Eiserne Flammen

Der Kampf gegen die Heptarchen in den Schwarzen Landen wurde vor allem vom Mittelreich über viele Jahre mit mehr und mehr Erfolg geführt. Doch der einstige Meister-Mechanikus Leonardo aus Havena tüftelt noch immer im Höllenschlund von Yol-Ghurmak, dem einstigen Ysilia, an seiner Weltenmaschine. Die Stadt ist die schwärende Wunde, die die zwölfgöttlichen Kirchen und weltlichen Herrscher gern schließen würden. Können sich die Helden der Gefahr stellen und das Übel besiegen?

von Ansgar Imme

Das Abenteuer „Eiserne Flammen“ hat einen langen Weg der Entwicklung hinter sich. Einst war es als Teil der „Splitterdämmerung“-Kampagne vorgesehen, in dem die Spieler und Helden gegen die Heptarchen kämpfen und die Splitter der Dämonenkrone Borbarads unschädlich machen sollten. Doch durch den Übergang zur fünften Edition von „Das Schwarze Auge“ passte es nicht mehr in den Veröffentlichungsrhythmus, da man die Kampagne mit dem Erscheinen des neuen Grundregelwerks abgeschlossen haben wollte. Der eigentliche Autor war zu dem Zeitpunkt mit anderen Aufgaben beschäftigt und konnte die Fertigstellung des Abenteuers nicht garantieren.

Dann sollte die Geschichte um Leonardo in einem Buch-Zweiteiler von Michael Masberg zu Ende geführt werden. Der erste Band „Salon der Schatten“ erschien in 2016 und bekam – auch beim Ringboten – gute Kritiken. Doch es kam zum Streit zwischen Autor und Verlag, und Michael Masberg stellte die Zusammenarbeit ein. Schließlich nahm man bei Ulisses Spiele doch die Idee eines Abenteuerbandes wieder auf, welcher zwar deutlich vor der aktuellen Spielzeit spielt, aber von vielen Spielern herbeigesehnt wurde. Gemäß der Herausforderung handelt es sich allerdings um ein Abenteuer für „Experten“-Helden.

Handlungsüberblick

Während das Mittelreich einen Feldzug gegen die Schwarzen Lande vorbereitet (siehe „DSA“-Abenteuer „Splitterdämmerung: Die verlorenen Lande“), werden die Helden vom Bergkönig und höchstem Priester Angroschs – Arombolosch, Sohn des Agam – in Warunk zu einer Unterredung eingeladen. Einer Vision seines Gottes folgend, hat Arombolosch mit Hilfe mächtiger Verbündeter ein Artefakt geschaffen, mit dem der Splitter Leonardos gesichert und ausgeschaltet werden soll. Denn der Mechanikus ist kurz davor, eine bedrohliche Maschine unter der Erde Yol-Ghurmaks zu vollenden, deren Macht ganz Aventurien bedrohen könnte.

Mit Hilfe der alanfanischen Ingerimm-Geweihten Orelia Alphahanez reisen die Helden mitsamt des Artefakts in Form einer großen Truhe quer durch die schwarztobrischen Lande gen Yol-Ghurmak. Neben der Sicherung des Splitters soll auch Leonardos Seele mit Hilfe eines zweiten Artefakts vor den Zugriffen der Erzdämonen verwahrt werden. Bereits auf der Reise durch die Warunkei gilt es, den richtigen Weg zwischen Verbergen vor den Schergen des Gegners und einem Eingreifen zu Gunsten Unschuldiger zu finden.

