Shadowrun Anarchy – Alternatives (Grund)Regelwerk

Drei Jahre nach dem Erscheinen der 5. Edition gibt es nun einen Versuch, eines der wohl regellastigsten Rollenspiele, die es gibt, in einer „schlanken“ Version herauszubringen. Doch „Anarchy“ will mehr sein als nur „Shadowrun Light“. Ein neuer, leichterer Zugang zum „Shadowrun“-Universum, mit mehr Schwerpunkt auf der Geschichte und mehr Action, soll geboten werden. Kann „Anarchy“ dieses Versprechen halten?

von Adaon

Zunächst tritt „Anarchy“ ziemlich cool auf. Ein Hardcover-Buch mit geprägtem Einband, für den mittlerweile gewohnt günstigen Preis von 19,95 Euro macht bei 236 Seiten schon Eindruck. Auch das Artwork, wie immer hochklassig, bietet stilvolle „Shadowrun“-Stimmung. Zahlreiche neue Bilder wurden im Buch verwendet. Beim Durchblättern fällt auf, dass auch für die vorgefertigten Charaktere durchgehend gutes Artwork verwendet wurde, wobei hier neben neuem Material auch aus so gut wie allen vorhergehenden Publikationen der 5. Edition passende Charaktere für die Porträts geliehen wurden. Es gibt zwar nur eine Kurzgeschichte im ganzen Buch, doch die Charakter-Hintergründe sind wirklich interessant und vielseitig geschrieben. Der Schwerpunkt liegt klar auf mehr Stil, mehr coole Sprüche, mehr Action.

Was fällt beim genauerem Lesen auf? Den Anfang macht ein Vorwort. Etwas ungewöhnlich für ein Regelwerk, wird hier zunächst die Vergangenheit von „Shadowrun“ beschworen, um dann mit dem vorliegenden Regelwerk in die Zukunft zu blicken. In „Der Preis der Überlebens“ gibt es auf 20 Seiten einen Überblick über die Vergangenheit und Gegenwart der 6. Welt. Die „Regeln der Straße“ danach nehmen tatsächlich nur 23 Seiten ein. Allerdings geht es auch in den nächsten Kapiteln – „Sich einen Ruf machen“, „Das Steuern der Anarchie“ und „Mächte das Chaos“ – darum, wie das Spiel gespielt wird. Im darauf folgenden Kapitel, „Leute von der Straße“, werden 30 vorgefertigte, teils wirklich coole Charaktere vorgestellt, sowie generische NSC mit Werten geliefert. „Die Geheimnisse von Seattle“ gibt einen Überblick über die Emerald City. Der wahrscheinlich größte Anteil des Buches wird vom Kapitel „Weltgeschehen“ in Anspruch genommen. Hier sind 37 fertige Runs bereit, gespielt zu werden. Was im klassischen Regelwerk allerdings pro Abenteuer einen eigenen Ergänzungsband gefordert hätte, nimmt hier nur eine DIN-A4-Seite ein, wenn überhaupt. Mit „Anarchy und die Fünfte Edition“ wird eine Konvertierung zwischen den beiden Systemen ermöglicht, ein Index, ein „Shadowrun“-Wörterbuch und der Charakterbogen schließen das Regelwerk ab.

In „Anarchy“ soll es mehr um Action als um Kopfrechnen und genaue Welten-Simulation gehen. Können die Regeln dies unterstützen? Wie läuft das Spiel ab, was unterscheidet es vom klassischen „Shadowrun“ oder anderen traditionellen Rollenspielen? Zunächst werden, wie gewohnt, die Charaktere erschaffen. Attribute, Fertigkeiten, Vor- und Nachteile, Waffen und Panzerung – das alles wirkt vertraut, und doch ist es deutlich vereinfacht. Weniger von allem, vereinfachte Beschreibungen, leichtere Berechnung war wohl das Ziel. So sind alle „Verbesserungen“ – Bodytech, Magie, Cyberdecks, Resonanz und anderes – unter „Schattenbooster“ zusammengefasst. Diese Booster sind das Ass im Ärmel des Charakters. Sie steigern für gewöhnlich die Würfelanzahl, können jedoch auch Formen annehmen wie dem Charakter mehr Waffen als vom Regelwerk vorgesehen zu geben (eigentlich maximal 6).

