von LarsB
Alle Tage ausverkauft – 220.000 Besucher. Das hatte es zuvor noch nicht gegeben. Und das trotz der Vergrößerung von sechs auf sieben Hallen. Knapp 950 Aussteller haben ihren Weg nach Essen gefunden. Die SPIEL feiert Rekorde und platzt aus allen Nähten. Und die U-Bahn, Straßen und Parkplätze platzen gleich mit. Als ich am Mittwoch in der Spielestadt der Welt angekommen bin, wurde auf der Pressekonferenz gerade der Gewinner des Deutschen Spielepreises 2025 gekürt: „SETI: Auf der Suche nach außerirdischem Leben“, auf Deutsch erschienen im Heideberger Spieleverlag. Es hatte sich gegen „Endeavor – Die Tiefsee“ (Frosted Games) und „Bomb Busters“ (Pegasus Spiele) durchgesetzt. Klar ist, dass die SPIEL auch nächstes Jahr wieder in Essen stattfindet. Mal schauen, wann sie ihrer Geburtsstadt entwachsen sein wird.
Neuheitenschau
„Parks“ erscheint in einer neu gestalteten Auflage bei Feuerland. Das zauberhafte Fifty-Nine-Parks-Projekt dient grafisch nicht mehr als Vorlage. Knapp 100.000 USD Spenden für Nationalparks hatte man im Laufe von vier weltweiten Verkaufsjahren durch den Verkauf der ersten Version zusammengetragen. Jetzt ist die Lizenz weg. Die Neugestaltung ist durchaus hübsch, versprüht aber nicht den Charme der ersten Auflage. Dafür wurde der Spielablauf etwas gestrafft, um der Kritik zu begegnen, dass das Spiel zu lange dauert. Die Neuauflage beinhaltet auch Erweiterungsmaterial, sodass „Parks 2.0“ ein bisschen anspruchsvoller als seine Vorgängerversion ist.
Bei „APEX – Carnivore“ (OneStone Studios), einem schnellen, direkten Evolutions-Deckbuilding-Spiel schlüpfen die Spieler in die Rolle von prähistorischen Raubtieren, die um Territorium und Ressourcen konkurrieren. Die Spieler beginnen mit einem Startdeck und entwickeln ihre Spezies weiter, indem sie neue, stärkere Karten (Futter, Raubtiere) kaufen und ihr Deck verbessern, um so zum Spitzenprädator zu werden. Das Hauptziel ist es, die Lebenspunkte des Gegners auf null zu reduzieren, wobei Würfel eine zufällige Komponente und zusätzliche Spannung in die Aktivierung von Karteneffekten und den Kampf bringen, wenn man denn Würfel und den damit verbundenen Glücksfaktor mag.
Das bei Tranjis Games erschienene „Pulitzer“ versetzt die Spieler in die turbulenten frühen 1970er Jahre in den USA, wo sie als Chefredakteure einer investigativen Redaktion um den begehrten Pulitzer-Preis kämpfen. In dem Worker-Placement-Spiel mit verdeckter Platzierung, bei dem Journalisten strategisch auf dem Spielplan eingesetzt werden, sammeln die Spieler Hinweise und Informanten. Die Spieler müssen durch geschickte Recherche und das Sammeln von Beweisen einen möglichst brisanten Report zusammenstellen, um bei der Endwertung die meisten Punkte zu erzielen und sich so den historischen Preis zu sichern. Das Ermittlungsboard eines Spielers sieht aus wie eine Tafel für die Lösung eines Kriminalfalls, bei der die einzelnen Hinweise mit Schnüren verbunden werden. Spielmechanisch spielt die Länge der Schnur eine Rolle. Und echte Stecknadeln gibt es auch.
„Colleagues“ versetzt die Spieler in ein humorvolles und ironisches Büro-Umfeld, in dem sie als Arbeitskollegen in einem Wettstreit um die „beste“ Position stehen. Arbeit muss dabei genauso vermieden werden wie Mecker vom Chef. Es handelt sich um ein schnelles Karten-Platzierungsspiel mit Rollenkarten, bei dem die Spieler versuchen, Aufgaben auf ihrem Schreibtisch zu erledigen, ohne dabei zu sehr aufzufallen. Das paradoxe Ziel ist es, nicht durch herausragende Leistung oder die größte Menge an Arbeit aufzufallen, denn am Ende gewinnt derjenige, dem es am besten gelingt, nicht hervorzustechen und unauffällig zu bleiben. Kaffee hilft dabei. Man könnte das Spiel auch als Büro-Simulation kategorisieren.