In Yol-Ghurmak erwartet selbst hartgesottenste Helden eine Herausforderung. Die Stadt ist dauerhaft von Wolken und Schwärze bedeckt, etliche Schlote stoßen unablässig Rauch aus, Flammen stehen am Himmel, Dämonen wandern auf den Straßen. Es liegt an den Helden, möglichst unauffällig weitere Informationen zu sammeln und vielleicht sogar – mehr oder weniger – zweifelhafte Verbündete zu finden, die sich hier besser auskennen. Doch die Zeit arbeitet gegen sie, und mit Erschrecken müssen sie feststellen, dass ihr eigentlicher Plan nicht gelingen kann, sondern dringend einer Anpassung bedarf. Dazu kann es passieren, dass sie selbst oder Ophelia in Gefangenschaft geraten oder Verbündete gegen sie spielen. Ihr Weg führt sie tief in die Dämonenschmiede, wo sie weit unter der Erde auf den Mechanikus treffen und das Ende auf die eine oder andere Weise erleben.

Kritik: Aufmachung, Layout, Inhalt


Üblicherweise sind die „DSA“-Abenteuer 64 Seiten stark. Wie auch schon beim Abenteuer „Klingen der Nacht“ wird ein größerer Umfang (hier 112 Seiten) genutzt, um die epische Geschichte und den umfassenden Hintergrund darzustellen. Dazu liefert der Verlag eine vollfarbige, detaillierte Karte der Stadt Yol-Ghurmak, eine gröbere Stadtkarte für die Spieler/Helden sowie etwa 8 Seiten mit Handouts wie Briefen oder Berichten. Es hätte vielleicht noch die eine oder andere Übersichtskarte mehr sein können, aber grundsätzlich ist die Spielleiter-Unterstützung hier angemessen. Eine Karte zur Dämonenschmiede ist nicht enthalten, was aber durch den zeitlichen Zwang  nicht so ins Gewicht fällt, da die Spieler kaum Zeit zum Erkunden haben.

Die Illustrationen geben die dunkle Stimmung des Abenteuers gut wieder und stellen oft Situationen aus der Stadt oder besondere Personen dar, sodass man sie durchaus auch den Spielern zur Verdeutlichung oder Unterstützung der Atmosphäre zeigen kann. Allerdings merkt man diesen die Erstellung am Computer oder Zeichentablet an.

Auch wenn das Ende des Abenteuers grundsätzlich vorgegeben ist beziehungsweise es am Ende normalerweise einen Weg geben sollte, den die Spieler nehmen, bietet die Handlung nach der Anwerbung und vor dem Showdown ausreichend Abwechslung und Flexibilität.

Eher langweilig und schon zu klassisch ist die Anwerbung und Einführung der Helden über einen bekannten Auftraggeber. Dazu ist der Auftrag auch noch ein extrem gefährliches Kommando-Unternehmen, bei dem selbst erfahrenen Helden schnell der Tod droht, da Yol-Ghurmak als extrem gefährlich gilt. Hier braucht es schon sehr viel Selbstaufopferung, um dies anzugehen. Besser wäre möglicherweise eine frühere Einbindung der Spieler und Helden schon beim Artefakt oder auch des Kennenlernens der begleitenden Nichtspielercharakterin gewesen.

Die Anreise ist recht kurz gehalten und hält noch keine großen Herausforderungen bereit. Aber dafür besteht die Möglichkeit, ein wenig am Besonderen der Schwarzen Lande zu „schnuppern“ und die Rücksichtslosigkeit der Menschen dort zu erleben, was den Helden zu einer gewissen Vorsicht in der Stadt verhelfen kann. Die Problematik des großen Artefakts stellt hier nur eine kleine Herausforderung für die Spieler dar, sodass dieser Abschnitt noch etwas beliebig und vorgeschoben wirkt, da man ja doch irgendwie eine Anreise in das Abenteuer einbauen musste oder wollte. Vielleicht hätte man dies dann lieber kürzer halten sollen.

Speziell in Yol-Ghumark sind dann keine festen Schritte vorgegeben, wie die Spieler vorzugehen haben, was ihnen viele Freiheiten lässt. Ein roter Faden und Vorschläge der zeitlichen Einordnung ermöglichen auch einen stringenteren Ablauf, aber hier können Spielleiter und Spieler je nach Geschmack agieren. Dieses ist mit Abstand der stärkste Teil des Abenteuers, da die Spieler in alle möglichen Richtung ermitteln oder sich informieren können und die Möglichkeit der Bündnissuche besteht, aber kein Muss ist. Je nach Verhalten fallen sie mehr oder weniger auf und rufen dadurch Gegner auf den Plan. Je nach Kontaktperson können sie unterschiedliche Informationen erhalten, was somit einerseits notwendig ist, andererseits aber eben Gefahren birgt (vor allem die spionierenden Gotongi-Dämonen, siehe weiter unten).

