelden sind. So wirkt es dann durchaus lächerlich, dass die Helden sich allein mit einer Gefahr herumschlagen müssen, während diese Summe an magischer und karmaler Macht viele Herausforderungen des Gegners sofort erledigen könnte. Natürlich wäre das Spielern mangels eigenem Eingreifen auch nicht Recht, aber dann hätten sich die Autoren etwas anderes überlegen müssen – so wirkt es schlicht unrealistisch. Ergänzend ist zudem anzumerken, dass dafür an anderen Stellen die Helden durchaus zum Zuschauen verurteilt werden, wenn Nichtspielercharaktere die Handlung zu stark beeinflussen. Wie schon weiter oben erwähnt, fallen der eigentliche Heerzug und die zugehörige Kriegsführung weitestgehend unter den Tisch, sodass Schlachten, der Kriegsverlauf und vor allem der entscheidende Kampf um Mendena eher erzählerisch abgehandelt werden – für Spieler, die sich auch dafür interessieren, eine unbefriedigende Vorgehensweise. Gerade die Eroberung zum Schluss hätte doch genügend Möglichkeiten für Helden geboten.

Fazit: Der Band lässt den Leser unbefriedigt zurück. Die Qualität der Szenarien schwankt recht stark und auch die Ausführung von Szenarien leidet oftmals am Platzmangel. Die Vernachlässigung gerade des Kriegszuges und damit verbundener taktischer Scharmützel wirkt entgegengesetzt zur Erwartung, die man an den Band hatte. Insgesamt wirkt der Band leider zu schnell zusammengestellt, worunter der Gesamteindruck leidet.

Splitterdämmerung 7: Die Verlorenen Lande
Abenteuerband
Nicole Euler, Daniel Heßler u.a.
Ulisses Spiele 2015
ISBN: 3957521866
192 S., Hardcover, deutsch
Preis: EUR 29,95

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