Die vorgestellten Möglichkeiten bleiben dabei hinter den Angeboten im Grundregelwerk deutlich zurück, und wirken auch in ihren Spielauswirkungen teilweise austauschbar. Bei der Liste der Zauber zum Beispiel gibt es zwei unterschiedliche, die genau dieselbe Auswirkung haben.

Das Hauptelement ist sicherlich die geteilte Macht der Erzählung. Die Regeln sehen vor, das der Spielleiter eine Szene beschreibt, und sich danach im Uhrzeigersinn um den Tisch herum jeder Spieler beteiligt. Dabei können – und sollen – die Spieler auch die Szenerie beschreiben und NSC einführen, welche dann vom Spielleiter gesteuert werden. Statt also das Regelwerk von „Shadowrun“ zu nutzen, um relativ dicht am Charakter zu bleiben, die Fertigkeiten der Charaktere zu betrachten, um Handlungen zu finden, welche im Rahmen der Möglichkeiten liegen, die durch die gegebene Situation im Spiel, den Fertigkeiten des handelnden Charakters und den Ideen des Spielers vorgegeben sind, sollen sich alle Spieler an einem Ideen-Potpourri beteiligen. Der Spielleiter muss also während einer Spielrunde regelmäßig „den Ball abgeben“ und die Spieler machen lassen. Doch soll er auch gleichzeitig stets eingreifen, wenn bestimmte Ereignisse während einer Erzählung auftreten. Hauptsächlich handelt es sich dabei um Regelanteile, das Spielen der NSC, die der Spieler einführt und das Beenden der Erzählung eines Spieler, wenn diese zu lange dauert. Denn der Spieler kann seinen Charakter zwar nur eine Kampfhandlung durchführen lassen, jegliche andere Handlung, Umgebungsbeschreibung etc. kann er jedoch nach Belieben ausschmücken.

Ein weiterer wichtiger Faktor hierbei sind Plotpunkte. Jeder Spieler erhält 3 zu Beginn einer Spielrunde, kann vom Spielleiter weitere verliehen bekommen und kann im Kampf durch "Schattenbooster" noch mehr dazu erhalten. Plotpunkte können als „Meta-Währung“ betrachtet werden. Sie werden von Spielern ausgegeben, um Effekte im Spiel hervorzurufen, wie spontane Heilung, zusätzliche Würfel bei einer Probe oder sogar dem Tod von der Schippe zu springen. Auch können Plotpunkte verwendet werden, um während der Erzählung eines anderen Spielers einzugreifen, sei es durch Ideen oder Hinweise, um sich in einem Kampf mehr einzubringen oder um die Erzähl-Reihenfolge zu sprengen und außer der Reihe zu handeln. Es wird ausdrücklich dazu aufgefordert, eigene Ideen für Wirkungen einzubringen. Ausgegebene Plotpunkte der Spieler landen dabei im Vorrat des Spielleiters, der sie nutzen kann, um die NSC zu unterstützen oder die Spielerreihenfolge zu ändern.

Die Proben im Spiel, also das Würfeln, wenn etwas schief gehen kann, nutzen weiterhin sechseitige Würfel, bei denen jede 5 und 6 als Erfolg zählt. Die 1 zählt nur noch als Fehlschlag, wenn (per Plotpoint) der „Schicksalswürfel“ hinzugefügt wird und diese zeigt.

Natürlich gibt es auch weiterhin unter den Attributen noch „Edge“, das allerdings nur ausgegeben werden kann, um Würfe zu verbessern (Erfolge gelten ab 4+) oder um alle nicht-Erfolgswürfel einer Probe nochmals zu werfen.

Das letzte Kapitel erlaubt es, Charaktere aus dem Regelwerk von „Shadowrun 5“ nach „Anarchy“ zu übertragen und umgekehrt. Die erste Umwandlung ist einfach, es gibt zwar zwei Möglichkeiten, genannt „schnelle“ und „detaillierte“ Methode, diese unterscheiden sich aber nur geringfügig. Die erste Methode läuft nach 9 Schritten ab, die zweite nach 10. Sieben dieser Schritte sind allerdings nahezu identisch, 2 sind nur etwas erweitert, und nur ein Schritt zum Hintergrund des Charakters ist hinzugekommen. Für die Übertragung von „Anarchy“ zur 5. Edition ist dagegen deutlich mehr Arbeit nötig. Als erfahrener Spieler könnte man auch direkt einen neuen Charakter erschaffen, den man eventuell mit etwas mehr Karma ausstattet.