„Skitter“ (im gleichnamigen Verlag erschienen) ist als „analoge Schnippspiel-Konsole“ konzipiert, die Geschicklichkeit und Taktik in einem modernen und durchdachten Rahmen (das gilt auf mehreren Ebenen) in den Vordergrund stellt. Die Spieler schnippen oder schieben, Verzeihung, skitten magnetische Metallscheiben (Skitts) über ein Spielfeld, um strategisch auf farbige Felder zu zielen und Punkte zu sammeln. Das Besondere: Das Regelset wird ständig weiterentwickelt. Es gibt eine aktive Community. So liegen dem Spiel Teile bei, für die es aktuell noch keine Regel gibt. So gibt es gleich einen ganzen Haufen an Regelvarianten, die „Skitter“ zu einer Spielesammlung, machen. Ein interessantes Konzept.
Ein Hingucker ist auch „12 rivers“ von BGNation beziehungsweise Good Games Publishing. Die Spieler führen einen Stamm an, der die mystischen zwölf Flüsse erkundet, die von einem Bergsee herabfließen. Für die Dorfbewohner sammelt man wertvolle, magische Perlen, die im Wasser treiben. „12 rivers“ ist ein Worker-Placement-Spiel mit Elementen des Set Collection, das auf einem dreidimensionalen Spielbrett mit einer schiefen Ebene gespielt wird, auf der farbige Perlen tatsächlich physikalisch hinunterrollen. Die Ausstattung wie die Murmelgröße hat man im Vergleich zur Vorgängerversion verbessert. Die Spieler setzen strategisch Alpaka-Arbeiter entlang der Flüsse ein, um die rollenden Perlen zu sammeln und diese an Dorfbewohner-Karten zu liefern, wodurch sie Synergien und die meisten Siegpunkte erzielen.
In „Thiefdom“ (Karma Games) repräsentieren die Spieler konkurrierende Diebesgilden in der reichen mittelalterlichen Stadt Bacharach, deren modulares Layout sie erkunden und ausrauben. Bei dem strategischen, interaktiven „Pick-up and Deliver“-Spiel bewegen die Spieler ihre Diebesfiguren, um Beute von einem Ort zu stehlen und sie an einem anderen abzuliefern. Die zentrale Herausforderung besteht darin, den vier Stadtwachen auszuweichen, die von allen Spielern kontrolliert werden, da eine Gefangennahme zum Verlust der Beute führt; über sechs Runden gewinnt die Diebesgilde mit den meisten Siegpunkten. Taktik und Interaktion sind bei „Thiefdom“ Trumpf.
„Under our Sun“ (Tabletopper Games) spielt in einer düsteren postapokalyptischen Welt, nachdem ein Mega-Asteroid mit der Sonne kollidiert ist und alles Leben den extremen Sonnen-Bedingungen unterworfen ist. Endlich ein Spiel, bei dem sich alle so fühlen wie ich im Mittelmeer-Urlaub (heller Hauttyp)! Es handelt sich um ein semi-kooperatives Abenteuer- und Erkundungsspiel, bei dem die Spieler Ressourcen sammeln, Gegenstände herstellen und die Wastelands Planfeld für Planfeld erkunden. Die Überlebenden müssen zusammenarbeiten und ihre einzigartigen Fähigkeiten nutzen, um eine gemeinsame Mission zu erfüllen. Allerdings müssen sie wachsam sein, da optionale Verräter-Mechaniken dazu führen können, dass nicht jeder das gleiche ultimative Ziel verfolgt. Damit versprüht „Under our Sun“ schon auch ein paar „Nemesis“-Vibes. Besonders sympathisch ist die Mannschaft hinter dem Projekt. Da haben Freunde zusammen ein umfangreiches Brettspiel entwickelt, auf das sie selbst wahnsinnig Bock hatten – und das hat einen hervorragenden Ersteindruck hinterlassen.