Zum hinteren Drittel bis Ende des Abenteuers werden den Spielern dagegen recht wenig Freiheiten gelassen. Hier zielt alles auf ein bestimmtes Ende hin, was dem Ganzen etwas den positiven Eindruck nimmt. Dazu kommen recht viele Talentsammel-Proben, deren Ergebnisse oft aber nur geringe Auswirkungen auf das spätere Geschehen haben. Es bleiben zwar immer noch gewisse Freiheiten, aber letztlich läuft es auf ein gewisses Vorgehen hinaus, wenn die Spieler nicht zu früh scheitern wollen. Spätestens in der Dämonenschmiede gibt es dann nur noch einen Weg. Dabei stehen die Autoren vor der Aufgabe, sowohl eine gewisse Gefahr zu erzeugen, aber auch den Spielern die Möglichkeit des Erfolges zu lassen. Dadurch wirkt aber der Weg durch die Ebenen nicht überzeugend, da entweder keine Gefahr droht oder man zu schnell scheitern kann. Im Aufeinandertreffen mit Leonardo werden durchaus unterschiedliche Möglichkeiten vorgestellt, wie man vorgehen kann. Neben dem Kampf mit mächtigen Unelementen (sozusagen den dämonischen Gegenparts der Elemente) ist dabei eine Lösung für den Splitter sowie Leonardos Seele zu finden. Die Lösungen wirken zwar nachvollziehbar, aber die Frage ist, ob die Spieler wirklich darauf kommen und wie man sie gegebenenfalls dort hinführen kann, ohne es vorzugeben.

Was man vor dem Spielen als Spielleiter bedenken sollte, ist die sehr düstere Stimmung des Abenteuers. Hier geht es oft auch um menschliches Leid und die Bewohner sind brutal, rücksichtslos oder egoistisch. Düstere Wesenheiten sind fast an der Tagesordnung, den Spitzeleien durch die Gotongi-Dämonen kann man kaum entkommen. Nicht jeder Spieler mag sich mit dieser Stimmung wohlfühlen oder diesen grausamen Horror ertragen.  Das Düstere wird teils auch etwas überstrapaziert, da beispielsweise ständig saurer Regen fällt, der die lebenden Menschen nach und nach verletzt und verstümmelt. Außerdem lassen unzählige Gotongi kaum Möglichkeiten, nicht beobachtet zu werden. Wie will man hier einen geheimen Plan ausführen, ohne dass man frühzeitig auffällt? Hier ist es für den Spielleiter vielleicht angebracht, einige Bereiche abzuändern, da bei realistischer Ausführung ansonsten eine Entdeckung und ein Scheitern der Helden zu wahrscheinlich wird.

Fazit: Ein Experten-Abenteuer hat doch noch den Weg an die Spieltische gefunden. Es findet sich dabei Licht und Schatten. Der düstere Hintergrund ist einmal etwas ganz anderes, mit dem sich Spieler abgeben müssen, und ist toll beschrieben sowie schafft viel Atmosphäre. An manchen Stellen sind die Autoren jedoch etwas über das Ziel hinausgeschossen. Bei der Handlung hätte man zudem das Ende besser aufbereiten können. Nicht jede Spielgruppe wird damit glücklich sein, aber den meisten wird „Eiserne Flammen“ doch hoffentlich spannende Spielabende verschaffen.

Eiserne Flammen

Abenteuerband
Anni Dürr, Julian Härtl, David Lukaßen
Ulisses Spiele 2019
ISBN: 3963311886
112 S., Hardcover, deutsch
Preis: EUR 24,95

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