Nach dem Umwandeln der geliebten Charaktere ist es Zeit für ein paar Vergleiche. Schließlich möchte „Anarchy“, neben neuen Spielern, die „Shadowrun“-Rollenspieler-Gemeinde überzeugen, und muss dafür mit dem aktuellen Grundregelwerk mithalten. Mit 489 Seiten (und ehrlich gesagt, könnte man die Zufallsrun-Tabelle am Ende auch noch hinzuzählen) bietet das klassische Regelwerk mehr als doppelt so viele Seiten. Trotz der ausufernd erscheinenden Komplexität gibt es klare Strukturen, die der Spielerin erlauben, ihr Charakterkonzept übersichtlich zu halten und dennoch sehr individuell zu gestalten. Der Fokus liegt klar auf der Spezialisierung auf der einen Seite und dem Teamwork und dazu passenden Fähigkeiten auf der anderen. Es geht nicht, einfach nur mächtig zu sein. „Anarchy“ hat als Konzept dagegen den Überflieger – zumindest wirkt jedes Charakterkonzept so: besser, stärker, schneller. Der Preis liegt mit knapp 20 Euro bei beiden Systemen gleich; der Inhalt unterscheidet sich stark.

Das Regelwerk von „Anarchy“ erscheint mir leider als nichts Halbes und nichts Ganzes. Es soll leichter sein, hat aber mit den Regeln, Ausnahmen und nicht-intuitiven Ressourcen, die zu beachten sind, einfach nicht die Struktur, welche „Shadowrun“ auszeichnet. Die nötigen Proben zum Tragen eines Objektes, was man würfeln muss, um sich an etwas zu erinnern etc. werden beispielsweise nebenbei im Text eingestreut. Natürlich versucht „Anarchy“ ja auch eigentlich, die Regeln zu minimieren. Stattdessen sollte sich jeder Spieler in diesem System gut mit Rollenspielen und Geschichten erzählen Allgemeinen und dem „Shadowrun“-Universum im Besonderen auskennen, um folgerichtige Erzählungen präsentieren zu können. Um die Welt zu vereinfachen, werden Drohnen einfach in drei Stufen gehalten, die Charaktere werden nicht mehr in Nuyen sondern in Karma bezahlt, und sie geben dieses auch für Waffen und Ausrüstung aus. Dabei kann man jederzeit einkaufen und zahlt gleich viel für Rauchgranaten, ein Fahrzeug oder einen Beutel mit glatten Steinen – und ja, ich zitiere hier aus der Ausrüstungsliste. Mehr noch als im Standard-Rollenspiel, in welchem die Handlungen eines Charakters zwar absolut frei, jedoch auch von seinen Fähigkeiten abhängig sind und damit die Entscheidungen eines Spielers über seine Handlungen recht klar begrenzen, können und sollen die Spieler bei „Anarchy“ diese Grenzen überschreiten. Auf der anderen Seite soll die Spielrunde immer fest im Uhrzeigersinn um den Tisch herum handeln, egal, wie schnell oder langsam der gespielte Charakter an sich wäre. Das alles mag für eine gut eingespielte Gruppe beziehungsweise bei erfahrenen Rollenspielern funktionieren, meiner Meinung und zugegebenermaßen nur kurzzeitigen Erfahrung nach ist dieser Ansatz jedoch eher nicht allgemein umsetzbar.

Auch sind die Regeln immer noch so zahlreich, dass sie auf Anfänger komplex wirken. Allein der Charakterbogen wirkt, trotz weniger Inhalt als derjenige für die 5. Edition, durch sein Design eher überfrachtet und schwieriger zu lesen. Und die Regeln sollen einfach sein, was sie in ihren Auswirkungen auch sind – im Grunde werden immer nur Würfel zu einer Probe hinzugefügt, abgezogen oder neu geworfen. Aber diese Reihenfolge ist eigentlich die Bekannte aus der 5. Edition: Attribut + Fertigkeit + Modifikator. Zwar gibt es weniger Modifikatoren, dafür kommt bei „Anarchy“ auch noch der „Schattenbooster“ hinzu. Und so manche Modifikation wird nur für wenige oder gar nur einzelne Fälle gebraucht, wie die Berechnung des Rammschadens eines Fahrzeuges anhand seiner Robustheit – die für anderes, Schäden beispielsweise, gar nicht herangezogen wird.