Auch sympathisch war Frank Müller, der Autor von „Space Missions“, welches er im Eigenverlag tiros-games veröffentlicht hat. Die Spieler erleben als Mitglieder einer Raumfahrtbehörde die spannende Zeit der Weltraumfahrt bis zum Jahr 1969, dem Rennen um die erste bemannte Mondlandung. Wir haben es hier mit einem kompetitiven Kennerspiel mit einem neuartigen Deck-Abbau-Mechanismus (Deck-Destruction) zu tun. Die Kartendecks der Spieler spiegeln die Zuverlässigkeit der Systeme und die Qualität der Astronauten-Teams wider. Diese Decks bestehen aus drei Arten von Karten, die das Ergebnis der Missionen bestimmen:? „Kein Problem“-Karten (Erfolge), „Kleines Problem“-Karten (mittleres Risiko), „Großes Problem“-Karten (hohes Risiko/Misserfolge). Die Spieler bilden Astronauten aus, bauen Raketen zusammen und führen Missionen durch, wobei sie ihre Kartendecks optimieren müssen, um Erfolge zu maximieren und das Risiko von Problemen zu minimieren. Das Spiel ist ein Wettlauf, der endet, sobald ein Spieler erfolgreich die Mondlandung abgeschlossen hat. Der Spieler mit den meisten Siegpunkten aus erfolgreichen Missionen und Fortschritten in den Erfolgsbereichen gewinnt. Hätten das die Sowjets damals nur auch schon gewusst.
„Ardevur“ (#64-Verlag) ist eine schick umgesetzte Bergbau-Lieferketten-Simulation in der modernen Welt, die in einem volatilen, nachfragegesteuerten Wirtschaftsszenario spielt. Die Spieler übernehmen die Kontrolle über mächtige, asymmetrische Bergbaukonzerne, die um die Rohstoffgewinnung in den Regionen Afrika und Europa konkurrieren. Klassifizieren kann man „Ardevur“ als ein kompetitives Wirtschafts- und Strategie-Brettspiel mit den Hauptmechaniken Gebietserstellung, Ressourcenmanagement und Verhandlung/Handel. Der Kern liegt in einem vierphasigen Zyklus aus Extraktion, Strategie, Entwicklung und Belohnung, wobei der Fokus auf langfristigen Investitionen und der Optimierung der Lieferkette liegt. Die Spieler versuchen, die Nachfrage nach kritischen Mineralien zu decken, ihre Bergbauanlagen zu entwickeln, Ressourcen zu handeln und Kapital aufzubauen, um die Gesamtkontrolle über den turbulenten Markt zu erlangen und als Sieger hervorzugehen. Das Spiel legt Wert auf strategische Fähigkeiten und kommt mit wenig Glück aus. Der Autor Gabriele Aerolite ist selbst in der Bergbau-Industrie beschäftigt und hat seine Expertise bei der Entwicklung des Spiels eingebracht. Ich habe ein Rezensionsexemplar bekommen und werde das Spiel hier rezensieren.
Von Cosmodrome Games kommt „Children of the Colossi“. Das Setting ist eine ungewöhnliche Postapokalypse, in der riesige Kreaturen, die sogenannten „Colossi“, das Land durchstreifen. Die Spieler sind rivalisierende Stämme, die versuchen, die wertvollen Eier dieser Giganten zu finden. Es handelt sich um ein Area-Control- und Erkundungsspiel. Die Spieler kämpfen um die Vorherrschaft auf dem Spielplan, der sich im Laufe des Spiels verändern kann. Dabei haben die unterschiedlichen Colossi jeweils eigene, besondere Fähigkeiten und beeinflussen das Spielgeschehen. Die Stämme konkurrieren darum, die Colossi-Eier zu finden und zu beanspruchen, während sie gleichzeitig ihre Bewegungen strategisch planen müssen, um die besonderen Effekte der Colossi zu nutzen oder ihnen auszuweichen. Es ist ein taktischer Wettstreit um die wertvollsten Funde in dieser Endzeit-Welt auf mehreren Ebenen. Auch hier folgt noch eine ausführliche Rezension.
