von Morgath

„Somorra“ – der Name klingt vertraut. Kein Wunder, handelt es sich doch um ein Wortspiel aus den Städtenamen „Sodom“ und „Gomorra“, welche im biblischen Zeitalter gleichbedeutend für einen Ort der Sünde waren. Auch Somorra ist eine Stadt, allerdings eine Stadt unserer Zeit. Hier sind Verbrechen, Verrat und Korruption zu Hause. Hier zerplatzen Träume wie Seifenblasen. Hier werden täglich Menschen in den Abgrund gezogen, aus dem es kein Entrinnen mehr gibt.

In diesem Sündenpfuhl schlüpft der Leser in die Rolle einer jungen Polizistin. Ihr Vater war einst – als die Zeiten noch besser waren – der Polizeichef von Somorra. Er kämpfte für Gerechtigkeit und wurde dafür ermordet. Seine Tochter ist in seine Fußstapfen getreten. Auch sie will Somorra zu einem besseren Ort machen. Auch sie ist eine Idealistin!

Doch wie lange wird sie beziehungsweise der Leser den Idealismus bewahren? Gleich zu Beginn wird sie vom eigenen Vorgesetzen, dem neuen Polizeichef und Nachfolger ihres Vaters, verraten und der Unterwelt zum Fraß vorgeworfen. Offensichtlich ist sie  jemandem ein Dorn im Auge, der ihren den Tod wünscht. Kurz darauf liegt sie vollgepumpt mit Drogen in der Gosse und wartet auf den Tod. Im Polizeibericht wird es vermutlich „Arbeitsunfall“ heißen. Soll so die Geschichte enden?
 
Nein, natürlich nicht! Also gilt es, die brenzlige Situation zu überleben, sich in der neuen Lage zurechtzufinden und schließlich Beweise für die eigene Unschuld beziehungsweise die Korruption des Polizeichefs zu finden. Kein leichtes Unterfangen, denn sie wird sowohl von den früheren Kollegen als auch der Unterwelt gejagt. Zu allem Überfluss hat die verabreichte Droge süchtig gemacht, sodass sie auch gegen die Sucht ankämpfen muss. Und dann wäre noch Somorra, die Stadt, die auch ohne die anderen Probleme schon gefährlich genug wäre …

Vereinfacht gesagt, ist Somorra ein Stadt- und Detektivabenteuer, bei dem man verschiedene Ort aufsucht, mit diversen Personen spricht und Informationen sammelt. Somorra ist aber mehr. Es ist regelrecht ein Thriller unter den Spielbüchern. Somorra greift aktuelle Themen unserer Zeit, wie Drogen, Verbrechen und Korruption, auf und behandelt diese schonungslos. Es ist nichts für schwache Nerven, nichts für Kinder. Hier gibt es kein Schwarz und kein Weiß. Kein richtig oder falsch. Jeder kann Freund oder Feind sein, und ist oft auch beides zugleich. Es gilt, zu überleben, egal wie. Es gilt, schwierige moralische Entscheidungen zu treffen. Es gilt, den eigenen Weg zu finden. Nur eines ist klar: Am Ende wird nichts wie es am Anfang sein.

Die Geschichte ist spannend wie ein Roman geschrieben. Man wird schnell in den Sog der Ereignisse gezogen. Schnell von der an Gotham oder Sin City erinnernden Stimmung verschluckt. Einmal eingetaucht, wird man das Buch so schnell nicht mehr weglegen.

Technisch wurde das Buch tadellos umgesetzt. Obwohl Somorra ein Spielbuch ist, kommt es ohne Spielregeln aus. Man hat keine Werte. Man muss nie würfeln. Man muss lediglich lesen und gelegentlich einige Codewörter notieren. Einfacher geht es nicht. Somorra ist daher eher ein interaktiver Roman denn ein klassisches Spielbuch. Dem Lesespaß tut dies keinen Abbruch. Im Gegenteil, schon ab der ersten Seite ist man mitten im Geschehen.

Somorra erschien in gewohnt guter Qualität beim Mantikore Verlag. Das Cover ist erstklassig. Auch im Inneren gibt es einige sehr hochwertige Illustrationen. Der Preis von 14,95 Euro ist angemessen.  

Fazit: Die Sußner-Brüder sind erwachsen geworden und haben nicht nur persönlich eine neue Stufe erreicht, sondern auch das Genre des Spielbuchs auf ein neues Niveau gesetzt. Während ihr Erstlingswerk ein gutes, aber letztlich doch normales Fantasy-Spielbuch war, haben sie mit Somorra Neuland betreten und ein Spielbuch hingelegt, das das Zeug zum Klassiker hat. Unbedingt lesen!

Somorra – Stadt der Lügen
Abenteuer-Spielbuch
Christian Sußner, Florian Sußner
Mantikore Verlag 2019
ISBN: 978-3-961880-89-8
560 S., Taschenbuch, deutsch
Preis: EUR 14,95

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