Etwas unpraktisch ist auch, wie sich die Regeln, Hinweise und Modifikatoren im Text auf immerhin knapp 56 Seiten Regelanteil verteilen. Ein paar Tabellen, die alles übersichtlich zusammenfassen, wären hilfreich gewesen.

Statt also ein leichteres Spiel für alle zu bieten, ist „Anarchy“ eher für einen bestimmten Typus Rollenspieler interessant. Andere Spieler können sich anpassen, doch die Frage muss lauten, ob dies gewünscht ist. In Zeiten, in denen längst bekannt ist, dass Spieler aus unterschiedlichen Gründen ins Rollenspiel kommen (und, vor allem, bleiben!), ist ein System, das einen eher schmalen Ansatz verfolgt, nicht unbedingt massenwirksam. Und wenn neue Spieler mit diesem System an das Thema Rollenspiel herangeführt werden, wird es bei einer anderen Runde mit einem „klassischen“ System zunächst einen ziemlichen Kulturschock geben.

Wer sich für einen leichteren Zugang zum „Shadowrun“-Rollenspiel interessiert, sollte über eine eigene Konvertierung mit einem wirklich leichten Regelwerk wie „Ultralight“ nachdenken. Oder einfach eine Runde mit einem gut improvisierenden Spielleiter suchen, der sich im „Shadowrun“-Universum gut auskennt und den Spielern Arbeit abnehmen kann, bis sich diese eingewürfelt haben. Wenn es darum geht, Anfänger einzuführen, werden die vorhandenen Regeln leider keinen einfachen Einstieg ermöglichen – und besonders die empfohlene Spielweise, in der die Welterschaffung zwischen Spielern und Spielleiter aufgeteilt wird, kann bei Spielern die es nicht gewohnt sind, zusammenzuarbeiten, unauflösbar scheinende Konflikte aufwerfen. „Hey, ich gebe einen Plotpunkt aus. Ein Drache reißt das Dach vom Gebäude ab und brüllt uns an. Das wäre jetzt cool, oder?“

Die Regel von „Anarchy“, die hier verwendet werden soll, heißt „Ja, und dann ...“ und soll es erlauben, den Spielfluss beizubehalten, also praktisch jede Entwicklung zu erlauben. Kombiniert mit den vorhandenen Grenzen der Spielercharaktere jedoch, also ihren Würfelpools, die gegen die Würfel der NSC gesetzt werden sollen, kann sich eine Gruppe, deren Mitglieder aufdrehen wollen, durchaus auch selbst umbringen. Vergleichen wir dies kurz mit den Standard-Regeln, wenn sich ein Spieler oder eine Gruppe festgefahren hat. Nehmen wir eine Runde mit Anfängern und die Frage: „Was soll ich tun?“ So kann der Spielleiter hier antworten: „Schau Dir mal Deine Fähigkeiten an. Was passt jetzt gut?“ Auch diese Methode bringt die Spieler ins Spiel hinein, bringt sie dazu, im Kontext der Welt, die ihre Charaktere umgibt, zu denken und ihre Problemlösungsfähigkeiten gezielter anzuwenden. Zwar in einem „geschlosseneren“ Rahmen, doch dafür aus dem Blickfeld ihrer Charaktere auf die Welt, in der sie spielen – ohne dass sie die gesamte Welt und was darin passieren könnte dafür kennen müssten. Der Spielleiter ist hier natürlich, wie gewohnt, gefordert, den Spielern Möglichkeiten zu bieten, die Welt für die Charaktere herausfordernd und gleichzeitig lösbar zur gestalten. Und hier liegt wohl der Hauptunterschied zwischen „Anarchy“ und dem klassischen (nicht nur) „Shadowrun“-Rollenspiel: Die Grenze zwischen Spielleiterin und Spieler wird fast aufgehoben. Gut oder Schlecht? Dies muss jede Spielerin, die sich für dieses System interessiert, für sich entscheiden.