In „Pinched“ (Mighty Boards) schlüpfen die Spieler in die Rollen von Einbrechern („Vermögensumverteilern“) in einer Stadt, in der die Reichen mit ihren Wertsachen protzen. Das Ziel ist es, in die Häuser einzubrechen und so viel Beute wie möglich zu machen. Es ist ein Spiel mit den Hauptmechaniken Deduktion und Set Collection. In jeder Runde plant ein Spieler als „Mastermind“ einen Einbruch. Die anderen Spieler versuchen durch Deduktion zu erraten, wo der Mastermind zuschlagen wird, um sich ihm anzuschließen. Der Mastermind-Spieler will lieber alleine bleiben, denn er erhält die gesamte Beute, wenn er unentdeckt bleibt. Erraten die anderen Spieler den Ort jedoch korrekt und tauchen dort auf, können sie Wertsachen vom Mastermind stehlen. Der Spieler, der am Ende die meisten gestohlenen und verkauften Wertsachen besitzt und somit den größten Reichtum „umverteilt“, gewinnt. Ein Spiel, das seinen Zauber am besten mit einer guten Portion „Trash Talk“ am Tisch zu entfalten vermag.
„Calupum“ vom Schweizer Verlag Board Game Box Publishing lässt die Spieler ihre eigenen Schafherden auf einer Weide hüten und beschützen, die von Wölfen heimgesucht wird. „Calupum“ kann man als taktisches Familienspiel mit Area-Control- und Bewegungs-Planungs-Elementen beschreiben. Die Spieler nutzen Schafkarten, um ihre eigenen Schafe, die Wölfe und andere Akteure (wie die Schäferin und den Schäferhund Bobtail) auf einem modularen, magnetischen Spielbrett zu bewegen. Die Spieler versuchen, ihre Schafe hinter Hecken oder anderen Schutzelementen zu verstecken, um sie vor der Sichtlinie der Wölfe zu schützen (und so Lebenspunkte zu bewahren). Nach 12 Runden gewinnt der Spieler mit den meisten Siegpunkten, die sich aus den überlebenden Lebenspunkten der Schafe und erfüllten Zielkarten zusammensetzen. Das Spiel bietet einen einfacheren Winter-Modus und einen komplexeren Sommer-Modus. Die Darstellung der verletzten Schafe mit Pflastern ist herzerwärmend.
Das bei Spielworxx in Kürze erscheinende „Limit“ ist ein Zivilisationsspiel und eine politische Sandbox, die von 1850 bis 2060 über sieben Generationen hinweg spielt. Spieler lenken das Schicksal einer Nation in einer Welt begrenzter Ressourcen. Das Spiel ist inspiriert vom realen „world3“-Modell (einem Systemmodell zu globalen Grenzen des Wachstums). Die Hauptmechaniken sind Engine Building und Area Control/Influence in einem reaktiven, dynamischen System. In jeder Runde stellen die Spieler die politischen Weichen, beeinflussen globale Märkte und bauen ihr Produktionssystem aus. Jede Entscheidung hat Konsequenzen für die globalen Krisen (Umwelt, Militär, Finanzen, Gesellschaft), die durch die Aktionen der Spieler ausgelöst werden können. Es gibt kein einfaches „richtig“ oder „falsch“ oder reine Punkteoptimierung. Ziel ist es, das Schicksal der eigenen Nation bestmöglich zu lenken und das Ende des Spiels (maximal 7 Generationen oder vorzeitiges Ende durch vier globale Krisen) zu überdauern. Es geht um Verantwortung, Macht und wie man mit den begrenzten Ressourcen umgeht. Ein interessantes Spielkonzept, dass wir uns hier auf dem Ringboten online im Rahmen einer Rezension genauer anschauen werden.
Bonustrack: Asmodee Geburtstag
Wir waren auf der 30. Geburtstag Feier von Asmodee. Hier haben Deutschlandchef Udo Fischer und der CEO von Asmodee Thomas Koegler die dreißig Jahre gewürdigt. Eingebettet wurde alles in den neuen Auftritt von Asmodee als Spielemarke, die man sympathisch gestalten möchte. Das Asmodee-Logo wird man zukünftig prominent auf den Spieleschachteln finden. Man möchte nicht mehr als böses Aktienunternehmen wahrgenommen werden, was die guten kleinen Spieleverlage auffrisst. Man möchte zeigen, wie sehr Asmodee und alle Mitarbeiter selbst spielebegeistert sind. „Dann man tau“, wie mein ostfriesisches Ich jetzt sagen würde.