Die Regeln eines Rollenspiels müssen ja eine relativ komplexe Welt simulieren. Dies ist hier sowohl im „Shadowrun“-bekannten Ansatz enthalten, als auch in den zahlreichen Beschreibungen der vorgefertigten Charaktere, den vielen Hinweisen, was alles Tolles im Spiel passieren kann, und der recht ausführlichen Beschreibung von Seattle. Doch die Regelwerte für all das fehlen, die Spieler müssen sich schon recht gut auskennen, um spontan Hindernisse wie bestimmte Fallen, Drogen oder magische Bedrohungen im Spiel auftauchen zu lassen – und recht frei improvisieren, um eine passende Möglichkeit zu finden, damit jeweils wieder umzugehen. Auch hier wird die Tür nur einen Spalt weit geöffnet. Sicher braucht es für eine stimmungsvolle „Shadowrun“-Atmosphäre keine fetten Regelbücher, bringen uns schließlich beispielsweise die Romane, die in diesem Universum spielen, schon sehr viel an Stimmung mit. Doch an diesen ausführlichen Beschreibungen fehlt es ebenso wie am erwähnten komplexen Regelwerk. Nur eine Kurzgeschichte, die den Spielstil von „Anarchy“ verdeutlicht, erzählt dem Leser, wie ein Run ablaufen kann.

Dem aufmerksamen Leser wird bis hierhin aufgefallen sein, dass mein Fazit über „Shadowrun: Anarchy“ nicht unbedingt positiv ausfällt. Ich habe mit erfahrenen Spielern und Anfängern gesprochen, ohne meine eigene Meinung hinzuzufügen, um festzustellen, ob ich mit meiner Einschätzung eher alleine stehe. Dies scheint mir nicht der Fall zu sein. Dennoch fand ich auch ein paar positive Reaktionen im Internet zu diesem Regelwerk, daher möchte ich nochmals stark darauf hinweisen, dass meine mittlerweile recht gefestigte Meinung zum Spielspaß mit „Anarchy“ nicht ausschlaggebend sein muss.

Fazit: Man soll ein Buch nie nach seinem Einband beurteilen. Die Rückseite dieses Exemplares ist eng beschrieben, und verspricht: „So einfach und erzählerisch war Shadowrun noch nie.“ Das stimmt zwar, doch gleichzeitig fühlt es sich – für den Autoren dieser Rezension – damit nicht mehr nach „Shadowrun“ an. „Anarchy“ macht gleichzeitig zu wenig und zu viel: Die Regeln sind wesentlich weniger als gewohnt, dafür jedoch nicht eingängig und von der klaren Logik und den gut strukturierten Tabellen, die die 5. Edition bei aller Komplexität auszeichnen, weit entfernt. Die Spielweise ist stark verändert und liegt abseits von der klassischen Spielleiter/Spieler-Trennung, was tatsächlich die actionlastige Geschichte fördern kann; ob dies allerdings für jede Gruppe geeignet ist oder für jeden Spielertyp überhaupt passend, muss man feststellen. Weiterhin fallen dabei viele mögliche Wendungen, die entstehen können, wenn die Welt komplett unter der Leitung des Spielleiters steht, in denen es beispielsweise um Heimlichkeit, Verrat oder minutiös geplante Runs mit mehreren Ebenen geht, ziemlich unter den Tisch. Auch und gerade als „Shadowrun“-Fan empfehle ich Interessenten vor einem Kauf weitergehende Recherchen, ob „Anarchy“ den eigenen Geschmack trifft. Interessant wird es zu sehen, ob dieses Regelwerk neue Spieler an die Szene heranführt – und wenn ja, wie diese reagieren, wenn sie in Kontakt mit der klassischen Spieler/Spielleiter-Trennung kommen.

Shadowrun Anarchy
Grundregelwerk
Randall N. Bills, Patrick Goodman, Jason M. Hardy, Philip A. Lee, u.a.
Pegasus Spiele 2017
ISBN: 978-3-95789-113-6
236 S., Hardcover, Deutsch
Preis: EUR 19,95

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